f ballon10Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27. September 2018, Teil 11, Interview mit Regisseur und Produzent Michael Bully Herbig

N.N.

München (Weltexpresso) – Wie haben die Familien Strelzyk und Wetzel darauf reagiert, dass Michael Bully Herbig ihre Ballonflucht aus der DDR erneut ins Kino bringen will?

Natürlich war meine größte Sorge, dass sie denken: Da kommt ein Komiker aus Bayern – will der uns auf den Arm nehmen? Aber das war schnell vom Tisch. Sie haben erkannt, dass ich in erster Linie ihre Geschichte dem heutigen Publikum mit dessen modernen Sehgewohnheiten näherbringen möchte. Ganz schnell waren wir bei den Inhalten. Mir war wichtig, das Vertrauen beider Familien zu haben. Ohne deren Zustimmung und Mithilfe hätte ich diesen Film nicht gedreht.


Was haben Sie im Rahmen Ihrer Recherchen über die DDR erfahren?

Im Grunde war es gut, dass sich die Vorbereitungen zu diesem Film über fünf Jahre erstreckt haben. Denn in dieser Zeit konnte ich mich intensiv mit dem Leben in der DDR beschäftigen. Das Thema war plötzlich allgegenwärtig. Es ist ja so: Wenn man eine schwangere Frau zu Hause hat, sieht man überall nur noch Schwangere. So ging es mir auch mit diesem Thema. Egal, wen ich beruflich oder privat traf: Wir kamen zwangsläufig auf die damalige Situation in der DDR und auf erfolgreiche oder gescheiterte Fluchtversuche zu sprechen. Jeder erzählte mir die Geschichten, die er kennt oder sogar selbst erlebt hat.


Sie waren elf Jahre alt, als den Familien 1979 die Flucht gelang. Jetzt sind sie 50. Warum haben Sie den Film nicht früher gedreht?

Ich fühle mich jetzt, im wahrsten Sinne des Wortes, reifer für diese Geschichte als vor zehn oder 20 Jahren. Es hat mir auch geholfen, dass ich inzwischen selbst Vater bin. Ich kann besser nachvollziehen, was es bedeutet, mit seinen Kindern in einen selbstgebauten Heißluftballon zu steigen und damit auch ihr Leben zu riskieren, um ihnen eine andere Zukunft zu ermöglichen.


Eine bessere Zukunft?

Ich sage bewusst „eine andere Zukunft“. Dass die in jedem Fall besser war, behaupte ich gar nicht. Es geht einfach darum, dass viele Menschen in der DDR unzufrieden und unglücklich waren. Sie fühlten sich eingesperrt, fremdbestimmt und durften nicht sagen, was sie wollten. Entsprechend viele Fluchtversuche gab es ja auch. Aus den unterschiedlichsten Gründen.


Was war das Besondere an der Flucht mit dem Heißluftballon?

Zum einen ging diese Geschichte tatsächlich um die Welt. Diese Flucht war so spektakulär, dass Günter Wetzel noch heute Vorträge darüber hält. Und Peter Strelzyk, der leider vor einem Jahr gestorben ist, erzählte mir bei unserem ersten Treffen, dass er sogar Autogrammwünsche aus Asien und Amerika erhielt. Ich bin vorsichtig damit, einzelne Fluchten als „gefährlicher“ oder „aufregender“ einzustufen als andere. Jede Flucht hatte ihre Brisanz und ihre Ursachen. Aber die Ballonflucht ist, gerade auch aus Sicht eines Filmemachers, einfach unglaublich und abenteuerlich. Natürlich habe ich mir die Frage gestellt, ob es sinnvoll ist, eine Geschichte auf der Kinoleinwand zu erzählen, die Anfang der 80er Jahre schon von Disney verfilmt wurde. Aber je länger ich mich mit den Familien Strelzyk und Wetzel unterhalten habe und je mehr Details aus den Stasi-Akten bekannt wurden, desto mehr fühlte ich mich darin bestärkt, den Film aus Deutschland heraus für ein internationales Publikum zu inszenieren.


Sie beschränken sich auf die Rolle des Regisseurs und des Produzenten. Oder gibt es im Film zumindest einen kurzen Gastauftritt á la Alfred Hitchcock?


Nein. Und das aus tiefster Überzeugung. Es mag durchaus Leute geben, die sich schwer damit tun, dass der Bully einen Thriller über deutsch-deutsche Geschichte gedreht hat. Das ist zwar auch Unterhaltungskino, aber in einem ganz anderen Genre. Ich weiß, dass ich mit meinem Gesicht, relativ schwer das Genre wechseln kann und ich habe auch keinerlei Ambitionen. Aber wenn ich konsequent hinter der Kamera bleibe und meinen Namen soweit wie möglich nach hinten schraube, kann dieser Genre-Wechsel gut gelingen. Der Star des Films ist die Geschichte der beiden Familien. Und der Ballon, den wir in Originalgröße nachgebaut haben.


Worauf haben Sie bei der Besetzung und bei der Zusammenstellung des Teams Wert gelegt?

Ich wollte eine bestimmte DNA in dieser Produktion haben. Mir war wichtig, dass möglichst viele Schauspieler, gerade auch in den kleinen Rollen, und viele Teammitglieder einen Bezug zum Osten haben. Sei es, dass sie dort aufgewachsen sind oder Verwandte und Freunde in der DDR hatten. Als zum Beispiel Nadja Engel, die im Film Günter Wetzels Mutter spielt, vor unserem nachgebauten Konsum-Laden stand, sagte sie zu mir: „Ich kriege Gänsehaut, das ist wie eine Zeitreise“. Das hat mir gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.


Nach BUDDY und BULLYPARADE – DER FILM haben Sie auch für BALLON wieder auf die Arbeit von Kameramann Torsten Breuer gesetzt. Auf welches Farbkonzept haben Sie sich im Vorfeld geeinigt?

Glücklicherweise kann man das heute ein bisschen offenlassen und das Grading in die Postproduktion verlagern. Torsten Breuer wollte beim Grading in Richtung Cyan gehen und wir haben entsprechend an den Mustern rumgeschraubt. Mir war vor allem wichtig, dass wir viel mit Gegenlicht und starken Kontrasten arbeiten und die DDR nicht nur in trostlosen und unbunten Bildern zeigen.


Wie haben Sie dieses Ziel erreicht?

Gerade die Menschen, die aus der DDR fliehen wollten, waren natürlich gut informiert, wie man sich im Westen kleidet. Unsere Kostümbildnerin Lisy Christl, hat das ganz hervorragend umgesetzt. Die Hauptdarsteller tragen coole Klamotten. Die konnte man vielleicht nicht immer so im Laden kaufen, aber viele trugen auch selbstgenähte Sachen. Man hat in der DDR das Beste aus allem gemacht, was man vorfinden konnte. Mir war immer wichtig, bei einem historischen Film authentisch das Jahr 1979 zu erzählen, aber die Rollen nie der Lächerlichkeit preiszugeben. Keiner soll sagen: „Wie rennen die denn rum? Diese Frisuren! Diese Kleider! Und diese lustigen Autos!“


Bei früheren Filmen waren Sie stets ein Freund von Dialekten. Gab es mal die Überlegung, die Geschichte, die in Thüringen spielt, auch mit Thüringer Dialekt zu verfilmen?

Die gab es. Aber wir haben uns nach ersten Tests dagegen entschieden, weil manche Texte dadurch eine unfreiwillige Komik erhielten. Ich wollte aber, dass nicht alle gestochen Hochdeutsch sprechen. Die Sätze durften gern ein bisschen hingeschmissen werden, damit man die Dialekte erahnen kann. Bei Friedrich Mücke kommt zum Beispiel der Ostberliner Einschlag durch, bei Karoline Schuch diese leichte Thüringer Färbung.


Foto:
Der Regisseur © Studiocanal GmbH / Marco Nagel


Info:
circa 125 Minuten

Besetzung
Peter Strelzyk    Friedrich Mücke
Doris Strelzyk .  Karoline Schuch
Günter Wetzel    David Kross
Petra Wetzel      Alicia von Rittberg
Oberstleutnant Seidel     Thomas Kretschmann