f vomendeSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. Juni 2018, Teil 8

N.N.

London (Weltexpresso) – „Ein loyaler Filmemacher muss der Buchvorlage untreu werden, das wusste ich schon immer“, sagt Julian Barnes. „Hat man sein Buch erst einmal hochtalentierten Menschen anvertraut, muss man sie auch völlig frei damit verfahren lassen.“ Die Freiheit, sich vom starren Korsett einer werkgetreuen Adaption lösen zu dürfen, war für Autor Nick Payne der größte Reiz des Projekts: „Ich konnte mit der Struktur experimentieren, so wie es auch der Roman tut. Das Drehbuch ist fast eine Coming-of-Age-Geschichte, nur dass der Protagonist schon über sechzig ist. In der Regel ist dieses Genre jüngeren Menschen vorbehalten, aber ich glaube, dass wir uns unser ganzes Leben lang weiterentwickeln.“

Für Payne wie auch für Regisseur Ritesh Batra war das Ziel, dem Kern des Romans treu zu bleiben, sich aber bei Schauplätzen und Charakteren alle Freiheiten zu nehmen, denn für die Leinwand gelten andere Regeln. „Ein Film kann die Ergänzung zu einem Buch sein, aber wenn man einen literarischen Stoff adaptiert, kann man nur sich selbst einbringen“, sagt Batra. Der Roman wird aus der Perspektive von Tony Webster erzählt. Also mussten Payne und Batra für die Verfilmung Nebenfiguren zu echten Charakteren ausarbeiten, sich aber gleichzeitig an Tonys Wahrnehmung orientieren, um jeder Szene emotionales Gewicht zu verleihen.

Für Joe Alwyn, der Tonys Schulfreund und Rivalen Adrian spielt, lieferten der Roman und das Drehbuch genug Hintergrund, um seine Rolle erfassen zu können, obgleich Adrian nur in Tonys Erinnerungen auftaucht. „Das Buch ist auch deshalb so faszinierend, weil es eine Fülle an Informationen liefert, obwohl es so persönlich ist und ausschließlich aus Tonys Sicht erzählt wird“, so Alwyn. „Aber das Drehbuch hat seine eigene, einzigartige Struktur.“ Auch Tonys geschiedene Frau Margaret und die gemeinsame Tochter Susan spielen im Film einflussreichere Rollen als in der Vorlage.

Freya Mavor, die Tonys erste Liebe Veronica verkörpert, empfand das als Gewinn: „Im Roman sind die Tochter, ihre Freunde und 11 Margaret lediglich Randfiguren, im Drehbuch tragen sie die Geschichte mit. Das hat Nick Payne toll gelöst. Es ist eine Meisterleistung, sich solche Freiheiten zu nehmen und dennoch dem Kern und der Stimmung des Romans treu zu bleiben. Eine fantastische Adaption.“

Harriet Walter, die Margaret spielt, stimmt zu: „Romanverfilmungen stellen eher ältere Menschen und Frauen in den Mittelpunkt als Blockbuster. Es ist schwierig, eine Geschichte aus der subjektiven Sicht eines Ich-Erzählers zu adaptieren. Umso außergewöhnlicher ist dieses Skript – eine echte Adaption in dem Sinne, dass manche Figuren stärker ausgearbeitet sind als in der Vorlage. Susie, Susies Geschichte und auch Margaret spielen jetzt wesentlich mehr tragende Rollen. Da haben Nick und Ritesh großartige Arbeit geleistet.“

Wichtige Charaktere wie etwa Veronica, die von Charlotte Rampling und in den Rückblenden von Freya Mavor gespielt wird, entwickelten sich bei der Arbeit mit den Schauspielern am Set weiter, erklärt Regisseur Ritesh Batra. „Die Veronica im Roman ist eine tragische Figur. Unsere Veronica ist viel lebhafter und ihr Leben viel spannender als das von Tony.“ Außerdem brachte jeder Darsteller seine eigene Interpretation der Rolle mit, was Anpassungen im Drehbuch erforderte. „In den ersten Fassungen der Geschichte war Sarah Ford, gespielt von Emily Mortimer, eine Verführerin“, führt Batra aus. „Aber Emily bringt so viel Klasse und Eleganz mit, dass sich das zwangsläufig auf ihre Filmfigur überträgt.“ Das Drehbuch spiegelt auch Paynes und Batras Auffassung des Romans und seiner wichtigsten Themen wider. Batra gingen die Gedanken und Gefühle der älteren Generation besonders nahe. „Als Junge teilte ich mir mit meinem Großvater ein Zimmer. Leider ist er gestorben, als ich 18 war. Ich habe seine Einsamkeit, seine Nostalgie und alles, was ihn in dieser Lebensphase beschäftigte, aus nächster Nähe miterlebt und hoffe, dass ich meine Erfahrungen in den Film einbringen konnte.“

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Info:
Ein Film von Ritesh Batra nach dem gleichnamigen Roman von Julian Barnes mit Jim Broadbent, Charlotte Rampling, Harriet Walter, Michelle Dockery, Emily Mortimer u.v.m.