f Kopie von THE POETESS 05 wide133Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 31. Mai 2018,  Teil 14

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Geschickt umschifft der Film dieses nachträgliche Dokumentieren, weil wir dies alles aus dem Munde der Protagonistin hören. Dazu gehört wesentlich ihre Herkunft aus der Wüste, wo der Großvater Viehherden besaß, die Familie aber in die Stadt zog, wo die damals Sechsjährige nur noch die Erinnerung an die Freiheit der Wüste empfindet. Wichtig ihre völlig richtige Einschätzung, daß noch ihre Großmütter in einer wesentlich freieren Welt lebten. Das ganze Getue und Gemache um die eingeschränkte öffentliche Stellung der Frau und ihr Nichtsichtbarmachen durch Verschleierung ist eine Antwort des männerdominierten politischen Islam auf die technische Rückständigkeit dieser Welt im 20. Jahrhundert und auch eine auf die spanischen, portugiesischen, englischen und französischen Kolonisierungen.

f poetessSich als Frau aus Saudi-Arabien am wichtigsten Poetikwettbewerb Arabiens zu beteiligen, wäre schon aus diesen Gründen ein strategisch-taktisch perfekter Zug – schließlich beruht auch der Koran auf Versen -, wenn nicht die Motivation der Hissa Hilal tatsächlich aus ihrer eigenen Biographie und ihrer eigenen Persönlichkeit stamme. So gut, daß der Film auch Aufnahmen von früherem Beduinenleben zeigt, auch alte Fotografien aus der Familie. Die Kargheit, die Reduziertheit des Lebens, alles sehr eindrücklich. Wie wichtig die Wahl des Ehemanns für die Dichterin noch wurde, hat sich auch darin gezeigt, daß dieser – ein Journalist – sie in allem unterstützte, ihr, wie es so heißt, den Rücken freihielt. Daß sie mit Niqab auftrat, war dann die Folge, als sie erst einmal voll verschleiert ihre Gedichte nicht mehr vom Blatt ablesen konnte und auch den Ausgang auf der Bühne nicht fand. Wer je solche Schleier vor Augen hatte, der weiß, daß man wirklich kaum etwas sieht, alles ist schemenhaft. Aber sie, die Saudi-Araberin, die nach Abu Dabi kam und sich anmeldete, wollte erst einmal niemandem eine formale Möglichkeit geben, ihr die Teilnahme zu verweigern.

Uns stört ja schon der Niqab, aber gegenüber der Vollverschleierung bedeutet er für die Trägerin schon einen Fortschritt. So halten wir uns bei den vielen, so analytischen wie oft komischen Worten der Hissa Hilal an ihren Augen fest. Braunen Blicks uns anschauend, sieht man sie auch nach dem Verlassen des Kinos auf einen gerichtet.

Ja, sie hat Humor diese Frau und Mut, der durch Einsicht in die Notwendigkeiten nicht weniger wird. Denn das Entscheidende ist, daß sie in ihren Texten kein Blatt vor den Mund nimmt, sondern inhaltlich dieser Männerwelt in Gedichtform einen Spiegel vorhält, der sich gewaschen hat. Das teilt sich einem im Film unmittelbar mit, wenn sie erst noch latent unsicher und immer mit spröder hackender Stimme vorträgt, welche Gefühle eine Frau hat, die gerade von ihrem Ehemann verlassen, verjagt, gedemütigt wird. Das ist mehr als ein Nadelstich ins patriachalische Herz dieser Gesellschaft. Und ihr Gedicht erreicht die Menschen unmittelbar. Das sieht man am spontanen Beifall des Publikums, das aufgeteilt ist in überwiegende Männerriegen, aber eben auch Frauenabteilungen. Als Publikum von einander nach Geschlechtern getrennt auch in Abu Dhabi.

In den Zwischenverfahren, in denen die, die weiterkommen, ausgewählt werden, ist wohl nur die Jury für dieses Weiterkommen zuständig. Auf jeden Fall fragen die drei Männer der Jury nach, es entsteht sogar eine kleine Diskussion und ihr wird mehrmals beschieden, sie sei weitergekommen, bis sie im Finale steht. Wir hätten hier gerne die durchaus aufrührerischen Texte geboten, denn tatsächlich ist die 2010 siegreiche Dritte , damals 43jährige Hausfrau, Mutter von vier Kindern und Dichterin, zweifach etwas ganz Besonderes: Daß sie es wagte, sich mit der geballten orientalischen Männerwelt anzulegen, aus der aber auch gleichzeitig Zuspruch kam, vorbildlich ihr eigener Mann, und daß sie dies mit Versen tat, die deutlich von der Benachteiligung der Frauen in der arabischen Welt sprechen, von Gedemütigtsein, Entmündigung, Verrat, Gewalt und der Sehnsucht nach Teilhabe an einem gemeinsamen Leben – und der Hoffnung darauf.

Eine starke Frau, deshalb auch ein starker Film.

Foto:
© Verleih

Info:
D, Saudi-Arabien 2017 89 Min. OmU – Arabisch mit dt. Untertiteln
Regie: Stefanie Brockhaus, Andreas Wolff
Kamera: Tobias Tempel, Stefanie Brockhaus
Schnitt: Hansjörg Weissbrich, Anja Pohl