f offenes4Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27. September 2018, Teil 5 :„KEINE SZENE WAR EINFACH“ 

N.N.

Madrid (Weltexpresso) - Wie kamen Sie zu diesem Projekt?

Wenn ich mich richtig erinnere, dann traf ich Asghar 2013 oder 2014 in Los Angeles, als er in der Stadt war, um einen Film zu bewerben. Ich war etwas angespannt, als ich zu unserem Treffen ging. Und ungeduldig. Weil ich diesen Künstler und vor allem diesen Mann unbedingt kennenlernen wollte. Seine Filme und ihn selbst finde ich ihn unglaublich faszinierend. Wir unterhielten uns auf Englisch, so gut es unsere Sprachkenntnisse zuließen. Und wir waren sofort angetan von der Idee, gemeinsam an einem Film zu arbeiten. Ein paar Monate später schickte er mir das Treatment zu seinem nächsten Drehbuch. Und von da an blieben wir immer in Kontakt.


Was war Ihr erster Eindruck, als Sie das Treatment lasen?

Asghar arbeitet an Ideen, Konzepten, Geschichten. Er hatte zwanzig oder dreißig Seiten geschrieben und dazu eine sehr detaillierte Zusammenfassung erstellt. Wie ein Drehbuch, aber ohne Dialog. Mir gefiel die Geschichte von OFFENES GEHEIMNIS auf Anhieb, die Atmosphäre und vor allem die Schilderung der Beziehungen zwischen den Figuren. Wie seine vorangegangenen Filme beschäftigt sich auch OFFENES GEHEIMNIS mit der Beziehung zwischen Menschen und mit der Art und Weise, wie sie miteinander umgehen. Es geht um die Vergangenheit, die auf der Gegenwart dieser Menschen lastet und wie diese Vergangenheit die Entscheidungen im Hier und Jetzt beeinflusst. Dass es einem ausländischen Regisseur darüber hinaus so treffend gelingt, die spanische Kultur zu beschreiben, fand ich ebenfalls brillant.


Wie haben Sie mit Asghar Farhadi gearbeitet, um ihre Figur zu Leben zu erwecken?

Als er das Drehbuch fertiggestellt hatte, begannen wir, uns über die Figur zu unterhalten. Ich habe mich sehr darauf gefreut, Asghars Ideen dazu anzuhören. In der Art, wie er mit seinen Schauspielern arbeite und seinen Film formt, zeigt sich sein Genie. Für einen Schauspieler ist die Arbeit mit ihm pure Freude, weil er unseren Beruf liebt, ihn versteht und genau weiß, wie viel Zeit und Energie man als aufwenden muss, um zu einem bestimmten Punkt zu kommen.


Wie waren dann die Proben?

Während der Proben entdeckte ich, dass Asghar eine Gabe hat, der Arbeit eines Darstellers Farbe und Glanz zu verleihen. Für mich war es auch eine Gelegenheit, mich mit Kollegen zu umgeben, die ich bewundere oder mit denen ich schon einmal gearbeitet hatte - wie Eduard, Penelope oder Ricardo. Mit ihm war ich zuvor noch nie vor der Kamera gestanden hatte, aber ich halte ihn für einen der besten Schauspieler auf dieser Welt. An einem Tisch versammelt zu sein und mitzuerleben, wie Asghar seine Figuren ausgearbeitet hat, wie er uns bittet, uns auf einige sehr präzise Details zu fokussieren, die uns die Essenz unserer Figuren entdecken ließen, war einfach wunderbar, eine großartige Erfahrung.


Erzählen Sie uns von Ihrer Figur, Paco.

Er ist ein Mann, der in einem Dorf lebt und sich sein Leben hart erarbeitet hat. Er wurde in dem Haus geboren, in dem Lauras Familie lebt. Nach und nach hat er das Land bestellt und sich um den Weinbau gekümmert. Zu Beginn des Films lebt er ein glückliches Leben, privat wie beruflich. Aber dann geschieht etwas, das ihn aus der Bahn wirft und alles in Frage stellt, was er eigentlich immer als gegeben empfunden hat, psychologisch, emotional, körperlich und auch ethisch. Sein Leben beginnt sich zu verändern. Auf einmal wird er mit seiner Vergangenheit konfrontiert, die mit einer großen Wucht auf sein Leben in der Gegenwart prallt. Paco ist eine Figur voller feiner Nuancen.


Haben Sie sich mit Paco identifiziert?

Ich mag ihn. Sehr. Die große Victoria Abril hat einmal gesagt, dass wir unsere Figuren beschützen und nicht bewerten sollen, sonst würden wir unseren Job nicht erledigen. Aber natürlich kommt es vor, dass man Figuren spielt, die einen unangenehm berühren. Das ist hier nicht der Fall. Ich denke an Paco genauso gerne zurück wie an Ramón Sampedro in DAS MEER IN MIR oder an Reinaldo Arenas in BEVOR ES NACHT WIRD. Sein Charakter ist gekennzeichnet von einer Einfachheit, die einer Art von Weisheit gleicht. Er ist eine bodenständige Seele, ein verantwortungsbewusster Mann, der seinen Blick immer auf seine Umwelt richtet und für sie da ist.


Wie waren Ihre Beziehungen zu den anderen Schauspielern? Wie war es, wieder mit Penélope vor der Kamera zu stehen? Wie war die Arbeit mit Ricardo Darín?

Mit Penélope hatte ich gerade die Arbeit an LOVING PABLO abgeschlossen, in dem wir zwei sehr starke Figuren spielen, die in einer vergifteten Beziehung stecken. Penélope ist eine Schauspielerin, die an jeder neuen Rolle erneut wächst. Es ist eine Freude, mit ihr zu arbeiten, weil wir einander so gut kennen und deshalb entspannt miteinander umgehen können. Das ist sehr hilfreich. Über die anderen Schauspieler könnte ich stundenlang reden. Da gab es welche wie Inma Cuesta, mit der ich noch nie gespielt hatte, deren Arbeit ich aber kannte. Dann waren da Elvira oder Eduard, mit denen ich bereits vor der Kamera gestanden bin. Und dann konnte ich endlich an der Seite von Ricardo Darín spielen, mit dem ich immer schon arbeiten wollte. Wir haben nicht viele gemeinsame Szenen, aber diese wenigen waren sehr intensiv. Es war außerdem wunderbar, Ramón Barea beim Spielen zuzusehen. Er ist ein außergewöhnlicher Mann und Schauspieler.


Haben Sie eine Lieblingsszene? Und was war besonders kompliziert zu spielen?

Bei Asghar war glücklicherweise nichts in Stein gemeißelt. Er sagte niemals: So machen wir’s und nicht anders. Im Gegenteil: Asghar liebt das Leben. Und er will, dass jede Szene pures Leben ausdrückt. Zurückblickend würde ich sagen, dass die Gruppenszenen am schwierigsten waren. Da waren viele Schauspieler involviert, und jeder Schauspieler hat seine eigene Herangehensweise. Jede denkbare Emotion - Furcht zum Beispiel - kann auf eine vielfältige Weise dargestellt werden. Letztendlich ist es die Sache des Regisseurs, eine gewisse Harmonie in eine heterogene Gruppe zu bringen. Dafür müssen die Schauspieler unendlich viel Konzentration aufbringen. 

Foto:
© Verleih

Info:
132 Minuten / Spanien, Frankreich, Italien 2018
BESETZUNG
PENÉLOPE CRUZ .    Laura
JAVIER BARDEM       Paco
RICARDO DARÍN       Alejandro

Veröffentlichung aus dem Presseheft