Serie: Eine Nacht im Museum: Die Oscarverleihung im Deutschen Filmmuseum Frankfurt , Teil 3/3

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Unser Orakel endet mit den vier wichtigsten Oscars. Längst Zeit, dann auf den kulturimperialistischen Akt zu verweisen, dem wir uns alle freiwillig unterwerfen, in dem wir alle zu Amerikanern werden. Nimmt man allein die neun nominierten Filme sind vier davon US-Geschichte, die eifrige Kinogänger inzwischen besser kennen als die deutsche Geschichte. Und das gilt für die ganze Welt.

 

Aber Geschichte und Politik sind nur die Spitze dessen, daß durch Hollywood und seine Filme the american way of life in unserem Kopf jeweils mitläuft. Das kommt bei der Oscarverleihung erst recht zum Tragen. Denn da werden in die ganze Welt die 24 wichtigste Filmpreise transportiert, von denen aber nur einer, der Oscar aus einem fremdländischen Film, auch aus dieser Welt kommt. Das ist angesichts der Qualität von Filmen aus Asien und Afrika, von Europa ganz zu schweigen, einfach unangemessen. Hollywood ist aber nur die Speerspitze dessen, was als Kulturimperialismus benannt, auch andere Gebiete des Lebens umgreift. Zeit wäre schon, dies auch für das Kino selbst zu hinterfragen, das sich einst Ende des 19. Jahrhunderts in Frankreich und Deutschland entwickelt hatte.

 

Eine späte Rache von Hitler und seinen Nazis, wie sie Deutschland und Europa durch ihre Judenverfolgung und Judenmorde um deren kulturellen Spitzen auch im Bereich des Films gebracht haben, denn der Siegeszug von Hollywood wurde künstlerisch auch mit Juden im Exil gespeist. Das Geld allerdings, das immense Kapital, das im Hauptland des Kapitalismus in die Filmwirtschaft gesteckt wurde, auf daß es aus der ganzen Welt und vor allem allen Fernsehanstalten zurückflösse, war der noch wesentlichere Faktor.

 

Darüber müßte schon lange eine gesellschaftliche Diskussion beginnen, sicher aber nicht in der Oscarnacht, wenn alle auf die Leinwand starren und wissen wollen: Wer ist es? Wie wir, aber dennoch gehen bei so vielen Stunden des Rezipierens auch eigene Gedanken durch den Kopf. Wir sind bei den männlichen BESTER HAUPTDARSTELLER, für die Denzel Washington mit dem Film FLIGHT; Joaquin Phoenix in THE MASTER, Daniel Day-Lewis für LINCOLN, Bradley Cooper in SILVER LININGS und Hugh Jackman für LES MISÉRABLES nominiert sind. Orakelt wird Daniel Day-Lewis, der schon den Golden Globe erhalten hatte und so spielt, als ob er in die Haut des legendären US-Präsidenten hineingeschlüpft sei. Auch hier zeigt sich das Orakel als zutreffend und die Dankesrede des britisch-irischen Schauspielers ist richtig witzig und zwiedeutig.

 

Bei der Besten Hauptdarstellerin sind nominiert: Jessica Chastain in ZERO DARK THIRTY, Jennifer Lawrence in SILVER LININGS, Emmanuelle Riva für LIEBE, Naomi Watts in THE IMPOSSIBLE und die neunjährigen Quvenzhané Wallis in BEASTS OF THE SOUTHERN WILD. Sein Tip ist Jennifer Lawrence, weil sie jung und attraktiv ist – und möchte man hinzufügen – die Rolle spielt, die so gerne die halbe Welt einnehmen möchte. So geschieht es auch und die Preisträgerin gratuliert Emmanuelle Riva zum 86. Geburtstag an diesem Tag. Nicht der durchschlagenden und richtig selbstbewußten Neunjährigen den Oscar zu geben, hat etwas mit der Würde und dem Ansehen des Schauspielberufes zu tun, wie sie gerade die Berlinale vermissen ließ, als sie einen Laienschauspieler beim Nachstellen seines Lebens als Besten Schauspieler prämierte, was erstens nicht stimmte und darüber hinaus anbiedernd war, ging es doch darum, dessen soziale Situation zu würdigen und nicht sein Spiel.

 

Die Beste Regie machen sich Michael Haneke, Ang Lee, David O.. Russel, Benh Zeitlin und Steven Spielberg streitig, wobei unser Orakel eindeutig den LINCOLNmacher favorisiert. Wie übrigens fast alle. Daß ihn dann aber Ang Lee für LIFE OF PI erhält, wundert, kann aber inhaltlich sehr gut begründet werden, denn die eigentliche Geschichte dieses Films könnte man in drei Zeilen erzählen, der Regisseur Ang Lee macht aber ein bewegendes Drama daraus, dem immer wieder das Henkersbeil mit dem Wort „Kitsch“ versetzt wird, was wir überhaupt nicht akzeptieren, weil ein Film in dem die Natur spricht, Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge so schön gezeigt sind, wie sie sind, Tiere leben und sterben und Menschen imaginieren. nicht automatisch Kitsch ist.

 

Und endlich sind wir bei dieser langen Nacht bei dem wichtigsten Oscar dem BESTER FILM angekommen. Die Möglichkeit der zehn Nominierten wurde nicht ausgeschöpft und nur neun ausgewählt: Liebe, Argo, Beasts of the Southern Wild, Django, Les Misérables, Life of Pi, Silver Linings, Zero Dark Thirty und Lincoln. Auffällig, daß THE MASTER nicht einmal nominiert war. Das Orakel glaubt an ARGO, auch deshalb, weil Hollywood im Film eine so sympathische Rolle spielt. Das ist eine interessante und auch zutreffende Begründung, wie sich Michael Kinzer in dieser Nacht selbst einen Filmmuseum-Oscar verdient hat. Er war sachkundig, ohne auf persönliche Wertungen zu verzichten und lag wohl so in 19 von 14 Orakeln auch richtig. Wie gesagt, nicht in seiner persönlichen Wertigkeit der Oscars, sondern in der Vorhersage, was er von den 5856 abstimmungsberechtigten Mitglieder der Academy – meist alt und gesettelt - erwartet.

 

Der Film ARGO ist gut und spannend gemacht, auch wenn sein Regisseur Ben Affleck als sein eigener Hauptdarsteller etwas steif durch das verminte Gelände Iran stolziert. Dennoch hatte man an dieser Entscheidung zu knabbern. Denn als der in die Jahre gekommene, aber immer noch schlagfertige Jack Nicholson auf einmal die Preisvergabe an die Leinwand übertrug, konnte man staunen. Aus dem Weißen Haus wurde die Präsidentengattin Michelle Obama zugeschaltet, die live in Hollywood die sicher wichtigsten Sätze zur Funktion des Kinos in demokratischen Gesellschaften sprach und dann den Umschlag öffnete und verkündete: ARGO!

 

Kein Mensch läßt sich darüber aus, daß es mehr als heikel ist, in einem amerikanischen Film den tatsächlichen politischen Gegner Iran so tückisch, primitiv und mordlüstern darzustellen, wie es dieser Film nach einem tatsächlichen Vorgang tut, der die revolutionären Aufstände von 1979 brandmarkt, die er dann beim Arabischen Frühling über 30 Jahre danach genauso heftig begrüßt. Da ist soviel Verlogenheit dabei, daß einem der - wie gesagt - gut gemachte Film, doch aufstößt. Wie so manch anderes.

 

Insofern hat das kommerzielle und konsenssüchtige Hollywood gesprochen, denn die aufklärerisch politischen Filme wie THE MASTER wurden nicht einmal nominiert und ZERO DARK THIRTY nicht weiter berücksichtigt. Aber hier muß man auch LINCOLN nennen, einen Film, auf den sich eigentlich alle einigen konnten, der aber mit gerade mal drei (der nicht so wichtigen) Oscars mit zu den Verlierern zählt. Drei Oscars erhielt auch ARGO, aber vier sogar LIFE OF PI, aber ein Oscar für den BESTEN FILM zählt mehr als andere. Schon erstaunlich, wie sich das Superjahr des amerikanischen Kinos nicht in den Oscars widerspiegelt.

 

Nun aber genug. Der frühe Morgen braucht Kaffee, den gibt’s im Filmmuseum noch in vielen Tassen. Und dann wartet der Tag, der von den meisten bewältigt werden muß. Besonders Glückliche haben sich den Arbeitstag Montag freigenommen und steigen dann nach sieben Uhr in ihr eigenes Bett. Das war eine unterhaltsame und lehrreiche Oscarnacht, die das Deutsche Filmmuseum in Frankfurt so vielen möglich gemacht hatte, denn tatsächlich waren es morgens noch immer Hunderte. Das schreit nach einer Oscarnacht 2014!

 

 

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