Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. Dezember 2018, Teil 3

f poesiebeideClaus Wecker

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Warum gehen wir ins Kino? Oft weil wir neugierig sind und uns die Lust auf Geschichten, auf andere Lebenswelten ins Kino treibt. Und wenn uns dort eine originelle Liebesgeschichte mit faszinierenden Figuren erzählt wird, wissen wir, dass wir im richtigen Film gelandet sind. »Die Poesie der Liebe«, dieser französische Film par excellence, erzählt die Geschichte einer 45-jährigen Beziehung, in der von Anfang an die Frau die Führung übernommen hat.

Die Literaturstudentin Sarah Adelmann (Doria Tillier) sieht den Romanautor Victor de Richemont (Nicolas Bredos, der hier als Filmregisseur debütiert) in einem Nachtclub und verliebt sich sofort in ihn. Sie lässt sich von Victor abschleppen. Doch bevor er zur Tat schreiten kann, raubt ihm der übermäßig genossene Alkohol die Sinne. Während Victor seinen Rausch ausschläft, kommentiert und korrigiert Sarah das Romanmanuskript, das ihr der hoffnungsvolle Autor noch kurz vor seinem Black-out gegeben hat.

Natürlich ist Victor nicht gerade erbaut, als er am nächsten Morgen erfährt, was für eine Expertin er an Land gezogen hat. Da hilft auch Sarahs geradezu umwerfender Charme nicht weiter. Er geht nicht an sein Telefon, ruft sie nicht zurück, und sie ist verzweifelt. Erst einige Zeit später wird durch einen Zufall aus den beiden ein Paar. Der Film setzt nun zu einer Romanze an, die sich in sich hat. Es geht um Liebe und um Literatur, und auf beiden Feldern ist Sarah Victor überlegen. Sie korrigiert seine Texte, erträgt seine literarischen Schwächen und seine erotischen Eskapaden. Sie ist das Idealbild einer duldenden Frau und gleichzeitig auch deren satirische Übertreibung. Sie bekommt zwei Kinder von Victor, einen geistig zurückgebliebenen Sohn, für die beiden Intellektuellen eine herbe Enttäuschung, und eine begabte Tochter. Sie verlässt Victor mit weiblicher Konsequenz und verliebt sich erneut in ihn mit weiblicher Inkonsequenz.

Gezeigt wird dieses phantastisch überhöhte Leben und Lieben aus der Rückschau. Sarah erzählt ihre Geschichte einem jungen Mann, der die Biografie des gerade verstorbenen Autors schreiben möchte. Und schon aus ihrem Verhalten wird deutlich, dass aus der jung-verliebten Sarah eine lebenskluge Frau geworden ist, die ihre Vergangenheit mit distanziertem Blick zu schildern weiß. Nun sind sowohl die französische Literatur wie auch der französische Film voll von originellen Liebesgeschichten. Manchmal zweifelt man daran, dass es noch eine neue bemerkenswerte Variante geben könnte. Doch diesem schier unerschöpflichen Reservoir fügen die bezaubernde Dora Tillier und der sich tapfer neben ihr behauptende Nicolas Bredos – beide haben zusammen auch das Drehbuch verfasst – mit diesem Film ein weiteres eindrucksvolles Kapitel hinzu.

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