Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. Dezember 2018, Teil 3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Dieser Männerfilm vom Männermann Rosa von Praunheim, der ja deshalb so heißt, weil er im Frankfurter Stadtteil gleichen Namens zu Hause war, bedient sich eines weiteren, noch berühmteren Frankfurters, der hier aber als Weimaraner zu Wort kommt. Ja, ja, das ist heute allein eine Hunderasse, aber zu Zeiten Goethes sagte man - und er auch - zu den heutigen Weimarern eben Weimaranern.
Köstlich diese Versuchsanordnung in historischen Kostümen, wenn mit Augenzwinkern die zwei Dichterheroen, die in Weimar vor dem Nationaltheater auf uns herabschauen, mal nicht als die Konkurrenten, bzw. einseitige Anbeterei seitens Schillers, der von Goethe nicht ausreichend wahrgenommen wird, hier als halbes Liebespaar uns vor Augen treten. Was heißt halbes? Wie weit muß ein Kuß gehen, bis er nicht mehr reines edles Sentiment ausdrückt, eine plötzliche Gefühlsaufwallung oder eine tiefe Freundschaftsbrust, sondern erotische Spannung die Ursache ist und Entladung erst im Kuß und dann in mehr ihre Erlösung findet?
Zuerst ist man durchaus befremdet, wenn man die bisherigen Filme von Rosa von Praunheim kennt, wie er hier mit dem Spielzeug der Verwandlung immer das Gleiche ausdrücken will. Aber es hat was, diese zuerst angestrengte, dann immer leichter werdende Suche nach den Pudels Kern im Verhältnis von Goethe und Schiller, im Verhältnis von Goethe zu Schiller und umgekehrt. Allein das Wort Verhältnis läßt uns schon innehalten, wie wundersam ist die Sprache, daß wir sie so zielgerichtet anwenden können und in jedem anderen Zusammenhang, wenn von einem Verhältnis Goethe-Schiller gesprochen wird, wir das immer nur menschlich, also geschlechtswertneutral und ohne eine erotisierende Note verstehen. Aber kaum kommt Rosa von Praunheim ins Spiel wird das gleich anders, natürlich weil er als Drehbuchschreiber, Regisseur und Produzent genau darauf abzielt.
Allerdings ist das nicht zusammengesponnen, sondern Praunheim hat eine richtige Vorlage. Robert Tobins hat sich die Frage gestellt und beantwortet: WARM BROTHERS – QUEER THEORY AND THE AGE OF GOETHE. Lustig, wie der Verleih darauf hinweist, daß hier nicht nur quergelesen, sondern 'queer' gelesen wird und vor allem 'queer' inszeniert wird. Soviel Rosa und Weiß war in Zusammenhang mit Männern schon lange nicht mehr auf der Leinwand. Was man zuerst noch lächelnd abnickt, wird zunehmend interessanter, denn natürlich ist die Geschlechterfrage zu allen Zeiten interessant und zu allen Zeiten in den Ausprägungen eine andere. Wie gut, daß der Film nur auf deutsche Klassik einschließlich der Romantik zurückgeht, denn würden erst die griechischen Verhältnisse anhand der Statuen und der netten kleinen Jungen, die mit dem Messer die Sportler abschaben und einölen, damit sie noch leichtfüssiger dahinrennen, würden man so weit zurückgehen, hätte von Praunheim noch sehr viel mehr zu erzählen.
Was der Film leistet, ist, die vielen Facetten der Homoerotik herauszufiltern. Längst gehört es ja zum Gewerbe, daß auch Literaturwissenschaftler und Historiker über solche Sachen Auskunft geben, will sagen, zu einer Literaturinterpretation gehört heute auch die Schicht hinter dem Gesagten, nämlich ob der Text etwas verbergen will, ob er etwas der Mode wegen zum Thema macht, oder ob er offen und frei von echten Gefühlen spricht und auch entsprechenden Handlungen, die es als Homosexualität auch zu Zeiten der Weimarer Klassik gab wie zu allen Zeiten davor und danach.
Daß es danach allerdings, also im 19. Jahrhundert, dem Fortschrittjahrhundert für Wissenschaft, Technik, Industrialisierung und Verstädterung für diese Spezies gelichgeschlechtlicher Liebe, vor allem, wenn es sich um Männer handelt, schwieriger wurde und gesellschaftliche Ächtung erfuhr, das wird unserer Meinung nach im Film richtig behauptet. Und daß Rosa von Praunheim nicht nur wissenschaftlich daherkommt – aber auch!! -, das darf man erwarten. Klatsch muß sein und so kommt mit oder ohne Klammer so einiges zu Tage, was Alexander von Humboldt angeht, was man auch schon woanders lesen konnte, daß es nicht nur die Neugierde auf südamerikanische Stromverläufe waren, die ihn in die Welt trieben. Sondern auch das, was Treibe treiben, oder wie soll man das bezeichnen, wenn Praunheim einen Getriebenen aus ihm macht, der es gerne weitab von Deutschland treibt.
Heinrich Heine wurde da viel deutlicher, aber unflätiger auch. Und daß auch Frauen sich gegenseitig liebten und lieben, diese Rollen dürfen die Schwester von Schopenhauer, Adele, und ihre Freundin Sibylle von Mertens besetzen.
Was einem am Anfang etwas gekünstelt vorkam, die Masken, die Perücken, das Getue und Gemache der Herrschaften, - die sich übrigens uns alle mit Namen vorstellen, sehr demokratisch, ein Who is Who ist gegeben, wer wen nicht kennt, kann selber nachschauen, - erfüllt seinen Zweck und dieses Amalgam, das entsteht, wenn Literatur mit ihren Hervorbringern vermischt wird mit wissenschaftlichen Aussagen darüber sowie Lebensbeichten der Dichter in Form von Briefen, Tagebüchern, Gedichten, das hat was.
Fotos:
© missing Films
Info:
Drehbuch, Regie, Produktion
Rosa von Praunheim
Drehbuch, Regieassistenz
Valentina Schütz
Kamera
Patrick Richter
Tonmeister
Ben Vossler
Kamera und Ton
Thomas Ladenburger, Markus Tiarks, Oliver Sechting, Markus Glahn
mit
Matthias Luckey, Valentin Schmehl, Thomas Linz, Tobias Schormann, Max Conrad, Sybille Enders, Petra Hartung, Bernhard Jarosch, Sebastian Lange, Wolfgang Mirlach, Maximilian Müller, Nils Ramme, Runa Schäfer, Willi Seibt, Jakob Turkôsek
Musik
Andreas Wolter
Schnitt & Postproduktion
Mike Shephard