f teo emma gesichter 300x175Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Juli 2018, Teil 9

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Auffällig, daß auf einmal der italienische Film wieder in deutsche Kinos gelangt. Auffällig und angenehm, weil aus Italien immer wieder wichtige Filme und auch filmische Neuerungen gelangten. Das gilt für diesen Film, was sein Sujet angeht, allerdings nicht für die schwerfällige filmische Umsetzung.

Regisseur Silvio Soldini, nicht nur bekannt, sondern berühmt mit «Pane e tulipani», verweigert der Geschichte die Sentimentalität, die sich leicht einschleicht, wenn es um Liebesbeziehung von Behinderten mit ‚Normalen‘ geht. Das ist gut. Allerdings kommen wir irgendwie nicht dazu, für dieses Liebespaar eine tiefergehende Empathie zu empfinden. Nicht einmal für Emma (ALERIA GOLINO), die mit 16 Jahren erblindete und schon überhaupt nicht gegenüber dem Frauenhelden Teo (Adriano Giannini), der am liebsten alleine in seiner Bude weilt, aber gerne verschiedene Sexfeuerchen brennen hat, wobei ihm das Wichtigste sowieso seine berufliche Karriere in einer Werbeagentur ist.

f emmateopraxis 300x175Und ausgerechnet er verliebt sich. Eigentlich in eine Stimme, die er auf einem Workshop vernimmt und als er zufällig die von Emma hört, erinnert er sich, spricht sie an und auch sie findet seine Stimme sexy. Na also, kann doch laufen. Aber dann wäre der Film schon wieder zu Ende. Der gegenseitigen Sympathie müssen also mehr als ein paar Stolpersteine unterschoben werden, damit der Film zu einem Happy End führt. Denn, daß es darauf hinausläuft, muß ja sein, immer stärker sind Filmhandlungen doch sehr vorherbestimmbar.

Aber bleiben wir bei der vermißten Empathie für die Figuren. Daß der Grafikdesigner ohne Rücksicht auf Verluste der Größte sein will, wäre noch zu verstehen und auch, daß er von einer Frau Bewunderung und Rückhalt erwartet. Aber so ist das gar nicht, in den Liebesbeziehungen erleben wir ihn als Schwächling, der sich von der Frau, die ihn heiraten, auf jeden Fall mit ihm zusammenziehen will, wie ein Hündchen kommandieren läßt. Hauptsache, sie führt ihn in die wichtigen Kreise ein, nimmt ihn zu den wichtigen Ereignissen mit. Und selten hat man im Kino erlebt, daß der Hauptdarsteller ein solcher Unsympath bleibt wie hier.

Sein Vater stirbt und er fährt nicht einmal zur Beerdigung. Als er dann die Familie besucht, ist seine Schwester hochschwanger, ohne daß man ihm das überhaupt gesagt hat, solch Fremdkörper ist er in der eigenen Familie, wo er als Egoist gilt. Aber das sind schon fast zuviel der Worte über Teo, wobei es ja auch eine Schauspielkunst ist, einen solchen Typ darzustellen. Der Film steht und fällt mit Emma, der Valeria Golino sehr anrührende Züge gibt. Gleichsam nur, wenn sie auf der Leinwand erscheint, erhält der Film seinen Sinn. Auch die Idee, die Blinde mit den Händen sehen zu lassen, führt weit. Denn die Annäherung von Teo an Emma läuft recht langsam über ihre berufliche Qualifikation an. Sie ist Osteopathin und gerade dabei, ein neues Leben zu beginnen, froh, daß sie von ihrem Mann gerade geschieden ist. Sie ist der ruhende Pol im Film, sehr lange, und weshalb ihr am Schluß rüdes Verhalten vorgeschrieben wird, paßt eigentlich nicht zur Figur. Und wieder doch, denn dies bewirkt, daß das glückliche Ende nicht zu seicht daherkommt. Das muß man erklären.

Einerseits also erlebt man einen glücklichen Teo und ausgesprochen innige Szenen, die immer eine flirrende, gleichzeitig entschiedene Emma zeigen, die sanft und sinnlich den Egoisten in ihren Bann zieht. Das ist das Positive. Aber daß er massiv in ein Doppelleben hineinrutscht und ausgesprochen fies gleich zwei Frauen betrügt, das Negative, das noch schwärzer wird, als bei Entdeckung seines Doppelspiels durch die Verlobte, er dies auf besonders fiese Weise an Emma ausläßt, die er schlicht, aber eindeutig verleugnet.

Folgerichtig zieht sie sich zurück und reagiert auch nicht auf seine Versuche, sich mit ihr zu versöhnen. Und dann auf einmal ist seine Erkenntnis da, daß er so nicht weiterleben kann und will. Auch ohne Therapie ist es sozusagen die Liebe zu Emma, die ihn auf einmal fähig macht, zu wissen, was er will und dies auch durch eindeutiges Verhalten möglich zu machen. Emma auf jeden Fall kann sich dem nicht mehr entziehen. Glückliches Ende.

Foto:
© Verleih

Info:
Besetzung: Name Rolle

VALERIA GOLINO             Emma
ADRIANO GIANNINI         Teo
ARIANNA SCOMMEGNA Patti
LAURA ADRIANI               Nadia
ANNA FERZETTI               Greta
ANDREA PENNACCHI      Paolo
BENIAMINO MARCONE   Flavio