f kultuhumSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. Juni 2018, Teil 5

Shirin Neshat

Europa (Weltexpresso) - Als visuelle Künstlerin und Filmemacherin habe ich in den vergangenen 20 Jahren verschiedene Konzepte und Erzählweisen ausprobiert, die immer wieder muslimische Frauen in den Mittelpunkt stellten. 2009 inszenierte ich meinen ersten Spielfilm „Women Without Men“, die Verfilmung des magisch-realistischen Romans der iranischen Autorin Shahrnush Parsipur.

Immer noch beschäftigt mich die Kraft und der künstlerische Ausdruck der Frauen in der muslimischen Welt, und seit 2010 habe ich an dem Spielfilmprojekt über Leben und Werk der legendären ägyptischen Sängerin Oum Kulthum (1900–1975) gearbeitet, deren Musik und überlebensgroße Persönlichkeit nach wie vor fest in den Herzen und Träumen von Millionen Menschen im Nahen Osten verankert ist. Ich bin mir sicher, dass dieser Film ähnlich wie „Women Without Men“ den Lebensweg eines weiblichen Idols nachzeichnen kann und gleichzeitig ein lebensnahes geschichtliches Porträt des modernen Ägypten entwirft – in seiner Entwicklung von der Monarchie über den britischen Kolonialismus bis zur Revolution 1952 und der Katastrophe des Krieges gegen Israel 1967.

Ich begann das Projekt mit Recherchen, sammelte Fotos und Literatur über Oum Kulthum und die ägyptische Geschichte. Schließlich entschloss ich mich, keine historische Filmbiografie zu drehen, sondern eine persönliche Geschichte zu erzählen und dabei meine eigene Perspektive und meine Probleme als iranische Regisseurin einzubringen, die versucht, einen Film über eine legendäre ägyptische Sängerin zu drehen.

Im endgültigen Drehbuch geht es also auch sehr intensiv um meine eigenen Obsessionen, Schwierig- keiten, Entwicklungen und die unerwartete Selbsterkenntnis, dass mein Blick auf das Schicksal einer weiblichen Künstlerikone des Nahen Ostens meine eigene Erfahrung ebenso spiegelt wie die anderer Frauen im Nahen Osten, die sich künstlerisch betätigen und/oder einen Beruf ergreifen wollen. Der Film konzentriert sich gleichzeitig auf drei weibliche Hauptfiguren: Oum Kulthum, Mitra (die iranische Regisseurin) und Ghada (die ägyptische Schauspielerin, die Oum Kulthum darstellt).

In der Geschichte wird deutlich, dass die meisten Frauen des Nahen Ostens – unabhängig von ihrer Generation oder ihrem kulturellen Umfeld – in den von Männern beherrschten Gesellschaften stets vor einem ähnlichen Dilemma stehen: Ruhm und Erfolg können sie zwar erreichen, aber immer müssen sie dafür ihr traditionelles Familienleben opfern – unterschwellig manifestiert sich das Gefühl einer Entfremdung, die sich als Resultat des Verzichts auf einen konventionellen Lebensstil ergibt.


Foto:
die Regisseurin im Film mit ihrer Hauptdarstellerin © Verleih

Info:
REGIE
Shirin Neshat in Zusammenarbeit mit Shoja Azari
mit
Neda Rahmanian, Yasmin Raeis, Mehdi Moinzadeh, Kais Nashif u.a.