Bildschirmfoto 2018 10 24 um 20.32.50Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. Oktober 2018, Teil 3

Isabel Gathof

Hanau (Weltexpresso) - Als ich im Herbst 2013 davon erfuhr, dass meine Heimatstadt Hanau, ihrem berühmtesten jüdischen Sohn im Herzen der Stadt das erste Denkmal seiner Art errichten möchte, war mein Interesse geweckt, den Menschen Moritz Daniel Oppenheim hinter der Statue emotional erlebbar zu machen – und seine Geschichte zu erzählen. Je mehr ich über sein so außergewöhnliches Leben & Werk erfuhr, desto fester wurde mein Entschluss, ihm einen abendfüllenden Kinodokumentarfilm zu widmen.

Interessanterweise stieß ich im Rahmen meiner Recherchen vor allem auf verstärktes Interesse aus dem Ausland, wo sein zentrales Werk, der „Bilderzyklus zum altjüdischen Familienleben“ – der ihn seinerzeit zu so etwas wie einen „Star“ jüdisch-deutscher Populärkultur machte – in lebendigerer Erinnerung schien, als in seinem Heimatland. Mit viel Liebe zum Detail dokumentierte er in seinen Bildern eine im Umbruch befindliche Epoche jüdischen Lebens im Deutschland des 19. Jahrhunderts – was ihn für mich zu einem visuellen Chronisten macht und so Gemeinsamkeiten mitdem Handwerk des Dokumentarfilmemachens aufweist. Er ist seinen Wurzeln immer treu geblieben und hat sich gegen die Konversion aus Opportunismus (im Gegensatz zu etlichen seiner Zeitgenossen) entschieden.

Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – hat er Karriere gemacht, die im Ghetto begann und ihn schließlich als ersten jüdischen Maler mit akademischer Ausbildung weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt werden ließ. Seine Bilderwelten eröffneten der christlichen Mehrheitsbevölkerung einen Einblick in eine weitestgehend unbekannte „Nachbarschaft“ – womit er einen aktiven Beitrag zu mehr Verständnis und Toleranz im gesellschaftlichen Miteinander leistete – ein Thema, das heute aktueller denn je scheint. Grund genug, ihn und sein Werk in Deutschland dem Vergessen zu entreißen.

Da es der bislang erste und einzige Film über Moritz Daniel Oppenheim ist, war es mir wichtig, dass die Form den Inhalt nicht dominiert. Dazu kommt, dass das hier im Vordergrund stehende Zeitalter der jüdischen Emanzipation ein in der filmischen Auseinandersetzung bislang wenig rezipiertes Thema ist und sich der Zuschauer somit vielen, z.T. neuen Informationen ausgesetzt sieht. Um der immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspanne Rechnung zu tragen, sollte es im Film deshalb genügend Zeit und Gelegenheit geben, damit sich das vermittelte Wissen auch „setzen“ kann.

Inspiriert durch den Dualismus, den das Oppenheim-Denkmal mit dem Titel „Moritz und das tanzende Bild“ in Hanau selbst verkörpert – besteht es doch aus einem konkreten, klassischen sowie einem abstrakten, modernen Element – entschied ich mich somit für zwei Erzählebenen, die sich gegenseitig abwechseln. Eine davon sollte rein musikalischer Natur sein und zum bloßen „Zuschauen“ einladen. Die wundervolle, eigens auf die Filmbilder komponierte Filmmusik der beiden Komponisten, Jens Troester und Christos Kessidis, die in Zusammenarbeit mit der Neuen Philharmonie Frankfurt entstand, erzählt hier ihre eigene Geschichte und begleitet auf einzigartige Art und Weise den kreativen Entstehungsprozess des Denkmals – und dabei insbesondere den der Oppenheim-Statue. Das Projekt stellte mich vor die Herausforderung, dass meine Hauptfigur ja seit nunmehr über 130 Jahren verstorben ist – und sich nur eine Handvoll historischer Aufnahmen von M.D. Oppenheim in den Archiven finden lässt (das Medium der Fotografie war seinerzeit noch nicht lange erfunden).

Somit musste Moritz Daniels „stählernes Alter Ego“ emotional aufgeladen werden, um beim Zuschauer eine entsprechende Identifikation zu erzeugen. Mithilfe der Musik, die eine Fusion aus klassischer und elektronischer Musik darstellt und immer Bezug auf das jeweilige Setting nimmt. Überwiegt der Teil elektronischer Sounds in der industriellen Atmosphäre der Stahlgießerei, hat in der Natur unter freiem Himmel hingegen „das Streichquartett das Wort“. Bei dieser Gelegenheit wollte ich auch mit der landläufigen Annahme brechen, dass jüdische Musik automatisch immer gleich Klezmer sein muss. Es ist weniger wahrscheinlich, dass M.D. Oppenheim seinerzeit diese, eher im ostjüdischen Kulturraum verbreitete, Musik gehört hat – vielmehr waren es wohl die klassischen Werke Mendelssohn Bartholdys (und seiner leider weniger bekannten Schwester Fanny), die bei ihm auf dem Programm standen. Mit beiden Musikern war M.D. Oppenheim übrigens persönlich bekannt und portraitierte sie auch.

Deshalb wollte ich im Rahmen der Filmmusik mit Reminiszenzen auch an die Geschwister Mendelssohn erinnern. Für die Musik des Abspanns beispielsweise wurde mein Lieblingsstück von Fanny Hensel (geborene Mendelssohn), das Notturno in g-Moll für Piano, erstmalig für Streicher adaptiert und von Violine und Cello live eingespielt. So ist in Zusammenarbeit mit einem wunderbaren Team in insgesamt 4 Jahren Produktionszeit ein Gesamtkunstwerk entstanden, das nicht nur dem „Maler der Rothschilds und Rothschild der Maler“ gedenken, sondern den Weg zur Wiederentdeckung weiterer jüdischer Künstler, Wissenschaftler und Persönlichkeiten bereiten soll, die zu dem beigetragen haben, was heute weithin als „deutsches Kulturerbe“ bekannt ist.

Foto:
Isabel Gathof mit Oppenheimskulptur
©  RFF Real Fiction Filmverleih

Info:
Abdruck aus dem Presseheft