Claudia Schulmerich
Wiesbaden (Weltexpresso) – Man muß sich erst einmal zurechtschütteln, denn die großformatigen Buntfotos zu Beginn der Ausstellung im Murnau-Filmtheater sehen aus: wie im Kino. Also ob die Personen auf den Fotos von der Leinwand heruntergestiegen sind – schließlich haben wir ja in den meisten Filmen das rücksichtslose Polizeiverhalten bei der Verfolgung von Schuldigen und Unschuldigen schon gesehen, wie hier auf den Fotos, wo Männer und Frauen am Boden kauern.
Unser Verhalten zeigt, wie abgebrüht man als Zuschauer schon ist, solche Szenen zu registrieren, aber auch, wie man zusammenzuckt, wenn man registriert: hier ist kein Kino, das ist fotografierte Wirklichkeit. CAPTIONS heißen die drei Fotos von Raffey Lerma. „Hier sind Menschen“, sagt eine Stimme hinter einem Bücherregal, nachdem ein Team der Menschenrechtskommission am 27. April 2017 während eines unangemeldeten Besuchs der Polizeiwache in Tondo/Manila an die Wand geklopft hatte.
Hinter dem Bücherregal wurden in einem Verschlag von einem Meter Breite und fünf Metern Länge ein Dutzend Männer und Frauen gefunden, die eine Woche ohne Anklage dahinvegetierten, einige waren gefoltert worden, alle erpreßt worden, entweder Spitzelarbeit zu tun oder Geld zu liefern. Noch einmal: in einer offiziellen staatlichen Polizeiwache! Es ist unsäglich.
Nun zu den Filmplakaten: Die Verblüffung, die einen angesichts der 14 total professionellen Filmplakate in allen Farben ergreift, hat einen ganz einfachen Grund. Sie sind alle auf Englisch, nur manche auch mit einheimischen Wörtern gespickt. Einheimisch? Filipino ist seit 1937 Amtssprache unter 168 Sprachen, aber dies sollte eigentlich eine Mischsprache werden, in der sich aber faktisch Tagalog durchsetzte, so daß heute beide synonym verwendet werden. Viel entscheidender aber ist der Siegeszug des Englischen, das heute auch zweite Amtssprache ist. Das Fernsehen besteht zu 80 Prozent aus englischen Anteilen und nur 20 Prozent Tagalog, so daß längst eine ungute Mischung, TAGLISH genannt, entstanden ist, was wir im Deutschen mit Denglish kennen, was aber auf den Philippinen ganz andere Ausmaße erreicht.
Übrigens war bis 1967 noch Spanisch zweite Sprache in der Schule, das dann durch Englisch ersetzt wurde.
Schon witzig, wie man allein bei der Betrachtung von Filmplakaten mitten drinnen in der kolonialisierten Welt der Philippinen ist, die von sich selbst als Filipinos sprechen, was keiner der Volksgruppen entspricht, sondern die synthetische Staatszugehörigkeit meint.
Die Plakate anzuschauen ist sehr interessant, denn sie zeugen von absoluter Professionalität, was Aufmachung, graphische Gestaltung und Wiedergabe des Inhalts des Films sowie der Schauspieler angeht. Man denkt unwillkürlich an die Fünfziger Jahre in Deutschland, als Filmplakate die entscheidende Werbung für Filme waren, was ja länger anhielt, während heute zwar auch noch Filmplakate eine Rolle spielen, aber im Internet oder in den Kinos selbst.
Man schaut, das fiel mir dann auf, immer im Vergleich zu dem, was man kennt. Und da fällt auf den meisten Filmplakaten auf, daß nicht nur die berühmten Stars erwähnt werden, sondern zehn-zwanzig Namen auf dem Plakat prangen. Es gibt also eine Öffentlichkeit, die nicht nur die Filme wahrnimmt, sondern die Namen der Darsteller als Werbung verwendet.
Die meisten Plakate sind meist dunkeltönig, das fiel uns ja bei den gesichteten Filmen auch auf und man versteht es besser, wenn man die politische Dimension der Jahre, ja Jahrzehnte begreift, unter welchen Existenzängsten, buchstäblich, zu überleben, viele Menschen auf den Philippinen lebten und auch heute leben.
Foto:
Ausschnitt
Murnau-Filmtheater
©Frank Meißner
Ausschnitt
Murnau-Filmtheater
©Frank Meißner