f jessica Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5.Juli 2018, Teil 1

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ich mag diesen Film nicht. Er ist nicht schlecht gemacht, die Schauspieler sind passabel, aber der ganze Ton, der ganze Inhalt ist eine tränenreiche Soße, die über verbrecherische Ereignisse in den USA des 19. Jahrhunderts gegossen wird, wobei man mit der heutigen Abscheu über den damaligen Kolonialismus bei der Ausrottung der Indianer auch gleich den entwürdigenden Umgang mit weißen Frauen mitvermengt.

Nicht nur zu viele Köche verderben den Brei, auch zu viele Zutaten. Mag ja sein, daß sich jemand durch das Geschehen auf der Leinwand berührt fühlt, mir kroch die Kälte ob solcher inszenierten filmischen ‚Wiedergutmachungen‘ in die Seele. Wir erleben eine älter werdende Frau (Jessica Chastain), die gen Wilden Westen reist, was ungewöhnlich ist. Sie habe vor einem Jahr ihren Mann verloren, ein Jahr tief getrauert, doch dann ihre Rolle abgelegt und sich der Zukunft zugewandt, die für sie heißt, daß sie endlich einen bestimmten Mann porträtieren will. Es ist Sitting Bull (Michael Greyeyes), Held für die einen, Unhold für die anderen, der nach geschlagenen Schlachten sich zur Ruhe gesetzt hat in einem Reservat in Nord Dakota, wohin diese Catherine Weldon nun aufbricht.

Aha, sie ist Malerin und der Film beginnt mit etwas, was ein Maler nie machen täte: mit hohem Bogen schmeißt sie ein Ölgemälde ihres verstorbenen Ehemanns ins Wasser und fährt los. Wie symbolisch! Mit dem Holzhammer! Zu fahren ist abenteuerlich und sie in ihren zarten Kleidern, dazu eine elfenhafte Figur im Wilden Westen ist schon skurril. Und hier wird der Film zu einem Western. Wie negativ die Umwelt auf die zarte Pflanze aus der Großstadt New York im Jahre 1889 reagiert, kann man nicht nur mit Frauenfeindlichkeit begründen, ihr Vorhaben kommt einem auch heute nachgerade naiv vor.

Sie allerdings meint es ernst und tatsächlich wird Catherine Weldon immer radikaler in ihrem Anspruch, Sitting Bull auf die Leinwand zu bringen. Denn dazu muß sie nicht nur viel Unbill von den weißen Männern ertragen, deren Anführer und Schlimmster Colonel Silas Groves (Sam Rockwell) ist, sondern überhaupt erst den Kontakt mit dem legendären Sioux-Häuptling herstellen und ihn davon überzeugen, daß er ihr überhaupt Modell stehen will, was die Gage von 1 000 Dollar (damals unglaublich viel Geld) zusätzlich interessant macht.

Diese Szenen zwischen beiden machen den emotionalen Kern des Geschehens aus, denn ihr gelingt nach vielen vielen Gesprächen, ihn zum Modellsitzen zu bewegen. Und er reitet mit ihr abendlich aus, was der multifunktionale Filmtitel andeutet. Daß das den weißen Besetzern unter der Führung des Colonel gegen den Strich geht, ist klar und auch, daß sie dem ein Ende machen werden und die übrig gebliebenen Siouxindianer aushungern, bzw. vertreiben wollen. Längst ist durch ihre Haltung ja auch die Malerin eine solche geworden, was die Gespräche beim Porträtieren zwischen Sitting Bull und ihr, in denen sie sich näher kommen, vertiefen.

Sie ist es am Schluß, die sich zwischen Rot und Weiß entscheiden muß, zwischen Freiheit und Gewalt.

Daß ich den Film nicht mag, schreibe ich als diejenige, die einfach den Film ansah und instinktiv Unbehagen empfand. Als Abspann wird die historische Quelle der Figur und ihre Gemälde gezeigt. Und es werden Fotos projiziert, die die Ermordung Sitting Bulls durch die Weißen und das Massaker am Wounded Knee gezeigt. Erst nach dem Film machte ich mich schlau und weiß jetzt, wie richtig ich lag. Denn original heißt diese Malerin Caroline Weldon, der Ehemann lebte, war aber ein Ex-Ehemann. Sie war also geschieden, reiste wirklich zu Sitting Bull, allerdings ihr uneheliches Kind an der Seite. Sie war viel älter als im Film und von der dort angedeuteten Romanze weiß man nichts. Film eben. Ob das Porträt im Film überhaupt ihrem Stil entspricht, konnte ich so schnell nicht überprüfen, wohl aber, daß sie vom Häuptling vier Porträts fertigte, von denen zwei erhalten sind.

Geradezu peinlich zum Kontext von zwei Minderheiten in den Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert leistet sich das Presseheft, wo unter Pressenotiz steht: „Das Schicksal von Männern wie Sitting Bull und seinen Lakota-Sioux mag besiegelt sein. Aber die Zukunft gehört Frauen wie Catherine Weldon.“ Zynisch.

Für diese Sätze kann die Regisseurin Susanna White nichts. Für den Film und damit für die Auswahl des Inhalts schon. Das ist für mich persönlich deshalb so eine Enttäuschung, weil sie mit VERRÄTER WIE WIR nach John le Carré einen intelligenten und spannenden Agententhriller auf die Leinwand gebracht hatte.

Foto:
© Verleih

Info:
Darsteller
Catherine Weldon        JESSICA CHASTAIN
Sitting Bull                   MICHAEL GREYEYES
Colonel Silas Groves   SAM ROCKWELL
James McLaughlin      CIARÁN HINDS
Susan McLaughlin      RULAN TANGEN