Exground filmfest in Wiesbaden, 16.-25. November, Teil 3
Claudia Schulmerich
Wiesbaden (Weltexpresso) - Nicht schlecht, sich vor dem Vortrag von Jochen Range zur Lage der Menschenrechte auf den Philippinen, sich selber erst einmal schlau zu machen. Denn Thailand, Indonesien, Malaysia und noch viel mehr, das sind alles südostasiatische Staaten, die trotz Ähnlichkeiten in der geologischen Struktur des Landes, jedes für sich eine eigene Geschichte hat, die zu dem Land führt, das sie heute darstellen.
So sind die Philippinen als Inselgruppe im Pazifischen Ozean Indonesien ähnlich, beide nennen sich Republik, sind die bevölkerungsreichsten Staaten, doch sind sie geschichtlich und von der Bevölkerung sowie Sprache her sehr unterschiedlich. Indonesien und die Philippinen eint aber, daß sie in der Vergangenheit verheerende politische Verhältnisse hatten. In Indonesien war es jahrelang zu entsetzlichen Massakern an Unschuldigen gekommen, die des Kommunismus verdächtigt wurden, was der Amerikaner Joshua Oppenheimer 2012 und 2014 zu zwei eindrücklichen Dokumentarfilmen verarbeitete, in der die Aussagen der Täter und die der Opfer gegenüberstehen: The Act of Killing und The Look of Silence.
Thailand und Malaysia z.B. dagegen sind Festlandstaaten, nicht über so viele Inseln verteilt und beide Monarchien. Die Philippinen sind schon deshalb ein ganz eigener Archipel, weil sie unter spanischer Herrschaft standen und bis heute überwiegend katholisch sind, während Indonesien das Land mit dem meisten Muslimen auf der Welt ist und in Thailand und Malaysia die Buddhisten den religiösen Vorrang genießen. Alle südostasiatischen Staaten eint, daß sie durch europäische Kolonialmächte beherrscht und ausgeraubt worden sind, wobei aber die Besonderheiten der einzelnen europäischen Länder in Sprache oder Religion bis heute Einfluß auf das jeweilige Land haben.
Das nur vorneweg. Jetzt geht es allein um die Philippinen, den zweitgrößten Staat der Region, die von Amnesty International seit dem mörderischen Feldzug des gegenwärtigen Staatschefs Rodrigo Duterte - angeblich gegen Drogen - als Unrechtsstaat angeklagt werden, was man sofort unterschreibt, wenn man den dortigen mörderischen Terror von oben verfolgt.
Die Philippinen waren seit 1565 spanische Kolonie, konnten sich Ende des 19. Jahrhunderts befreien und wurde gleich darauf von den USA erneut kolonialisiert und erst nach dem 2. Weltkrieg am 14. Juli 1946 unabhängig, politisch, muß man dazusagen, denn die wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA dauerte an. Als im Jahr 1965, tatsächlich 400 Jahre nach der Eroberung durch die Spanier, der junge Ferdinand E. Marcos zum Präsidenten gewählt wurde, war Aufbruchsstimmung. Das alles machte der sich zum Diktator wandelnde Marcos zunichte, der die Opposition ermorden ließ, die nicht aufgab und 1986 Marcos zwang, nach Hawai zu fliehen., sich aber ebenfalls in den folgenden Jahren ebenfalls diskreditierte. Offiziell sind heute die politischen Strukturen demokratisch, aber der gegenwärtige Präsident Rodrigo Duerte ist nahe der Diktatur mit seinem Kampf gegen Drogendealer (Tod) und Alltagskriminalität, die aber nicht die Eigentumsverhältnisse einer stark kapitalistischen Gesellschaft mit Reichtum für wenige und Massen völlig verarmter Bevölkerung antastet. Man muß aber dazu sagen, daß das philippinische Volk mit großer Mehrheit immer noch hinter der Politik von Marcos steht.
Auf diesem Hintergrund gab Jochen Range am 22. November im Murnau-Filmtheater eine düstere Einschätzung der Lage der Menschenrechte auf den Philippinen. Seine Ausführungen waren im Detail so niederschmetternd, daß man bewundert, wie immer wieder Journalisten und Menschenrechtsaktivisten den Kampf gegen die Machthaber aufnehmen und zumindest mit Bild, Ton und Text gegen den staatlichen Terror angehen. Übrigens sieht man die brutale Gesellschaftsformation auch in den Spielfilmen abgebildet, von daher sind Spielfilme eben doch auch immer ein Spiegel der jeweiligen Gesellschaft.
Das Drama auf den Philippinen ist – wie immer – , daß mit der Maßgabe des Kampfes gegen die Drogen und Kriminalität die politische Opposition miterledigt, d.h. kriminalisiert bzw. ermordet wird. Wir wollen die einzelnen Fälle, die Jochen Range aufführte, hier nicht weitertragen, sondern die Strukturen klären, unter denen solche staatlichen Einsätze Erfolge zeigen. Da wird von oben der Polizei und Auftragskillern der Tod von Tausenden befohlen, was umgesetzt wird, denn pro Toten gibt es eine Erfolgsprämie. Amnestie hat 59 Todesfälle konkret untersucht: „Meist reicht ein fadenscheiniger ‚Beweis‘ aus, um Menschen zu töten. Denn mit Töten läßt sich Geld verdienen.“ So gaben zwei Auftragskiller an, daß ihnen die Polizei für jeden getöteten ‚Drogenabhängigen‘ (Wortgebrauch für alle Ermordeten) 5 000 philippinische Pesos (etwas 94 Euro) bezahlt hat. Geld gibt es nur für Tote, für Verhaftete nicht.
Man nennt die Formation, die ihre Mordzüge durchs Land führt, Todesschwadronen, die im übrigen Kinder genauso abschlachten wie alte Menschen und Kranke, natürlich zuvörderst Suchtabhängige und eben Arme, die potentiell dem Staat auf der Tasche liegen. Darum sagt auch Tirana Hassan, Direktorin des Krisenreaktionsteams von Amnesty International : „Das ist kein Krieg gegen die Drogen, sondern ein Krieg gegen die Armen.“ Inzwischen geht man von über 7 000 Ermordeten aus. Von den Gefolterten und in Gefängnis Dahinvegetierenden haben wir noch nicht gesprochen. Kurz gesagt, auf den Philippinen herrscht nackte Gewalt.
Wir sind froh, daß exground mit dem Schlaglicht auf die Filme von den Philippinen auch den gesellschaftspolitischen Hintergrund in Veranstaltungen liefert, denn das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Die dunklen Bilder, fast alles sind Nachtaufnahmen, empfindet man und denkt sich dann, das alles ist Ausdruck der gesellschaftlichen Repression.
P.S. Wir fanden sehr gut, daß im Foyer ein Stand von Amnesty International stand, auf dem Informationsmaterial über die Philippinen, aber auch die Erklärung der Menschenrechte zum Mitnehmen lag. Siehe obiges Foto.
Fotos:
Vortrag: MENSCHENRECHTSLAGE AUF DEN PHILIPPINEN // Lecture: human rights situation in the Philippines@ Murnau-Filmtheater
©Frank Meißner