Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. August 2018, Teil 5
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der bekannte Spruch von Karl Kraus „Das Wort »Familienbande« hat einen Beigeschmack von Wahrheit“ hat sich auch in vielen Filmen als Wahrheit herausgestellt und weil jeder von uns in irgendeiner Weise eine Familie hat, zumindest aus einer kommt, wenn er schon keine neue gegründet hat, so ist jeder Zuschauer inhaltlicher Experte beim Thema: Familie.
Natürlich wird erst dann ein Film daraus, wenn beim Familientreffen besondere Vorkommnisse geschehen. Und Familienfeste sind einfach die günstigsten Gelegenheiten, daß alle zusammenkommen und da die meisten erst einmal mit positiven Gefühlen anreisen, sind es immer wieder die Erlebnisse beim Fest, die die alten Animositäten und das gelebte Leben hochkommen lassen, bis der unterschwellige Konflikt zutage tritt und seine explosiven Folgen zeitigt. Das ist auf der einen Seite längst ein Klischee, aber auf der anderen eben auch immer wieder gut zu inszenieren. Man weiß, was einen erwartet.
Der Anlaß dieses Familientreffens ist die Goldene Hochzeit von Alba (Stefanie Sandrelli) und Pietro (Ivano Marescotti), weshalb sie die ganze Familie in ihr wirklich traumhaft schönes Haus auf Ischia einladen. Und alle, das sind nicht nur die heutigen Familienmitglieder, sondern auch die Ex-Schwiegertochter (Valeria Solarino). Und gleichzeitig wissen alle, daß uns der Filmtitel in die Irre führt, daß das schöne Haus, wenn die ganze Familie anreist, sicher nicht ein Zuhause sein wird, wo es am schönsten ist. Das bleibt es nur in der Sehnsucht aller, wenn man fern ist, aber in der Wirklichkeit wünschen sich auch in diesem Film beim Familientreffen fast alle lieber woanders hin als ins Familienhaus in Ischia. Und dieses zunehmende Unbeghagen kommt infolge eines dramaturgischen Kniffs. Denn, wenn es losgeht und die einzelnen anreisen, was wir im Detail mitbekommen, wenn die Fähre alle vom Festland auf die Insel bringt, da weht es schon ganz schön heftig und während man noch darüber räsoniert, ob die heftigen Winde die Animositäten und Stürme zwischen den Familienmitgliedern repräsentieren sollen, ist schon längst das Unwetter da und verhindert, daß die einzelnen wie beabsichtigt nach dem Festtag wieder nach Hause fahren können. Sie müssen zwei Nächte bleiben, weil die Fähre den Betrieb einstellen mußte. Und jetzt erst brechen die Familienfehden so richtig aus.
Nein, wir müssen nicht alle Familienmitglieder: Sohn Carlo (Pierfrancesco Favino), dessen Ehefrau Ginevra (Carolina ´Crescentini), Schwiegersohn Diego (Giampaolo Morelli), Tochter und Ehefrau Sara (Sabrina Imapcciatore), das verwöhnte Muttersöhnchen Paolo (Stefano Accorsi) sowie Cousine Isabella (Elena Cucci) kennenlernen - dafür gibt's im nächsten Artikel eine eigene Aufzählung - und in Wahrheit gesprochen, sind wir manchmal nicht ganz mitgekommen, wer mit wem und ob das dann offiziell oder inoffiziell geschieht. Viel wichtiger als eine Charakterisierung der Figuren und ihrer Darsteller scheint, daß es immer Phänotypen sind, die auftreten: da gibt es den untreuen Ehemann, es gibt die hilflose kleine Frau, auch die unterdrückten Ehemänner, also im Gegenzug die Furien, die als Ehefrauen dem Mann jeden Atemzug vorschreiben, die Cleveren gibt es auch und die Romantiker, die Außenseiter, die Erfolglosen, die Erfolgreichen, die Schönen, die Reichen, die Armen, die Häßlichen. Und dann ein schwangeres Paar, natürlich ist nur sie schwanger, aber das Kind bekommen ja beide. Also nach Polt: alles wia im richtigen Leben.
Und das bleibt leider bei diesem Film so allgemein wie es hier klingt. Ja, ohne Anspruch kann man an den schönen Bildern seine Freude haben und manchmal muß man ob der Situationskomik auch herzhaft lachen, aber das erschöpft sich und man fühlt sich doch leicht als dumm verkauft, daß dieses abgegraste Thema nicht spritziger und vor allem wahrhaftiger rüberkommt. Daß aus den Phänotypen Menschen werden. Immerhin ist Mitdrehbuchautor und Regisseur Gabriele Muccino kein Unbekannter, sondern jemand, der nach seinen als Regisseur erfolgreichen Ausflügen in die USA nun in der Heimat auftrumpfen will. Tut er auch, denn, wenn wir diesen Film um die Schwierigkeiten und Auswirkungen von Familienfesten eben doch sehr durchschaubar und klischeehaft finden, muß er in Italien einen nationalen Nerv getroffen haben: wie es heißt, hat der Film in Italien schon über 9 Millionen Euro eingespielt. Aber auch daran zeigt sich, die fortschreitende Kapitalisierung vom Filmgeschäft. Neuerdings wird bei anlaufenden Filmen nicht mehr von den Menschen, der Anzahl derer, die sofort einen angelaufenen Film anschauen, gesprochen, sondern vom dem Geld, das sie einspielen. Aber für einen Filmkritiker wie auch einen Filmzuschauer ist nicht das eingenommene Geld im Vergleich zum eingesetzten Kapital, also der Gewinn, ausschlaggebend, sondern bleibt die Anzahl der Menschen, die einen Film sofort anschauen wollen, viel wichtiger.
Fotos:
© Verleih
Info:
Besetzung
Paolo STEFANO ACCORSI
Ginevra CAROLINA CRESCENTINI
Isabella ELENA CUCCI
Ariana TEA FALCO
Carlo PIERFRANCESCO FAVINO
Beatrice CLAUDIA GERINI
Sandro . MASSIMO GHINI