Bildschirmfoto 2018 08 23 um 08.50.04Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. August 2018, Teil 5

N.N.

Berlin (Weltexpresso) - IN RUHE: „Gundi“ steht auf dem Grabstein. Keine Daten. Schlicht in Weiß und der Stein ist ein Findling. Auf dem Waldfriedhof Hoyerswerda Kühnicht liegt Gerhard Gundermann begraben. Immer wieder kommen auch Fans hierher und hinterlassen Kleinigkeiten. An diesem Tag im März liegt noch eine CD samt aufgeweichter Hülle von Gundermanns letztem Konzert in Krams im Rest von Schnee. Mit Widmung. „Was ich dir nicht mehr sagen kann: Deine Lieder haben mich bisher über 20 Jahre begleitet, mein Leben geprägt und beeinflusst. Danke! Gut, dass es dich gab“, steht geschrieben. Und: „Diese CD ist leider durch viele Nutzung unbrauchbar geworden. Aber der Neukauf ist schon erfolgt.“ Conny war lange Zeit nicht hier. Natürlich, Gundi ruht für sie woanders!


SCHNUR NACH BERLIN

Auf dem Weg nach Berlin ein letzter Zwischenstopp. Dort, wo die Region noch Region ist, bevor A15 und A13 als Nabelschnur in die Hauptstadt führen, der Tausende vor allem junge Menschen aus Hoyerswerda und Umgebung gefolgt sind. Conny Gundermann ist es nicht gewohnt, über sich zu reden, über ihre verblichenen Wünsche und neuen Sichten, über kleine Siege und größere Enttäuschungen, Halt und Haltung, Leidenschaft. Schnell kommt sie auf Gundi. Man muss hartnäckig sein und wird mit klaren, sachlichen wie emotionalen Aussagen belohnt.

Als es ums Singen geht, zum Beispiel. Schließlich war Conny Gundermann ab 1978 all die prägenden Jahre Mitglied der Brigade Feuerstein, jener im Osten legendären Musik-TheaterGruppe. „Singen hat mir alles bedeutet. Nachdenken darüber, wie die Welt funktioniert, Bildung auch. Singen war aber auch große Leidenschaft und half mir dabei, mich zu spüren und darin ganz viel zu verarbeiten. Wir konnten damals vielleicht nicht richtig singen und spielen, aber wir haben es gern gemacht. Wir waren darin Familie. Mir hat nach dem Ende der Brigade Feuerstein einfach das Selbstbewusstsein gefehlt, meine eigene Karriere weiterzuführen. Auch habe ich mitbekommen, dass Gundi auf der Bühne andere Partner braucht als mich. Mein künstlerischer Rückzug war ein bewusster, ich bin mir nur nicht sicher, ob er richtig war. Vielleicht hätte ich auch neben Gundi noch wachsen können. Ich habe ihm alles abgenommen, was für ihn unangenehm war. Ich war immer da, wir haben uns gemeinsam beraten. Ich habe die Dinge, in denen er steckte, von außen besehen können. Das ist immer eine gute Perspektive. Gundi hat es gebraucht und war sehr einverstanden mit der Entscheidung, meine Karriere zu beenden. Richtig glücklich war ich damit nicht.“

Jetzt singt sie wieder in ihrer freien Zeit und manchmal spontan auf dem Fahrrad. Conny Gundermann arbeitet in Berlin als Finanzbuchhalterin in einem Steuerbüro und musste sich schweren Herzens davon verabschieden, dass Beruf in erster Linie Leidenschaft bedeutet. Es musste auch anders gehen. „Als ich es erkannt hatte, ging es mir besser. Ich leide nicht auf der Arbeit oder quäle mich. Ich kann sie bewältigen und fühle mich sicher.“ Sicher wirkt sie auch im Blick auf das vergangene Land DDR, denn Sichten können sich verändern: „Was war bewahrenswert? Wo haben wir uns kleiner gemacht, als wir in Wahrheit sind? Darüber habe ich neu nachgedacht. Gleichermaßen war ich darüber entsetzt, was Menschen wirklich angetan wurde in diesem Land. Ich habe einfach größer geschaut, heraus aus meinem direkten Umfeld.“

Und jetzt GUNDERMANN, der Film. Was Conny sich wünscht von ihm? „Dass die Menschen Gundis Lieder entdecken oder wiederentdecken. Ich wünsche mir, dass der Film dabei hilft, einen differenzierten Blick zu bekommen. Das waren schließlich auch die Gründe, weshalb ich mein Einverständnis gegeben habe. Ich wollte mich eigentlich nie darauf einlassen. Doch es hatte natürlich auch damit zu tun, dass man gerade über Gundis Leben das Leben in der DDR komplexer erzählen kann.“


Die Redaktion:
Weltexpresso hatte schon verschiedentlich über den Film GUNDERMANN, seine 2. Weltpremiere, das dazugehörige Konzert und auch ein Interview mit Andreas Dresen veröffentlicht. Hier die Links:

https://weltexpresso.de/index.php/kino/13660-gundermann
https://weltexpresso.de/index.php/kulturbetrieb/13592-gundermann-film-hommage-an-den-leidenschaftlichen-singer-songwriter
https://weltexpresso.de/index.php/musik/13659-da-geht-was-ich-spuer-s
https://weltexpresso.de/index.php/kulturbetrieb/13593-interview-mit-andreas-dresen


Foto:
© Verleih

Info:
Darsteller
Gerhard Gundermann       Alexander Scheer
Conny Gundermann         Anna Unterberger
Helga                                Eva Weißenborn
Führungsoffizier                Axel Prahl
Puppenspieler                  Thorsten Merten
Wenni                                Benjamin Kramme
Parteisekretär                   Bjarne Mädel
Irene                                 Kathrin Angerer
Volker                                Milan Peschel

Abdruck aus dem Presseheft