ff exgryieldsexground filmfest in Wiesbaden, 16.-25. November, Teil 6

Claudia Schulmerich

Wiesbaden (Weltexpresso) – Kinderarbeit? Und ob! YIELD führt uns mitten hinein in diese Schufterei von Kindern in einem Alter, wo andere noch mit den Puppen spielen oder Indianerspiele veranstalten, ehe die digitale Welt mit Smartphones Kinder einfängt und sie körperlich inaktiv werden läßt.

YIELD? Schade, da hätte man doch einen Titel auf Deutsch verwenden sollen, der mit einem Wort klärt, um was es geht: um Ausbeutung, um die Kapitalisten, die der Rendite wegen heutige kulturelle Standards außer acht lassen, die Kinder Kinder sein läßt.

Hier sind wir also Jahre, ja Jahrhunderte zurück, nämlich beim Steineklopfen von Kindern, was aus verschiedenen Tätigkeiten besteht, die alle körperlich anstrengend sind – und wie wir mittendrinnen erfahren, aus bestimmten Gründen extrem gefährlich, ja tödlich. Aber das kommt erst im fortgeschrittenen Ablauf des Films.

Insgesamt sind es neun Kinder, die wir kennenlernen und über einen Zeitraum von fünf Jahren bei ihren unentwegten Plackereien, bei ihrer Ausbeutung begleiten. Der Film nennt sich ‚ethnographische Studie‘, was gleichzeitig ausdrückt, daß er eben kein sozialkritischer Film ist, das hat er sozusagen überhaupt nicht nötig, von Unrecht zu sprechen, denn er wirkt gerade durch sein schnörkelloses Dokumentieren und ein fehlendes Moralisierenals ethisches Fanal.

Wenn man die Ernsthaftigkeit in den Gesichtern der teilweise sehr kleinen Kinder sieht, mit der sie ihre Arbeit, hier das Steineklopfen, tun, erschrickt man, hält inne und versteht diese Kinder, die ihr Leben ohne Kindheit klaglos leben, weil sie in es hineingeboren wurden und nichts von der Entdeckung der Kindheit in Europa vor einigen hundert Jahren wissen.

Was ist das für ein Steinbruch, der in ästhetisch eindrucksvollem Schwarzweiß absolut fotogen ins Bild kommt? Ist es Schiefer? Nein? Ist es Basalt? Nein? Auf jeden Fall ist es ein Gestein, das mit Hilfe eines Beitels würden wir sagen, wenn es um Holz ginge, also vielleicht mit Hilfe eines Stecheisens Abspaltungen vom Gestein bewirkt, Steinbrocken, die anschließend von dicken Hämmern in Kinderhänden stundenlang, denkt man, bearbeitet werden und dabei in immer kleinere Stücke zerfallen.

Man wird Fachfrau, allein durchs Zuschauen. Für die Kinder ist es Alltag und zwar ein gemeinsamer, denn sie arbeiten nach dem Gewinnen von Abspaltungen vom Gestein im Team weiter. Nachdem die großen Steine erst in kleine gehauen und dann in eine kleinteilige Masse zertrümmert sind, werden sie in eine Schüssel gelegt und mit Wasser übergossen, mit immer mehr Wasser, bis aus Matsch eine Schlammsuppe wird, die abgegossen wird und jetzt wissen wir, was das Ganze soll: es glitzert, es wird erwärmt, es wird flüssig. Es ist Quecksilber. Quecksilber versteckt sich häufig in Hohlräumen von Gesteinen. Begehrt und wichtig und todgefährlich für die ahnungslosen Kinder, die damit umgehen. Diese Kinderarbeit dient also der Quecksilbergewinnung, so mit das Gefährlichste, ja Tödlichste, was bei Arbeiten mit Steinen denkbar ist.

Ja, wir sind ausgewichen, haben uns auf die Steine und den Hintergrund der Kinderarbeit gestürzt, weil das Zuschauen, wie diese Kinder ihre Kindheit zertrümmern, einfach kaum auszuhalten ist. Man denkt sofort weiter, denkt an die Kinder, die heute - auch der Film ist von heute und hat keine nostalgischen Züge – auch in anderen Ländern Kinderarbeit verrichten und mit kleinen feinen Mädchenhänden vor allem Kleidungsstücke zusammennähen, die zu Spottpreisen in westlichen Ländern verkauft werden, von einer Bevölkerung, die genug Geld für teurere Kleidung hätte, aber auf ihr Schnäppchenverhalten geradezu stolz ist, was große Konsumfirmen fördern. Weil es YIELD bringt, Ausbeute, Rendite, großen Gewinn.