Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. November 2018, Teil 7
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Lee Alexander McQueen wurde am 17. März 1969 in London in kleinbürgerlichen Verhältnissen geboren. Er begann früh Kleider für seine drei Schwestern zu schneidern. Dies brachte ihn auf die Idee Modedesigner zu werden, obwohl er keinen formalen Schulabschluss hatte.
Er lernte Herrenschneider bei den Traditions-Schneidern Anderson & Sheppard und Gieves & Hawkes. Nach ein paar weiteren Stationen studierte er am Central Saint Martins College of Art and Design in London, dort erhielt er 1992 einen Master of Arts. Isabella Blow, die britische Vogue-Stylistin, kaufte seine Abschlusskollektion. Später wurde sie zeitweise seine Muse und Mentorin.
Bereits 1993 gründete McQueen sein eigenes Modelabel - aus seinem Rufnamen Lee wurde aus Promotionsgründen Alexander McQueen. Neben den Kreationen für sein eigens Label arbeitete er beim Pariser Luxus Modehaus Givenchy.
Dabei stellte er sich und sein Publikum immer wieder vor neue Herausforderungen, denn seine Modeschauen sorgten für Aufsehen und seine Designs erschreckten das Publikum. Er verstand es, die Welt mit seinen häufig düsteren Kreationen zu schockieren.
Doch parallel zum Erfolg veränderte sich McQueen, er verletzte Freunde, Liebhaber und Weggefährten. Von seiner ersten Förderin Isabella Blow trennte sich McQueen 2000, ohne sie darüber zu informieren. Als sie allerdings 2007 durch Suizid starb, war er doch sehr betroffen. Alexander McQueen nahm sich einen Tag vor der Beerdigung seiner geliebten Mutter Joyce am 11. Februar 2010 das Leben. Nach seinem Tod wurde bekannt, dass er schon längere Zeit unter Depressionen und Angstzuständen gelitten hatte.
Es wurde deutlich, dass seine Kreationen das Einzige war, was ihn wirklich interessierte, aber auch dass er unter enormen Druck gestanden hat, da er sich für seine Mitarbeiter verantwortlich fühlte.
Regisseure der Dokumentation über Lee Alexander McQueen sind der Schweizer Ian Bonhôte und der Brite Peter Ettedgui, der auch das Drehbuch verfasst hat. Sie versuchen sich dem Modeschöpfer durch teilweise unveröffentlichtem Archivmaterial, durch Interviews mit Mitarbeitern und Freunden aus McQueens beruflichem Umfeld wie Sébastian Pons, dem Designer Romeo Gigli oder dem Model Jodie Kidd sowie mit Mitgliedern seiner Familie wie seiner Schwester Janet McQueen und seinem Neffen Gary James McQueen, zu einem umfassenden Porträt zu nähern. Durch Archivmaterial kamen aber auch verstorbene Personen wie McQueens Mutter Joyce oder seine Mentorin Isabella Blow zu Wort.
Die Regisseure haben den Film in einen Prolog, sechs Kapitel mit seinen bekanntesten Shows und einen Epilog aufgeteilt. Sie wollten den Film als eine Art mythisches Märchen zeigen, denn auch McQueen hat mit seinen Modenschauen derartige Bezüge hergestellt, indem er z.B. Volksmärchen der Yoruba, Dantes Inferno oder die Legende von Atlantis als Hintergrund benutzt hat. Immer aber wurden auch Episoden aus seinem eigenen Leben in die Shows eingearbeitet.
Die Kapitel sind:
Der Prolog berichtet von den Meldungen zu Lee Alexander McQueens Selbstmord.
Kapitel 1: CENTRAL ST. MARTINS COLLEGE OF ART AND DESIGN -GRADUATE COLLECTION, MÄRZ 1992 - Duke of York Barracks, Chelsea
Thema war die Geschichten von Jack the Ripper und seinen Opfern.
Kapitel 2: HIGHLAND RAPE - ALEXANDER MCQUEEN; HERBST/WINTER 1995/96, Naturhistorisches Museum, London, 12. März 1995
Lee McQueen vermutete, dass die Familie von den McQueens von der Insel Skye abstammt. Seine Kollektion bezog sich deshalb auf die Unterdrückung des McQueen-Clans durch die Engländer während der Rebellion der Jakobiner im Jahre 1745 und während der Highland Clearances im 18. und 19. Jahrhundert.
Kapitel 3: SEARCH FOR THE GOLDEN FLEECE - DEBÜTKOLLEKTION FÜR GIVENCHY, FRÜHJAHR/SOMMER 1997, Ecole des Beaux Arts, Paris, 19. Januar 1997
McQueen wurde Kreativdirektor beim französischen Modehaus Givenchy, das führte zu einem Bruch mit seiner bisherigen Mentorin Isabella Blow, die er nicht in sein Team aufnahm.
Da sich das Modehaus auch an der griechischen Mythologie orientierte nahm McQueen Geschichten wie Jason und die Argonauten in seine Entwürfe auf. Jedes Stück der Kollektion wurde in Weiß und Gold gehalten.
Kapitel 4: VOSS - ALEXANDER MCQUEEN KOLLEKTION, FRÜHJAHR/SOMMER 2001 - Victoria Bus Depot, London, 26. September 2000.
McQueen stand jetzt an der Spitze der britischen Designer. Neben seinen Kollektionen entwarf er auch Bühnenkostüme für David Bowie und für Björk.
Tom Ford, der Kreativdirektor von Gucci, wollte sich mit McQueen treffen, da Gucci eine Beteiligung an seinem Label erwerben wollte.
Voss war McQueens ambitionierteste Kollektion. Die Show wurde ein Riesenspektakel. Die Hauptthemen waren dabei Tod, Verfall und Wiedergeburt. Die Models trugen dabei z.B. Verbände über ihren Köpfen, stolperten wie betäubt von den Blitzen über die makellos weißen Fliesen und krallten sich an den Glaswänden fest.
Kapitel 5: LA DAME BLEUE - ALEXANDER MCQUEEN MIT PHILIP TREACY, FRÜHJAHR/SOMMER 2008, Palais Omnisports, Paris, 6.Oktober 2007.
Im Mai 2007 brachte sich Isabella Blow um. McQueen war - trotz der Distanz der letzten Jahre - geschockt. Deshalb wählte er für seine nächste Kollektion mit "La Dame Bleue“ eine Hommage an sie mit Kontrasten von Zartheit und Stärke, Subtilität und Extravaganz, Eleganz und Witz.
Kapitel 6: PLATO'S ATLANTIS - ALEXANDER MCQUEEN, FRÜHJAHR / SOMMER 2010, Palais Omnisports, Paris, 6.Oktober 2009.
Inzwischen hatte McQueen massive Drogenprobleme. Seine neue Show namens "Platons Atlantis“, spielte in einer Zukunft, in der durch die Erderwärmung sich das Leben unter das Wasser verlagern muss, da sonst der Untergang droht. Bei dieser Show sollte auch Lady Gagas neuste Single zum ersten Mal zu hören sein.
Der Epilog zeigt zum einen, was der Modeschöpfer hinterlassen hat und zu anderen Bilder der posthumen Kollektion "Angels and Demons".
Die beiden Regisseure sind schon vorher mit der Haute Couture in Verbindung gekommen, denn Ian Bonhôte stammt aus einer alteingesessenen Genfer Bankiersfamilie und Peter Ettedgui ist der Sohn des englischen Modeunternehmers und Designers Joseph Ettedgui.
Trotzdem sind die Modeschauen nur als Hintergrund und Zeitangaben wichtig, denn vor allem haben die beiden einen sehr persönlichen Dokumentarfilm über McQueens Bekanntschaften, seine Weggefährten aber auch über seine unangenehmen Seiten gemacht, seine Kokainsucht, seine HIV-Erkrankung, seine Selbstverliebtheit oder dass er Partner und Freunde aufgab, wenn er ihrer überdrüssig wurde oder wenn er meinte, sie nicht mehr zu brauchen. Besonders interessant ist das Filmmaterial aus der Kindheit und Jugendzeit der Familie McQueen, denn sie zeigen einen schüchternen dicklichen Jungen, der eigentlich nur ein Interesse hat. Außerdem wurde offen über die sexuellen Übergriffe von McQueens Schwager auf den Jungen gesprochen.
Der Film macht auch deutlich, dass es neben Fleiß und Talent auch einflussreicher Freunde bedarf, die ihn mit Rat, Connections und Geld unterstützten.
"Alexander McQueen – Der Film" ist ein sehr persönlicher Blick auf das außergewöhnliche Leben, die Karriere und die Kunst von Lee Alexander McQueen. Den Regisseuren ist ein nachdenkenswertes und respektvolles intimes Porträt gelungen, an dem die Familie mitgearbeitet hat. Es ist ein spannender Film entstanden, der nicht nur für Menschen aus der Modeszene, sondern auch für Modemuffel unbedingt sehenswert ist und über den der Zuschauer sicher noch einige Zeit nachdenken wird.
Foto: Alexander McQueen © Prokino Filmverleih GmbH
Info:
Alexander McQueen – Der Film (Großbritannien 2018)
Originaltitel: McQueen
Genre: Dokumentation, Biografie
Filmlänge: 111 Minuten
Regie: Ian Bonhôte und Peter Ettedgui
Drehbuch: Peter Ettedgui
Verleih: Prokino Filmverleih GmbH
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 29.11.2018