Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. Oktober 2011, Teil 1
von Romana Reich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Man muß nicht ein alter Bewunderer von Pedro Almodóvar sein, um seinen neuesten Film DIE HAUT IN DER ICH WOHNE als so traurig wie leicht, als so lustig wie tiefsinnig zu empfinden, immer aber als spannend, denn man braucht seine gewisse Zeit, bis man durchblickt, in diesem Film, der alle filmischen Mittel des Horror ausschöpft wie die des dramatischen Erzählens und kaum Raum läßt für all die anderen, in dieser Woche anlaufenden Filme, die deshalb im nächsten Teil kommen. Sage einer, wir hätten keine Auswahl!
DIE HAUT IN DER ICH WOHNE
Da haben wir ganz starke Bedenken, die Geschichte zu erzählen, denn sie entwickelt sich erst beim Zuschauen in ihrem ganzen Irrsinn, in ihrem gottähnlichseiendem Wahn, dem Hauptfigur, der Schönheitschirurg Dr. Legrand anheimfällt, nachdem das Schicksal ihn hart strafte. Seine Frau ist bei einem Autounfall getötet worden und je mehr sie tot ist, desto stärker liebt er sie. Seine eigenen Versagensängste und unbewußten wie bewußten Schuldgefühle will er negieren durch die Erschaffung einer neuen Ehefrau. Geschichte eins.
Geschichte zwei handelt von einer Entjungferung in den Augen des Mannes, von einer Vergewaltigung in den Augen des Mädchens, deren Vaters und der Zuschauerin. Vater ist besagter Schönheitschirurg und wir sind nun Zeuge eines abenteuerlichen Unternehmens, wie Geschichte eins mit der zweiten in denselben Hauptrollen besetzt wird, wozu nur ein langwährender chirurgischer Prozeß gehört, in dem von der Geschlechtsumwandlung bis hin zur Haut der wunderschönen neuen Dame uns alles auf geradezu kühle, klinisch aufklärerische Weise erzählt wird, bis wir nicht mehr anders können, als den Chirurgen als den Schöpfer eines neuen Wesens zu akzeptieren und zugleich eine tiefe Angst zu empfinden, zu was der Mensch taugt, was ein Mensch dem anderen antun kann.
Pedro Almodóvar, für uns ein begnadeter Filmregisseu , hat wie kein Zweiter seine Aficionados – wie uns – und seine entschiedenen Gegner, die ihm melodramatische Exzesse wie Schwulst und Kitsch vorwerfen. Sie haben es bei diesem Film nun schwer, der so verstörend kühl und nüchtern daherkommt und doch unter die Haut geht, verstörend wie selten. Wie immer hat er Familienpersonal, will sagen, über die Jahre immer wieder dieselben Schauspieler in seinen Filmen auftreten. Heute ist er ein Hollywoodstar, Antonio Banderas, der den undruchsichtig-durchsichtigen Arzt spielt, der den neuen Menschen, die neue Frau erschafft, die von Elena Anaya schön und vom Zuschauermitleid getragen zuerst dahinvegetiert und dann den Aufstand wagt. Banderas hat immerhin vor über 20 Jahren in Almodóvars FESSLE MICH! seine Karriere begonnen, Marisa Paredes dagegen gehört fest zum Stammpersonal und hat auch diesmal einen besonders emotionalen Part, wenn sie als Mutter des jungen Vergewaltigers tendenziell inzestuös dem verwirrenden Spiel um Mann und Frau, um das Mannsein und das Frausein, um Bäumchen wechsel Dich noch eins drauf setzt. Einfach irre, aber auch einfach irre gut.