f suspiriaSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. November 2018, Teil 12 

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – In Wien hatte man Gelegenheit, den Film noch vor dem Anlaufen in Deutschland im Rahmen der VIENNALE zu sehen. Beide Vorstellungen waren im großen Gartenhauskino gegenüber dem Stadtpark ausverkauft – und beim zweiten Mal war am 5. November um 23 Uhr die zweite Hauptdarstellerin Tilda Swinton mit dabei, die mit großem Jubel in ihrer extravaganter Garderobe empfangen wurde.

Die erste Hauptdarstellerin ist Dakota Johnson, die die junge US-Tänzerin aus Ohio gibt, deren größter Lebenstraum eben ist, in diese Tanzkompanie in West-Berlin Ende der Siebziger Jahre aufgenommen zu werden, was sie schafft und dann sogar gleich die Hauptrolle tanzt. Eigentlich ist das nämlich ein aufregender Tanzfilm, den sich Luca Guadagnino traute, der gerade 2017 mit CALL ME BY YOUR NAME einen sehr gefälligen, für mich sogar süßlichen Kinoerfolg herausbrachte, so viel und so exzessive wird hier in der Nachfolge des deutschen Ausdruckstanzes seit Anfang des Jahrhunderts getanzt. Aber vermarktet wird der Film als HORRORschocker, besser als Remake eines gleichnamigen Horrorklassikers von Dario Argento, der 1977 damit den ersten Teil einer Trilogie von modernen Schauermärchen auf die Leinwand brachte, die schon die schwarzbeseelte Gothic-Bewegung einschloß, aber eben stark auf die deutsche, die schwarze Romantik zielte, einschließlich der Hexen, weshalb seine Geschichte der jungen Susie im Schwarzwald spielte, denn nach Freiburg zog es die junge amerikanische Tänzerin, die dann Schauerliches erlebte.

So geht es Dakota Johnson in West-Berlin auch. Ungemütlich scheint die Stadt, wenn wir mit Susie Bannion im Spätherbst 1977 in Berlin ankommen, denn noch ist der Spuk der Roten Armee Fraktion, der RAF, in vollem Gange: Schleyer-Entführung, Tod, Entführung der Landshut, Tod in Stammheim, weshalb genau diese Monate als bleierne Zeit in die bundesdeutsche Geschichte eingegangen sind, als Deutscher Herbst. Ein Klima von Schrecken und Angst liegt in der Kinoluft, noch völlig unabhängig von dem, was dann wirklich im Film passiert. Es geht erst mal um die unheimliche, ja bedrückende Atmosphäre, die man mit Susies Ankommen in Berlin auch im Zuschauersessel spürt, deren rationale Begründung der Film dann nach und nach liefert.

Susie will auf Teufel komm raus aufgenommen werden als Mitglied des berühmten Markos Tanzensembles – und tatsächlich, nach dem Vortanzen, das nicht nur uns verblüfft, nämlich wie die junge Amerikanerin ihre Glieder verrenken kann und im vorgegebenen Rhythmus mit ihrer Gruppe verschmilzt, nach dem Vortanzen also wird das junge Mädchen sofort von der künstlerischen Leiterin Madame Blanc (Tilda Swinton) angenommen, der zwei weitere, so souverän wie unheimlich auftretende Frauen als Mitleiterinnen der Tanzakademie zur Seite stehen: Fräulein Tanner (Angela Winkler) und Fräulein Vendegast (Ingrid Caven). Allein der Ausdruck FRÄULEIN, den der deutsche Sprachgebrauch leider abschaffte! Mit einem alten Gesicht und einem eigenartigen Verhalten wird bei solchen Fräuleins schon per se das Unheimliche mitgeliefert. Ausgesprochene Hexen. Und ehrlich gesagt, ist es ein richtiges Vergnügen, den älteren Damen zuzusehen, die allein durch altmodisches Verhalten und derartiges Aussehen heute schon unheimlich wirken.

Daß Susie gleich Tanzkarriere macht und mit der Aufnahme nach kurzem Training durch Madame Blanc sogar das Solo der nächsten Aufführung tanzen soll, hat mit einem Verlust zu tun, den wir gleich zu Anfang mitbekommen. Denn eine junge Tanzschülerin namens Patricia ist Patientin beim Psychotherapeuten Dr. Josef Klemperer (Lutz Ebersdorf, hinter dessen Psychomännermaske sich Tilda Swinton versteckt). Der Name Klemperer ruft natürlich bei Deutschen sofort Assoziationen hervor, sowohl Otto Klemperer, der als weltberühmter Dirigent von den dummen Nazis schon 1933 angegriffen wurde und sofort emigrierte, wie auch sein Cousin Victor Klemperer, der in Dresden das Dritten Reich überlebte, indem er schwieg und zu Hause ein großes Werk schuf, in dem die Analyse der Nazi-Sprache eine wichtige Rolle spielte. Aber ob das diejenigen, an die sich der Film in der ganzen Welt richtet, wissen? Wie auch immer, der Arzt will erst einmal von dem, was seine Patientin Patricia raunt, nichts wissen, hält das für ihre Wahnvorstellungen, kommt dann aber nach dem Verschwinden der jungen Frau – sie ist nicht die einzige, die aus dem Ensemble von einem Tag auf den anderen verschwindet – anhand seiner Mitschriften auf eine Vermutung, die zur Gewißheit....

FORTSETZUNG FOLGT

Fotos:
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Info:
Darsteller 
Susie Bannion              Dakota Johnson
Madame Blanc             Tilda Swinton
Sara                              Mia Goth
Dr. Josef Klemperer      Lutz Ebersdorf
Patricia                         Chloë Grace Moretz
Fräulein Tanner            Angela Winkler
Fräulein Vendegast      Ingrid Caven
Anke                            Jessica Harper
Olga                             Elena Fokina
Fräulein Huller              Renée Soutendijk
Fräulein Millius             Alek Wek
Fräulein Griffith            Sylvie Testud
Fräulein Balfour           Christine Leboutte
Pavla                            Fabrizia Sacchi