f kulthumSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. Juni 2018, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Diesen Film im Film sieht man erst mit ungeheuerem Interesse, was bezogen auf die Hauptperson der Geschichte, die ägyptische Sängerin Oum Kulthum lange bleibt, weil sie uns völlig unbekannt war, aber bei ihrer Beerdigung 1975 in Kairo vier Millionen Menschen ihr das letzte Geleit gaben. Und so was wüßte man gerne.

Hört man dann zuvor noch den Namen der US-Iranerin Shirin Neshat als Regisseurin sind sowieso die Erwartungen groß und vielleicht sollte man die Hintergründe erst erläutern, um zuzugestehen, daß beim Zuschauen irgendetwas erlahmt, so daß die anfängliche Begeisterung in leichte, dann mehr als leichte Enttäuschung umschlägt. Hintergrund ist, daß die Künstlerin und Filmemacherin Shirin Neshat über die ägyptische Sängerin seit langem einen Film, das was man heue Biopic nennt, machen wollte, der nicht zustandekam. Sie hat ihr eigenes Scheitern in eine andere Person, eine andere Frau, eine andere Regisseurin verlegt, die einen Film über Oum Kulthum dreht, auch mit den Dreharbeiten anfängt und diese unter großen, auch persönlichen Schwierigkeiten weiterführt. Es ist die Regisseurin Mitra, die die deutsche Schauspielerin Neda Rahmanian als recht exaltiert, egozentrisch, auch zickig darstellt. Sie findet ihre Oum Kulthum in der jungen Lehrerin Ghada (Yasmin Raeis) , als sie verschiedene Frauen für diese Rolle vorsingen und vorsprechen läßt. Und das ist ein filmischer Leckerbissen, wie aus der eher sanften Lehrerin Ghada die durchaus strenge und sich ihrer Bedeutung bewußte Sängerin wird.

Doch, das hat was, wenn wir im Mix einmal historische Aufnahmen sehen, in Schwarzweiß, dann die Dreharbeiten, meist in Farbe und nicht immer alles genau unterscheiden können, das SchwarzWeiß muß nicht immer das Historische sein, aber klar ist, daß wir in einem aufgeklärten Ägypten zu Hause sind in den Fünfziger Jahren, als die ägyptische Revolution durch Nasser den Menschen Hoffnung gab, daß eine künftig in Ägypten eine gerechtere Gesellschaft leben könnte. Interessant, wie gut sich Oum Kulthum mit Nasser (1918-1970) verstand, sie die zwischen 1898 und 1910 Geborene, die 1975 starb. Überhaupt kommt Oum Kulthum als eigenständige Frau rüber, was wichtig ist, weil, wie im Fall der Hissa Hilal aus Saudi-Arabien im letzte Woche angelaufenen Film THE POETESS von Andreas Wolff, man laut sagen muß, daß in früheren Zeiten die Frauen in islamischen Ländern eine größere Freiheit besaßen, nicht nur als heute, sondern grundsätzlich in der Öffentlichkeit stehen durften.

Auch Oum Kulthum hatte ihre Kämpfe zu bestehen. Der Vater, der sie erst gefördert hatte, nachdem er mitbekam, wie sie ihn als Sänger kopierte. Sie und ihr Bruder, alle sangen, sie durchaus als Junge verkleidet, bis das nicht mehr glaubwürdig war und der Vater ihr das Singen verbot. Stattdessen sollte sie heiraten. Mitnichten. Sie sang immer weiter, bis auch der Vater klein beigab. Tatsächlich soll sie 80 Millionen Platten verkaufte haben mit ihren Liedern. Unvorstellbar. Die in den Filmaufnahmen von Ghada dargestellte Oum Kulthum zeigt ihre Entwicklung vom unsicheren jungen Mädchen bis zu absolut selbstsicheren Frau, die sich ihrer Kultfunktion bewußt war und ihr diente, nicht umbekehrt, diese persönlich nutzte.

Man merkt, uns interessiert die echte Oum Kulthum und deshalb ermüdet einfach, wenn im Film die Regisseurin des Film über Oum Kulthum eine so große Rolle spielt und ihr Sohn einfach verschwindet. Das rührt einen nicht, sondern man hofft, daß diese Szenen schnell vorbeigehen und Oum Kulthum wieder eine Rolle spielt. Aber diese geht leider irgendwie und irgendwo verloren und wir sind stattdessen jetzt auf der Suche nach ihren Platten, also ihrer Musik, ihrem Gesang. Noch sind wir nicht fündig geworden, aber die Suche nach Oum Kulthum, die der Film nicht beantwortet, geht für uns weiter!

Foto:
© Verleih

Info: 
REGIE
Shirin Neshat in Zusammenarbeit mit Shoja Azari
mit
Neda Rahmanian, Yasmin Raeis, Mehdi Moinzadeh, Kais Nashif u.a.