
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Schaurige Geschichte. Inzwischen wissen wir, daß den echten Horrorfans fast jeder Film als Horror gilt, der unheimlich ist, schräg, irgendwie jenseitig, ziemlich duster-dunkel, möglichst im Wald spielend, mit Menschen, die normal und harmlos daherkommen und dann...und wo irgendwelche Körperteile von allen Seiten auf einen eindreschen oder verdreht sind oder einfach fehlen.
Wir dagegen sind erstens keine Horrorfans und zweitens immer für einen richtig guten Film aufgeschlossen. Dieses Vermächtnis ist nun kein Film, der einem zum Horrorfan machen wird. Aber auch keiner, der die Zuschauer dem Herzinfarkt nahebringt. Zwar bleibt es nicht so beschaulich, wie es anfängt, aber...

Das ist ein geschickter Schachzug von Drehbuch und Regie, denn über die Äußerungen von Annie, über ihre Erinnerungen und Interpretationen des familiären Lebens mit ihrer Mutter, lernen wir diese jetzt überhaupt erst kennen – in den Reden und damit auch in den Interpretationen der einzelnen Familienmitglieder, am meisten also in denen der Annie. Da paßt manches nicht zusammen, das merken wir schnell. Natürlich ist das Absicht, denn damit wird uns suggeriert, daß hinter der so normal erscheinenden Ellen doch Kräfte gewaltet haben – und walten! - die nichts mit einer behäbigen Großmutter zu tun haben.

Allerhöchste Zeit von Joan (Ann Dowd) zu sprechen. Sie ist eine der Nachbarinnen, die ebenfalls um einen Verstorbenen trauert und gewillt ist, den Kontakt mit ihm mittels Geisterbeschwörung aufrechtzuerhalten. Joan motiviert die lädierte Annie, eine derartige Séance gemeinsam zu veranstalten. Bisher lag der Horror nur in der Luft. Jetzt kommt er zum Tragen. Daß das insbesondere mit der Großmutter zu tun hat, ist ja längst klar, aber das Geschehen ist viel komplizierter und verschachtelter.
Nein, ein ROSEMARIES BABY ist nicht daraus geworden und einer der kryptischen Hitchcocks auch nicht, aber ein veritabler Schocker schon, nur braucht man das nicht Horrorfilm zu nennen, ein Film 'wie ein Alptraum' tut es auch.
P.S. Was uns grundsätzlich fragwürdig erscheint, das sind Aussagen wie: Annie ist ein Kontrollfreak. Alles, was sie nicht selbst in Gang setzt oder kontrollieren kann, versetzt sie in Angst, aus der dann blitzschnell Horror wird. Horror ist aber nicht die automatische Folge von Situationen, die man selbst nicht kontrollieren kann. Die meisten Abläufe in unserem Leben sind unserer persönlichen Kontrolle entzogen: wir steigen in die U-Bahn, in Züge, in Flugzeuge, in Aufzüge, in Autos...Angst ist ein schlechter Ratgeber. Und wenn Angst Ungeheuer gebiert, ist das nicht zwangsläufig Horror. Nur für einen selber.
Fotos:
© Verleih
Info:
Besetzung
Toni Collette (Annie Graham)
Gabriel Byrne (Steve Graham)
Alex Wolff (Peter Graham)
Milly Shapiro (Charlie Graham)
Anne Dowd (Joan)