Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - Wenn Sie in der Suchfunktion des Weltexpresso den Namen MORITZ DANIEL OPPENHEIM eintragen, werden Sie 21 Artikel finden. Versuchen Sie es. Dann wissen Sie auch, daß dieser Maler und Zeichner jüdischen Alltagsleben, aber auch der der bekanntesten Porträts von Heinrich Heine und Ludwig Börne weder etwas zu tun hat mit dem Wiener Maler Max Oppenheimer noch mit dem Fall Oppenheimer, der zum Nazi-Propagandafilm JUD SÜß wurde. Hier geht es um den Maler aus Hanau, der im Frankfurt des 19. Jahrhunderts reüssierte und dem im Jahr 2000 im Jüdischen Museum Frankfurt eine fulminante Ausstellung galt, weshalb wir im Bilde waren und berichteten. Im Übrigen ist auch im Hanauer Cocon-Verlag die erste Monographie im 20. Jahrhundert über Oppenheim veröffentlicht worden. Das war in den 90er Jahren und seitdem steht dieser jüdische Maler, der anders als viele zu seiner Zeit, eben Heine u.a., nicht konvertierte, sondern deutscher Jude, jüdischer Deutscher blieb, immer wieder im Mittelpunkt. Für den Film über ihn, der endlich in die Kinos kommt, hat seine Regisseurin Isabel Gathof gerade den Hessischen Nachwuchspreis 2018 überreicht bekommen. Um so mehr freuen wir uns, daß der Maler und sein Film nun auch in Berlin angekommen sind! Die Redaktion
Eine Spurensuche nach Moritz Daniel Oppenheim führt unweigerlich in seine Geburtsstadt, ins hessische Hanau. Dort begann seine Karriere in einem Ghetto und dort schaut der „Maler der Rothschildts“, wie er von Zeitgenossen genannt wurde, in Gestalt einer lebensgroßen rostbraunen Statue auf eine abstrakte Skulptur, die wie ein großes Bild zu tanzen scheint. Das 2015 eingeweihte Denkmal bildet den Ausgangspunkt einer Dokumentation, die sich nicht allein damit begnügt, Biografie und Werk des Malers lehrreich über Interviews zu erschließen. So wie Isabel Gathof den Bildhauern dieses Monuments, Robert Schade und Pascal Coupot, vom ersten Modell bis zur Vollendung über die Schulter schaut, gelingt es ihr vielmehr, einen kreativen Schaffensprozess nachzuzeichnen. Wie ein roter Faden zieht er sich, anspruchsvoll untermalt von Musik aus den Streichquartetten Felix Mendelssohn-Bartholdys, in Etappen durch den Film.
Für eine Reflektion über Oppenheims Leben und seine Bilder bedarf es freilich der umfangreichen Kenntnisse von Experten.
In den Beschreibungen von Kunsthistorikern lernt man ihn als einen Souverän kennen, der, wiewohl er sich zeitweise in Italien den Nazarenern anschloss, nicht zur katholischen Kirche konvertierte. Mit Porträts von so berühmten Zeitgenossen wie Johann Wolfgang von Goethe, Heinrich Heine und Mitgliedern der reichen einflussreichen Bankiersfamilie Rothschild, die in Frankfurt entstanden, wurde er bekannt. Vor allem aber ging Oppenheim mit seinen liebevollen, detailgetreuen Genredarstellungen vom Alltag der jüdischen Bevölkerung und deren sich entwickelndem Selbstbewusstsein als Chronist der Jüdischen Emanzipation in die Geschichte ein. Offenbar beeindruckte er damit auch den von ihm sehr verehrten, berühmten Goethe, der ihn protegierte.
Zwei Nachfahren der weit verzweigten Familie, die Ur-Ur-Ur-Großenkelin Patricia Lewin, deren Großmutter 1939 vor den Nazis nach Paris und von dort aus nach New York flüchtete, und der Rabbi Yehuda A. Horovitz lassen Oppenheims Werdegang als Teil einer heute noch weiterlebenden spannenden Familiengeschichte erscheinen.
Vor allem aber geht es Gathof darum, eine optimistische, aufgeklärte Phase deutsch-jüdischen Lebens zu illustrieren. Unwillkürlich erwächst Oppenheims Denkmal damit Symbolkraft, zumal in einer Stadt mit einem sehr hohen Anteil an Migranten. Allerdings regen sich Zweifel an Gathofs unterschwellig anklingender Hoffnung, dass sich damit die großen Spannungen in der heutigen multikulturellen, stark gespaltenen Gesellschaft auflösen lassen.
Kirsten Liese
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3 Sterne
Lehrreiche, sehenswerte Dokumentation über den ersten jüdischen Genremaler des 19. Jahrhunderts