Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 10. Mai 2018, Teil 5
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das Buch, das hier verfilmt ist, ist ziemlich bekannt. Nun ist das immer so eine Sache, wenn man die Vorlage kennt und dann auf der Leinwand andere Personen sieht als die, die man sich vorgestellt hat. Aber noch stärker geht es darum, ob sich beim Filmschauen die Gefühle einstellen, die man beim Lesen empfand.
Und wenn schon die Zeit, in der Penelope Fitzgerald ihre Heldin in tiefster Provinz eine Buchhandlung aufmachen und betreiben läßt in den Fünfziger Jahren ist, so ist doch auch diese Zeit nicht nur von verstaubten und kleinkarierten Personen bevölkert, die brav die Weisungen von oben befolgen. Das legt einem dieser Film leider nahe, der einerseits nacherzählt, was die Autorin vorschreibt, dann aber zu wenig die filmischen Mittel nutzt, die Vorlage in Bilder zu setzen.
Aber wer Literatur liebt, der mag auch diesen Film von einer, die nicht aufgibt, diese den Menschen nahezubringen. Florence Green (Emily Mortimer) ist schon jung Witwe geworden, dabei lag eine glückliche Ehe vor ihr. Beide liebten die Bücher und sich weiter mit Büchern zu beschäftigen, ist auch so, als ob er noch dabei ist. Lange träumt sie davon, im englischen verschlafenen Hardborough eine eigene Buchhandlung aufzumachen, denn so etwas Revolutionäres gibt es dort nicht. Die Arbeiter sind nicht gerade Leser und die feine Gesellschaft, die ist auf einem anderen Trip. Denn es ist auch die Zeit, wo sich die in der Provinz immer noch gesellschaftlich führende Aristokratie der zeitgenössischen Kunst zuwendet.
Er wird zwar im Film nicht zitiert, aber der junge englische Künstler Richard Hamilton hat mit seiner Collage „Just what is it that makes today's homes so different, so appealing?“ 1956 einen Prozeß in Gang gesetzt, in der auf einmal die Kunst der Zeit als letzte Mode gilt und eine unglaubliche Aufwertung und gesellschaftlichen Achtung erfährt, die direkt in die Pop Art führt, die dann auch viel Geld kostet. Weiß man das, dann ist einem klar, daß das Vorhaben der lieben netten Florence Green, den Buchladen in genau dem alten Gebäude einzurichten, das so lange leer stand und hergerichtet werden muß, als kurz danach auch die graue Eminenz des Ortes, Violet Gamart (Patricia Clarkson) genau dieses Gebäude für das von ihr vorgesehene und geleiteterKunstzentrum nutzen will.
Sie nimmt Florence nicht nur übel, daß diese schneller war, sondern sie steht dem Vorhaben, Bücher zu vertreiben, skeptisch gegenüber. Die Klassiker sind bekannt und die Gegenwartsliteratur ist nichts, was gut erzogene Leute lesen sollten. Wir haben mit Florence dagegen gerade in die Gegenwartsliteratur geblickt, die nach dem Krieg einen Aufschwung genommen hat. Der Krieg. Aus dem Krieg ist ihr geliebter Mann nicht mehr zurückgekommen, mit dem sie die Bücherleidenschaft teilte und wenn sie nun diesen Buchladen 14 Jahre nach dem Krieg aufmacht, ist ihr Mann immer noch in ihren Gedanken und sie liest die Bücher für ihn mit.
Nun ist sie eigentlich eine traditionelle Leserin, aber ist angetan, was sich in der Literatur tut, wo Fahrenheit 451 von Bradbury einschlägt und dann Nabokovs Lolita den Rahmen sprengt. Da gibt es einen reichen, aber völlig zurückgezogen lebenden Mann, Mr. Brundish (Bill Nighy), der des Ladens – oder doch auch der sympathischen Buchhändlerin - wegen erstmalig sein Haus verläßt und sich Bücher kauft. Dem war vorausgegangen, daß Florence ihm Bücher schickte, die ihn überrascht hatten, weshalb er nun selbst sich im Laden umtun will.
Das macht die schon zuvor intrigante herrschsüchtige Violet noch wütender, die schon bisher alles dafür tat, damit der neue Buchladen ein Mißerfolg wird. Aber deren Inszenierungen sind zwar gemein, aber auch nicht besonders interessant. Und sie kommen nicht an, denn bisher läuft der Betrieb Richtung Erfolg. Die Bevölkerung zeigte sich angetan. Etwas Neues wird sowieso gerne besichtigt und tatsächlich konnte die Buchhandlung viele Besucher erleben, wenngleich sehr viel weniger tatsächlich ein Buch kauften.
Das alles läuft für den Zuschauer in absolut vorhersehbaren Bahnen. Bücher sind uns doch auch wichtig, aber die aufopferungswillige Florence läuft sich etwas tot. Die einzigen interessanten Einschübe sind die mit Mr. Brundish, doch der hat einen schnellen Abgang.
Wir nun auch.
Fotos:
© Verleih
Info:
Darsteller
Florence Green ............................. Emily Mortimer
Edmund Brundish ....................... Bill Nighy
Violet Gamart............................... Patricia Clarkson
Milo North .................................... James Lance
General Gamart ........................... Reg Wilson
Christine ....................................... Honor Kneafsey
Mr. Raven ..................................... Michael Fitzgerald
Mr. Keble ...................................... Hunter Tremayne