f Mackie20Messer Moretti xxSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. September 2018, Teil 15

N.N.

Berlin (Weltexpresso) - Ein Gespräch mit Tobias Moretti Was haben Sie sich vorgestellt, als Sie bei diesem Projekt zusagten?

Ganz am Anfang dachte ich, es handle sich um eine fiktive Doku, die fürs Fernsehen entstehen sollte, einen Kulturauftrag gewissermaßen. Als ich realisiert habe, dass dieser Stoff fürs Kino verfilmt werden sollte, war ich im Boot, noch dazu mit diesen Kollegen. Es ist ja nicht so einfach: ein Film im Film, eine Situation in einer Situation, und alles verschwimmt ineinander. Die Tanzebene und der Gesang sorgen für ein zusätzliches surreales Element. Eigentlich hat es mit einer historischen Aufarbeitung nichts zu tun, und doch ... verspielt, fast kindlich. Ich fand das toll. Es ist ein Stoff, der alles sein kann, aber auf jeden Fall etwas Besonderes. Ein Reigen. Ich denke, das trifft es am besten.


War es eine befriedigende Arbeit?

Wir wussten morgens nie so genau, wohin die Reise geht. Und am Abend waren wir überrascht von dem, was wir gemacht haben. Was Besseres kann man eigentlich nicht sagen. Es hat die Leichtigkeit einer Kindervorstellung und bordet doch über vor Fantasie.


Wie erfindet man den Macheath neu?

Brecht hatte eine klare Vorstellung von Macheath, dass er sich ständig, über die nächste soziale Schicht definierend, woanders hin entwickelt und auch wieder selbst bricht. Insofern gibt es klare ästhetische Vorgaben. Andererseits hat jeder dramatische Versuch seine eigene Welt und seine eigene Perspektive. Deshalb ist das, was wir machen, auf seine Weise etwas ganz Neues. Wirklich spannend ist das Verschwimmen von Ebenen. Die epische Spielform ist eine Spielform, die am Theater funktioniert, weil sie deklamatorisch ist, eine Spielform, die neben sich steht. Dieser Film kann das aber auch. Und das hat mich sehr überrascht, weil ich nicht gedacht hätte, dass das so funktioniert.


Zugleich handelt es sich auch um eine Kapitalismuskritik.

Das ist im Stoff so angelegt, wie immer bei Brecht, es ist wie ein Absprungbrett, ein Trampolin. Diesbezüglich muss man nicht heruminterpretieren, die Form gibt es vor. Brecht hat sie genau definiert, diese Form von kapitalistischen Strukturen. Das gibt es heute noch genauso, wenngleich vielleicht mit anderen Mitteln. Daher kann der Film eventuell sogar raffinierter sein, weil er mit anderen Zäsuren arbeitet, mit anderen Verästelungen.


Welche Rolle spielt die Musik?

Die Musik ist ein Opus, ein Gesamtkunstwerk, sie steht für sich. Sie ist von so hoher Qualität und Güte, dass man die Arbeit von Weill auch als Opernwerk ansehen kann, auch wenn Brecht das gar nicht wollte und entsprechend gebrochen hat. Brecht wollte die Oper zerstören. Er hat die Populärkunst des Musicals der Oper sogar vorgezogen, so absurd sich das gerade bei dieser Musik anhört. Denn es ist das Gegenteil. Aus heutiger Sicht ist das auch ideologisch nicht mehr nachzuvollziehen.


Gleich zu Beginn der Arbeit an dem Film mussten Sie die Songs einspielen.

Wir wurden einfach so reingeworfen. Das war wie ein Arschtritt. Der Gruber ist ein vehementer Charakter. Für viele war es eine Überraschung, auf welchem Niveau man da einzusteigen hat. Schauspielern, die das Singen nicht gewohnt waren, fiel das nicht leicht. Mein Vorteil war, dass ich die Rolle schon gearbeitet hatte, auch sängerisch und stimmtechnisch. Für mich war es also eine Wiederaufbereitung, aber es war dennoch ein Reinspringen. Ich empfand es als echten Kick, als Sprungbrett für meine Figur. Es tat mir auch deshalb gut, gleich so gefordert zu werden, weil ich mir zu diesem Zeitpunkt noch keine Vorstellung davon machen konnte, wie das mit den verschiedenen Erzählebenen funktionieren sollte. Plötzlich war man mittendrin

Fotos:
© Wild Bunch


Info:
Da ARTE und SWR den Film mitfinanzierten, wird er auch bald im TV laufen.
„Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm“, D 2017, 130 Minuten, FSK 6 Jahre
Regie Joachim A. Lang mit Lars Eidinger, Tobias Moretti, Hannah Herzsprung, Joachim Król, Max Raabe u.a. Kinostart am 13.9.2018

Abdruck aus dem Presseheft