f vermachtnis3Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. Juni 2018, Teil 8

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Schaurige Geschichte. Inzwischen wissen wir, daß den echten Horrorfans fast jeder Film als Horror gilt, der unheimlich ist, schräg, irgendwie jenseitig, ziemlich duster-dunkel, möglichst im Wald spielend, mit Menschen, die normal und harmlos daherkommen und dann...und wo irgendwelche Körperteile von allen Seiten auf einen eindreschen oder verdreht sind oder einfach fehlen.

Wir dagegen sind erstens keine Horrorfans und zweitens immer für einen richtig guten Film aufgeschlossen. Dieses Vermächtnis ist nun kein Film, der einem zum Horrorfan machen wird. Aber auch keiner, der die Zuschauer dem Herzinfarkt nahebringt. Zwar bleibt es nicht so beschaulich, wie es anfängt, aber...

f vermachtnis2Wir lernen die braven Grahams kennen. Da ist Annie (Toni Collette) , die aufopferungsvolle Mutter von Sohn Peter (Alex Wolff) und Tochter Charlie (Milly Shapiro), Ehefrau von Steve (Gabriel Byrne) und Tochter von Ellen Leigh, die gerade gestorben ist und die ihre Tochter nebst Familie fest im Griff hatte. Der Film beginnt mit dem Tod der Großmutter-Mutter, der für alle auf eigene Weise ein Trauma ist. Am meisten für Tochter Annie. Die ist künstlerisch tätig und verarbeitet den Tod der Mutter gleich für ihre nächste Ausstellung, indem sie das Leben ihrer Familie und vor allem auch das Lebensende ihrer Mutter in einem Hospiz mit kleinen Figuren in Puppenhäusern nachstellt. Das langt jedoch nicht als ‚Aufarbeitung‘. Sie besucht auch eine Selbsthilfegruppe, wo sie über den Tod der Mutter sprechen kann.

Das ist ein geschickter Schachzug von Drehbuch und Regie, denn über die Äußerungen von Annie, über ihre Erinnerungen und Interpretationen des familiären Lebens mit ihrer Mutter, lernen wir diese jetzt überhaupt erst kennen – in den Reden und damit auch in den Interpretationen der einzelnen Familienmitglieder, am meisten also in denen der Annie. Da paßt manches nicht zusammen, das merken wir schnell. Natürlich ist das Absicht, denn damit wird uns suggeriert, daß hinter der so normal erscheinenden Ellen doch Kräfte gewaltet haben – und walten! - die nichts mit einer behäbigen Großmutter zu tun haben.

f vermachtnisHöchste Zeit vom Ehemann Steve zu sprechen, der zu Hause der brave Bär ist, aber doch immerhin einen Beruf ausübt, der ins Metier von Vermächtnissen solcher Art gehört: er ist Psychotherapeut, zwar irgendwo da in der Vorstadt, aber in seiner Praxis durchaus gefordert. Wenden die Menschen ihr berufliches Wissen nicht auf sich selbst und ihre Familie an, das ist eine naheliegende Frage, die niemand beantwortet. Der Sohn Peter ist leicht abgedreht und kann dem Unterricht mit den Diskussionen über griechische Klassiker nichts abgewöhnen, ein regelmäßiger Joint hält ihn zwischen Traum und Wirklichkeit. Charlie nun ist erst einmal die Auffälligste, denn in ihrem Baumhaus bastelt sie aus Knochen und anderen Teilen von Tieren eine Art Totems und wirkt überhaupt sehr angegriffen und orientierungslos. Was wir in diesem ersten Teil des Films mitbekommen, das ist, daß in dieser so normal erscheinenden Familie unter der Hand Unglücksfälle sich gehäuft haben und Unheimliches unter den Teppich gekehrt wurde, wo auch die Begebnisse um die verstorbene Ellen liegen.

Allerhöchste Zeit von Joan (Ann Dowd) zu sprechen. Sie ist eine der Nachbarinnen, die ebenfalls um einen Verstorbenen trauert und gewillt ist, den Kontakt mit ihm mittels Geisterbeschwörung aufrechtzuerhalten. Joan motiviert die lädierte Annie, eine derartige Séance gemeinsam zu veranstalten. Bisher lag der Horror nur in der Luft. Jetzt kommt er zum Tragen. Daß das insbesondere mit der Großmutter zu tun hat, ist ja längst klar, aber das Geschehen ist viel komplizierter und verschachtelter.

Nein, ein ROSEMARIES BABY ist nicht daraus geworden und einer der kryptischen Hitchcocks auch nicht, aber ein veritabler Schocker schon, nur braucht man das nicht Horrorfilm zu nennen, ein Film 'wie ein Alptraum' tut es auch.

P.S. Was uns grundsätzlich fragwürdig erscheint, das sind Aussagen wie: Annie ist ein Kontrollfreak. Alles, was sie nicht selbst in Gang setzt oder kontrollieren kann, versetzt sie in Angst, aus der dann blitzschnell Horror wird. Horror ist aber nicht die automatische Folge von Situationen, die man selbst nicht kontrollieren kann. Die meisten Abläufe in unserem Leben sind unserer persönlichen Kontrolle entzogen: wir steigen in die U-Bahn, in Züge, in Flugzeuge, in Aufzüge, in Autos...Angst ist ein schlechter Ratgeber. Und wenn Angst Ungeheuer gebiert, ist das nicht zwangsläufig Horror. Nur für einen selber. 


Fotos:
© Verleih

Info:
Besetzung

Toni Collette (Annie Graham)
Gabriel Byrne (Steve Graham)
Alex Wolff (Peter Graham)
Milly Shapiro (Charlie Graham)
Anne Dowd (Joan)