Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. November 2018, Teil 12
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - Ein Herr um die 80 sucht seinen Weg durch Wien. Doch nicht SS-Obersturmbannführer Graubner, an dem sich der jüdische Slowake für den Mord an seinen Eltern rächen wollte, erscheint in der Tür, sondern dessen Sohn, der den Fremden schnell wieder loswerden will: Sein Vater sei schon tot, mehr gebe es nicht zu sagen. Mit gegenseitigen wüsten Beschimpfungen endet die Begegnung. Damit ist klar, dass sich die Männer näher kennen- und einander besser verstehen lernen werden. Regisseur Martin Šulík schickt sie auf eine Reise in die Vergangenheit.
Für ein lukratives Salär kann der pensionierte Lehrer Georg den Dolmetscher Ali überreden, ihn zu begleiten. Im Auto machen sie sich auf den Weg an Orte, an denen Georgs Vater sich im Krieg aufhielt.
Starke Gegensätze und grandiose Hauptdarsteller machen aus den beiden Alten ein liebenswert seltsames Paar. Sie liefern sich biestige Schlagabtausche, bringen sich aus der Fassung, halten nach einem Diebstahl aber auch zusammen.
Jiří Menzel, vor allem als Regisseur eine Größe im tschechischen Kino, ist der melancholische, einsilbige, vom Holocaust-Erbe und den Repressionen des Kommunismus gezeichnete Witwer, der fünf Jahrzehnte mit derselben Frau verheiratet war.
In der undankbaren Rolle des Weiberhelden, der sich nach drei gescheiterten Ehen mit jüngeren Frauen, Alkohol und albernen Späßchen vergnügt, empfiehlt sich Peter Simonischek als denkbar beste Wahl. Vor allem trifft er den richtigen Ton in heiklen Behauptungen, die leicht als anmaßend oder zynisch aufstoßen könnten.
Leidet ein Täterkind genauso wie ein Opferkind an den Narben der Vergangenheit?
Šulík begnügt sich mit keinen einfachen Antworten. Was Graubner in der Begegnung mit Gedenkstätten und den Nachkommen von Opfern bei seinen Recherchen erfährt, verschlägt ihm die Sprache. Und so wie er sich mithin den Taten seines Vaters auf eine Weise stellt, die er bis dahin abgelehnt hat und seinen Begleiter die Mitschuld slowakischer Landsleute erschüttern, gewinnt der Film an Nachdenklichkeit und Ernst. Ein sensibles, glanzvoll besetztes Senioren-Roadmovie mit bissigem Witz.
Foto:
Ali Ungár (JIŘÍ MENZEL), links + Georg Graubner PETER SIMONISCHEK
© Verleih
Info:
DER DOLMETSCHER
Ein Film von MARTIN ŠULÍK
Mit PETER SIMONISCHEK & JIŘÍ MENZEL
SVK/CZE/AUT 2018 113 Min. BW 16:9
ab 22.11.2018 im Kino
BESETZUNG
Georg Graubner PETER SIMONISCHEK
Ali Ungár JIŘÍ MENZEL
Edita ZUZANA MAURÉRY
Berta EVA KRAMEROVÁ
Truda ANNA RAKOVSKA
Kysel jung ATTILA MOKOS
Kysel alt IGOR HRABINSKÝ
Jola ANITA SZVRCSEK
Veronika RÉKA DERZSI
Pečner KAROL SIMON