Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) – Wäre sie nicht in einer Klosterschule aufgewachsen, könnte sich Jeanne (Judith Chemla) vielleicht aus ihrer unerträglichen Ehe befreien. Der große Respekt vor der Kirche aber, die sich immer wieder in ihr Privatleben einmischt, lässt sie vor ihrem Schicksal kapitulieren. Schnell entpuppt sich der arme Baron Julien (Swann Arlaud), den sie auf Wunsch ihrer Eltern geheiratet hat, als ein geiziger, untreuer, aufbrausender Mann.
In den unbeheizten Räumen ihres Anwesens muss sie frieren. Unbeweglich wie ein Klumpen Fleisch liegt der stieselige Gatte in der Hochzeitsnacht auf ihr. Dafür treibt er es umso intensiver mit Rosalie (Nina Meurisse), einer Bediensteten, die bald ein Kind von ihm erwartet. Selbst nach diesem Eklat sitzt der Halodri der Betrogenen wie eine Laus im Pelz, drängt doch ein Geistlicher Jeanne dazu, dem Ehebrecher zu verzeihen.
Der französische Regisseur Stéphane Brizé erzählt nach Guy de Maupassants gleichnamiger Novelle von einem schrecklichen Frauenleben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es kulminiert, nachdem der unverbesserliche Julien eine weitere Affäre mit einer Nachbarin begonnen hat, in einem tödlich endenden Eifersuchtsdrama, nach dem die Heldin allein mit einem Sohn (Finnegan Oldfield) zurückbleibt, der sie als Erwachsener allerdings ebenso enttäuschen wird wie sein Vater.
„Ein Leben“ endet gleichwohl nicht so tragisch wie Fontanes „Effi Briest“, Flauberts „Madame Bovary“ oder Tolstois „Anna Karenina“. Denn hier gibt es neben der alles erduldenden Leidensfigur Jeanne noch eine bodenständige, unabhängige, selbstbewusste Frau in Gestalt von Rosalie. Sie wird am Ende die verarmte Jeanne bei sich aufnehmen und vor dem Ruin bewahren.
Brizé bleibt dicht an der literarischen Vorlage, verzichtet aber auf die melodramatischen Höhepunkte, indem er die Geschichte mit Auslassungen erzählt. Dank dieses Kunstgriffs entsteht ein einziger Fluss aus Bildern und Emotionen, der das Schicksal der Heldin in der Schwebe hält, so dass sich erklärt, warum sie nicht zerbricht, vielmehr nach jedem Debakel weiter darum ringt, an ihren Idealen festzuhalten. Nahezu beiläufig klingen mithin die großen Dramen des Lebens an, dass man sie in einem Moment der Unachtsamkeit verpassen könnte.
Eine solche rudimentäre Inszenierung erscheint als radikaler Gegenentwurf zu der schwelgerischen Ästhetik konventioneller Kostüm- und Ausstattungsfilme.
Der leise, feinfühlige, subtile, melancholische Film konzentriert sich ganz auf die Isolation einer Frau, die keinen eigenen Willen ausprägen konnte.
Foto:
© Verleih
Info:
Darsteller:
Jeanne Judith Chemla
Der Baron Jean-Pierre Darroussin
Die Baronin Yolande Moreau
Julien Swann Arlaud
Rosalie Nina Meurisse
Der Abt Picot Olivier Perrier
Der französische Regisseur Stéphane Brizé erzählt nach Guy de Maupassants gleichnamiger Novelle von einem schrecklichen Frauenleben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es kulminiert, nachdem der unverbesserliche Julien eine weitere Affäre mit einer Nachbarin begonnen hat, in einem tödlich endenden Eifersuchtsdrama, nach dem die Heldin allein mit einem Sohn (Finnegan Oldfield) zurückbleibt, der sie als Erwachsener allerdings ebenso enttäuschen wird wie sein Vater.
„Ein Leben“ endet gleichwohl nicht so tragisch wie Fontanes „Effi Briest“, Flauberts „Madame Bovary“ oder Tolstois „Anna Karenina“. Denn hier gibt es neben der alles erduldenden Leidensfigur Jeanne noch eine bodenständige, unabhängige, selbstbewusste Frau in Gestalt von Rosalie. Sie wird am Ende die verarmte Jeanne bei sich aufnehmen und vor dem Ruin bewahren.
Brizé bleibt dicht an der literarischen Vorlage, verzichtet aber auf die melodramatischen Höhepunkte, indem er die Geschichte mit Auslassungen erzählt. Dank dieses Kunstgriffs entsteht ein einziger Fluss aus Bildern und Emotionen, der das Schicksal der Heldin in der Schwebe hält, so dass sich erklärt, warum sie nicht zerbricht, vielmehr nach jedem Debakel weiter darum ringt, an ihren Idealen festzuhalten. Nahezu beiläufig klingen mithin die großen Dramen des Lebens an, dass man sie in einem Moment der Unachtsamkeit verpassen könnte.
Eine solche rudimentäre Inszenierung erscheint als radikaler Gegenentwurf zu der schwelgerischen Ästhetik konventioneller Kostüm- und Ausstattungsfilme.
Der leise, feinfühlige, subtile, melancholische Film konzentriert sich ganz auf die Isolation einer Frau, die keinen eigenen Willen ausprägen konnte.
Foto:
© Verleih
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Darsteller:
Jeanne Judith Chemla
Der Baron Jean-Pierre Darroussin
Die Baronin Yolande Moreau
Julien Swann Arlaud
Rosalie Nina Meurisse
Der Abt Picot Olivier Perrier