Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. Juni 2018, Teil 3
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - Pierre Mazard (Daniel Auteuil) erfreut sich keiner großen Beliebtheit. Der Juraprofessor beklagt den Niedergang der französischen Nation, kaum ein Tag vergeht, an dem er nicht mit politisch unkorrekten Äußerungen provoziert. Nëila (Camélia Jordana), eine Studentin mit maghrebinischen Wurzeln, die sich am ersten Semestertag zu seiner Vorlesung verspätet, scheint dem wortgewandten Kulturpessimisten ein besonders dankbares Opfer zu sein.
Mit einer Kaskade an Unterstellungen beschämt er sie vor allen anderen. Doch diesmal schlägt der Vorfall Wellen, denn Nëilas Kommilitonen haben den Ausraster mit Smartphones gefilmt und in den sozialen Netzwerken veröffentlicht. Die Universität gerät unter Druck, Mazard droht ein Disziplinarverfahren. Um seine Professur zu retten, muss der arrogante Zyniker der Migrantin, die er so beleidigt hat, dabei helfen, sich erfolgreich auf einen prestigeträchtigen Rhetorikwettbewerb vorzubereiten.
Yvan Attal („Meine Frau, die Schauspielerin“), als Regisseur und Schauspieler im französischen Kino gleichermaßen ein Begriff, beschäftigt sich in seinem jüngsten Film mit den sozialen Problemen und geringen Aufstiegschancen nordafrikanischer Migranten in der Pariser Vorstadt sowie mit Rassismus und Integration.
„Die brillante Mademoiselle Nëila“ ist jedoch kein simpler Beitrag zu diesen Themen, auf die sich in Zeiten der Flüchtlingskrise zahlreiche Filmemacher stürzen.
Allzu leicht hätte sich auch aus dem Professor ein rundum abstoßender, frauenfeindlicher Rassist formen lassen. Aber allein schon die Besetzung mit einem so glänzenden, für sein differenziertes Spiel geschätzten, Künstler wie Daniel Auteuil lässt ahnen, dass es sich bei dem Protagonisten um eine weitaus komplexere Figur handeln muss. Mutig kommt so eine unbequeme Wahrheit in die Geschichte: Dass sich ein unverbesserlicher Zynismus und eine pädagogische Begabung nicht zwangsläufig ausschließen.
Einfach wird das Zusammenraufen freilich nicht, zumal die Tochter einer alleinerziehenden Mutter auch nicht auf den Mund gefallen ist. Als ihr der moderne Pygmalion Mazard uncharmant nahelegt, etwas Hübsches anzuziehen, bringt sie das prompt auf die Palme. Aber dann setzt Nëila doch um, was er ihr rät und muss feststellen, dass er gar nicht so falsch liegt. Fortan profitiert sie immer mehr von den Ansichten, den ungewöhnlichen Methoden und dem immensen Wissen ihres Lehrers. Ein riesiger Berg an Literatur, durch den sie sich durcharbeiten muss, angefangen von Cicero und Aristoteles bis zu den 38 Kunstgriffen aus Arthur Schopenhauers „Kunst, Recht zu behalten“, bietet dafür schon einmal die nötige Grundlage. Und dass es durchaus Sinn macht, mit einem Stift im Mund, an einer besseren Artikulation zu arbeiten, wird der Schülerin auch schnell bewusst. Bei alledem kommt der Humor nicht zu kurz: In der lustigsten Szene soll Nëila mit der Rede eines römischen Senators in der Metro die Aufmerksamkeit der Fahrgäste gewinnen.
Bis zu dem entscheidenden Finale, zu dem die Heldin nach mehreren gewonnenen Rede-Duellen vordringt, kommt es dann zwar doch noch zu einem großen Konflikt, aber so versöhnlich, wie das Duell der Streithähne trotz allem endet, kommt es darauf auch gar nicht an.
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BESETZUNG
Pierre Mazard Daniel Auteuil
Neïla Salah Camélia Jordana
Mounir Yasin Houicha
Neïlas Mutter Nozha Khouadra
Universitäts-Präsident Nicolas Vaude
Benjamin Jean-Baptiste Lafarge