N.N.
Nürnberg (Weltexpresso) - Ein Film von Arne Feldhusen und Mizzi Meyer, Serie & Unterhaltung, 2016, 30 Minuten, der in der Kategorie BILDUNG ausgezeichnet wurde. Synopsis: Der Tatortreiniger muss sein ganzes Können unter Beweis stellen ... Tatortreiniger Heiko Schotte ist beeindruckt: alle sind so nett in dieser Unternehmensberatungsfirma. Nur – was soll die eingebaute Uhr auf der Toilette? Schotty gerät mit Geschäftsführer Grimmehein aneinander, der ein geradezu teuflisches Vergnügen daran findet, seine Mitarbeiter an ihre Belastungsgrenze zu treiben. Schotty können dessen Psychotricks nichts anhaben. Oder doch? Hat sein Chef etwa eine Evaluation in Auftrag gegeben? Auf einmal steht Schotti vor der Frage : lieber den Job behalten oder lieber seine Würde? Und wie immer findet Schotti seine ganz eigene Antwort darauf.
Jurybegründung
„Sind Sie sicher?“ – mit dieser Frage quält Herr Grimmehein, Chef einer Unternehmensberatung und wunderbar maliziös gespielt von Sebastian Blomberg, seine Mitarbeiter und auch Tatortreiniger Schotty mit diabolischer Lust. Die Überreste von Grimmeheins Wirken haben Schotty in eine Consulting-Firma geführt – ein Mitarbeiter hat sich die Pulsadern aufgeschnitten. Schotty lernt eine Welt kennen, in der im Karrierehamsterrad strampelnde Mitarbeiter seit Nächten nicht geschlafen haben und Toilettengänge zeitlich erfasst werden. Wohlgemerkt des ganzen Teams, damit niemand den Kolleginnen und Kollegen wertvolle Zeit stiehlt. „Toilettenzeit-Gesamtkontingent“ nennt sich das, Teamwork der etwas anderen Art. Auch Schotty wird von Grimmehein verunsichert und gedemütigt – bis er schließlich den Spieß umdreht.
Die Serie „Der Tatortreiniger“ ist großartige Unterhaltung und ein singulärer Glücksfall im deutschen Fernsehen. Besetzung, Regie und Drehbücher mit ebenso intelligenten wie präzisen Dialogen – hier stimmt einfach alles. Wie die gesamte Serie lebt auch die Folge „Sind sie sicher?“ von ihrem subtil-trockenen Humor und von der skurrilen Überzeichnung. Und doch zeigt sie gleichzeitig auch ein Szenario, das stellenweise so nah an der Realität ist, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Die Alternative „Job oder Würde“ mag zugespitzt klingen, aus der Luft gegriffen ist sie keineswegs.
Artikel 1 der Menschenrechte verweist, ebenso wie das deutsche Grundgesetz, auf die Würde des Menschen. Die Folge „Sind Sie sicher?“ beweist, dass Humor auch ein großes kritisch-aufklärerisches Potenzial haben kann. Sie regt zum Nachdenken darüber an, was von der Würde des Menschen übrig bleibt, wenn Performance zum einzigen Maßstab erhoben wird. Wenn der Satz Grimmeheins „Wir sind alle Menschen“, mit dem er Consultings zu beginnen pflegt, in sein zynisches Gegenteil verkehrt wird.
Doch auch die Bildungs- und Schullandschaft ist ein Tatort, an dem Schotty gebraucht wird. Auch hier ist der Leistungsimperativ allgegenwärtig und mitunter übermächtig. Auch hier wird manchmal weniger der junge Mensch als sein „Output“ in Form von Noten gesehen. Auch hier müssen bereits Viertklässler zu Performern ihrer eigenen Bildungs- und Lebenskarriere mutieren. Ein Tatbestand, der sich im anschließenden Berufsleben nicht selten fortsetzt. Die Episode enthält eine Vielzahl an Themen, über die man ausgiebig im Unterricht und in der Jugendarbeit diskutieren kann. Und bietet Schotty nicht auch konkrete Hilfe für zukünftige Dialoge mit Vorgesetzten oder Lehrkräften? Das jedenfalls wäre lebensweltliche Kompetenzorientierung, wie sie sich kein Lehrplan schöner ausmalen könnte.
Darf man in Fragen der Menschenrechte und der Menschenwürde lachen? Im Falle des Tatortreinigers kann man diese Frage nur unbedingt bejahen.
Wir sind uns sicher: Der Tatortreiniger wird auch in der Bildungslandschaft aufräumen. Herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Menschenrechtsfilmpreis.
Foto:
Tatortreiniger
© Verleih
Info:
https://www.menschenrechts-filmpreis.de/
Preisverleihung am 8.12. in Nürnberg