N.N.
Madrid (Weltexpresso) - Wie haben Sie Asghar Farhadi kennengelernt.
Seine Filme gefallen mir unheimlich gut, ganz besonders NADER UND SIMIN – EINE TRENNUNG, der in meinen Augen ein Meisterwerk ist. Asghar rief mich an und erzählte mir, dass er einen Film in Spanien drehen möchte und wegen einer Rolle an mich dachte. Dieser Anruf war eine der besten Sachen, die mir in meiner ganzen Karriere passiert sind. Ich bewundere ihn, Asghar, sehr, er ist einer der Größten. Ein absolut beeindruckender, ausgesprochen sensibler Mann.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie das Drehbuch lasen?
Asghar erzählte mir von der Geschichte von OFFENES GEHEIMNIS erstmals vor fünf Jahren. Von da an hat sie sich in seinem Kopf noch einmal deutlich weiterentwickelt. Asghar ließ uns an diesem Prozess teilhaben, weil Javier und ich ihm bereits signalisiert hatten, uns mit ihm auf diese Reise zu begeben. Was er dem Zuschauer durch diese Geschichte erzählen wollte, war das Interessante an diesem Projekt.
Wie meinen Sie das?
Man kann es so sehen, dass die Familie im Film eine Metapher für all die Dinge ist, die um uns herum vorgehen. Wie in dem Gedicht von Djalal al-Din Roumi, auf das ich dank eines anderen iranischen Freundes aufmerksam wurde, nachdem wir bereits ein paar Wochen gedreht hatten. Wenn ein Familienmitglied leidet, besagt es, dann leidet die gesamte Familie mit. Die Essenz unseres Films steckt in diesem Gedicht. Als ich Asghar darauf ansprach, bestätigte er mir, dass ihm das Gedicht sehr viel bedeutet und er tatsächlich erst einen Tag davor daran hatte denken müssen.
Wie würden Sie ihre Figur Laura beschrieben?
Laura ist eine ganz besondere Frau, die viel durchgemacht hat. Sie musste einige schwierige Entscheidungen in Ihrem Leben in Bezug auf andere Menschen treffen. Das lastet schwer auf ihr. Wir alle tragen die Last unserer Erfahrungen und Traumata mit uns – manche von uns mehr als andere. Laura ist eine Frau mit einem Geheimnis, die plötzlich in einer existenziellen Krisensituation steckt. Diese führt dazu, dass ihr Geheimnis ans Licht kommt – und damit wird auch eine Reihe von Dingen, die weiterhin im Verborgenen hätten bleiben können, wenn es um Laura gegangen wäre. Nach meinem Empfinden habe ich noch nie zuvor eine so komplizierte Figur wie sie gespielt.
Konnten Sie sich mit Laura identifizieren?
Darüber habe ich nie nachgedacht. Ich muss nicht mit ihr übereinstimmen und musste sie und ihr Temperament auch nicht mögen. Genauso wenig wollte ich ihre Handlungen rechtfertigen. Ich muss sie nur einfach zu hundert Prozent verstehen. Und ich denke, dass mir das möglich war, weil die Rolle so toll geschrieben ist. Alle Figuren in dem Film sind komplex, subtil, vielschichtig. Es gibt keine Bösewichte, es gibt keine Helden. Es ist wie im wahren Leben: Alles, was sich dort abspielt, hat immer zwei Seiten.
Wie war die Arbeit mit Asghar Farhadi?
Sehr gut! Der Dreh dauerte beinahe vier Monate. Und in diesen Monaten ist viel passiert! Asghars Ansprüche sind enorm, aber er kann auch ganz wunderbar erklären, was er von einem möchte. Er behandelt einen immer respektvoll – es ist ihm einfach wichtig, dass man immer sein Bestes gibt. Asghar ist ein sehr inspirierender Mensch, der dir als Schauspieler den Weg weist und sagt, wo du hingehen sollst. Eine Art Genie, ein ungewöhnlicher Mensch, gesegnet mit einer außerordentlichen Sensibilität. Menschen wie ihn findet man nicht oft. Im Laufe meiner Karriere bin ich jedenfalls noch nicht vielen Leuten von seinem Schlag begegnet. Asghar ist in der Lage, andere Menschen zutiefst zu bewegen mit der Art, wie er seine Geschichten erzählt. Das tut er übrigens mit einer großen Bescheidenheit. Er behauptet nicht von sich, ein Prophet zu sein - aber für mich ist er viel mehr als nur ein Filmregisseur.
Foto:
© Verleih
Info:
132 Minuten / Spanien, Frankreich, Italien 2018
BESETZUNG
PENÉLOPE CRUZ . Laura
JAVIER BARDEM Paco
RICARDO DARÍN Alejandro
Veröffentlichung aus dem Presseheft