f vermachtnis0Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. Juni 2018, Teil 9

N.N.

Los Angeles  (Weltexpresso) – Die Idee zu HEREDITARY – Das Vermächtnis hatte Aster, nachdem seine eigene Familie innerhalb von drei Jahren schweren Prüfungen ausgesetzt war. „Es kam so geballt und war so unerbittlich schrecklich, dass wir das Gefühl hatten, verflucht zu sein. Ich orientiere mich beim Schreiben immer an persönlichen Erfahrungen, wollte das Leid meiner Familie und mir aber auf keinen Fall ausschlachten.

Als Genrekino-Fan nahm ich also die Idee einer verfluchten Familie und ließ sie quasi durch einen Horrorfilmfilter ablaufen, inklusive einer großen Katharsis, sodass ich emotional geschützt war. Wenn man einen Film darüber drehen möchte, wie ungerecht das Leben ist, bietet sich das Horror-Genre geradezu an. Es ist ein perverser Bereich, in dem die Ungerechtigkeiten des Lebens mehr oder weniger gefeiert und sogar verherrlicht werden.“ Inspirieren ließ sich Aster von eher unerwarteten Filmen wie „Eine ganz normale Familie“, „Der Eissturm“ und „In the Bedroom“. Filme, in denen sich Familien mit Tod, psychischen Erkrankungen und emotionaler Gewalt auseinandersetzen müssen.

Die Familientragödie in verschob er dann ins Reich des übernatürlichen Horrors. Auf brillante Weise kombinierte er so den emotionalen Gehalt der Filme mit ikonischen Schockern der 1960er und 1970er Jahre, die sich ganz langsam, aber dafür umso perfider entfalten, darunter „Rosemaries Baby“, „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ und „Schloss des Schreckens“. „Das waren ganz auf die Figuren zugeschnittene, ausgefeilte Filme, die sich so viel Zeit genommen haben, wie sie brauchten“, meint Aster. Er entwickelte die Geschichte einer Familie, die buchstäblich verflucht ist und unter grausamen Ereignissen leidet, die sich als Teil eines größeren, machiavellistischen Plans herausstellen. Der Titel des Films bekommt im Verlauf der Geschichte einen immer kühleren Klang, weil er die Themen Abstammung und Blutlinien in das Reich des übernatürlichen Horrors und noch weiterträgt. „Der Film handelt von Vererbung – dass man sich seine Familie, oder was man im Blut hat, nicht aussuchen kann“, sagt Aster. „Es geht um den Horror, in eine Situation hineingeboren zu sein, die man nicht kontrollieren kann. Für mich ist nichts beunruhigender als die Vorstellung, absolut machtlos zu sein.“ stellt den vermeintlich freien Willen rigoros auf den Prüfstand, beharrt unerbittlich darauf, dass alles vorherbestimmt und unausweichlich ist, nimmt damit also eine ziemlich fatalistische Haltung gegenüber Erziehung und Entwicklung ein.

„Die Tatsache, dass die Grahams machtlos sind, ist ein entscheidender Punkt im Film, und am Ende verbreiten sich Hoffnungslosigkeit und Vergeblichkeit“, sagt Aster. „Dabei schwebte mir ein Horrorfilm vor, der sehr intim und überwältigendes Kino gleichzeitig ist und die Zuschauer nicht so leicht vom Haken lässt. Ich hoffe, dass der Film beim Publikum lange nachhallt und sie dazu bringt, sich ihren eigenen, unausweichlichen Ursprüngen zu stellen.“ FAMILIENRITUALE Ari Aster hat mit seinen stilsicheren und wuchtigen Mini-Psychodramen auf Filmfestivals für Furore gesorgt und das Internet erobert: In seinem stummen Kurzfilm „Munchhausen“ (2013) versinkt eine Mutter, gespielt von Bonnie Bedelia, in Trauer und Schuldgefühlen, als bei ihrem Versuch, den Auszug ihres geliebten Sohnes zum College zu verhindern, etwas fürchterlich schiefgeht.

In dem sensationellen Kurzfilm „The Strange Thing About the Johnsons“ (2011), der auf dem New York Film Festival gezeigt wurde, bevor er online ging, erzählt er im Stil eines 1950er-Melodramas von einem inzestuösen sexuellen Missbrauch eines Sohn an seinem alternden Vater. Beide Filme sind schwarze Komödien, die sich mit vergifteten Familienritualen und Traditionen beschäftigen und dabei unangenehme Themen aufwerfen. Beides sind meisterhaft geplottet und durchgeführt – Werke eines geborenen Filmemachers, der sein Handwerk beherrscht, was Rhythmus, Storytelling und Bildgestaltung angeht. Wie auch in untersuchen seine Filme auf originelle und unvorhersehbare Weise Machtstrukturen innerhalb von Familien. „Machtverhältnisse haben mich schon immer 8 interessiert“, sagt Aster, „und sie sind immer am heimtückischsten, wenn sie in einer Familie ins Wanken geraten.“ Eine ungewöhnliche Inspirationsquelle findet Aster in den Filmen von Mike Leigh, dessen einzigartige Arbeitsweise mit Schauspielern „die lebhaftesten Charaktere und Beziehungen hervorbringt. Ich habe allen im Team seinen Film ’All or Nothing‘ gezeigt, nur um sie in Stimmung dafür zu bringen, was ich zu erreichen hoffte.“

Foto:
© Verleih

Info:

Abruck von zwei Ausführungen zur Produktion aus dem Presseheft, S. 6-8
Besetzung

Toni Collette (Annie Graham)
Gabriel Byrne (Steve Graham)
Alex Wolff (Peter Graham)
Milly Shapiro (Charlie Graham)
Anne Dowd (Joan)