Bildschirmfoto 2018 12 27 um 10.31.11Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27. Dezember 2018, Teil 4

Jacqueline Schwarz

Berlin (Weltexpresso) - Mutige muslimische Frauen haben im Kino Konjunktur. Sie stehen für die Hoffnung, dass in ihren Gesellschaften eine wie auch immer geartete Emanzipation nicht gänzlich aussichtslos erscheint. Solche Botschaften kommen gut an. Auch, wenn es wie in den „Drei Gesichtern“ des Iraners Jafar Panahi vorerst nur Außenseiterinnen sind, die gegen patriarchalische Strukturen rebellieren.

Das türkisch-französische Regiepaar Çagla Zencirci und Guillaume Giovanetti hat mit einer jungen wilden Türkin eine besonders starke Einzelkämpferin für die Leinwand geschaffen.

Die in einem abgelegenen Bergdorf am Schwarzen Meer lebende Sibel ist von Geburt an stumm, sie kann sich nur mit Pfeiflauten verständigen. Aufgrund ihres Andersseins haben die Dorfbewohner sie ausgestoßen. Ihre „Behinderung“ verschafft der Tochter des Bürgermeisters aber auch Vorteile: Sibel muss kein Kopftuch tragen, genießt mithin Freiheiten, die ihr argwöhnische Nachbarinnen missgönnen, die nur auf einen Fehler lauern, um aus der unliebsamen Gesetzlosen eine Aussätzige zu machen.

Dabei tut Sibel alles, was ihr die ersehnte Akzeptanz eintragen könnte: Sie arbeitet emsig bei der Feldarbeit mit, kümmert sich um den Haushalt und jagt im benachbarten Wald wagemutig einen Wolf, vor dem sich alle fürchten, der aber von den Männern nur erfunden wurde, um die Frauen ans Haus zu binden.

Auf einem ihrer Streifzüge treffen ihre Schüsse versehentlich einen Deserteur, den die Polizei als „Terroristen“ sucht. Ihre erste Begegnung endet zwar noch in einem Kampf, den sie für sich entscheiden kann. Dann aber beginnt sie, den Verwundeten in einer abgelegenen Hütte zu pflegen. Er schaut ihrer Schönheit wegen anders auf sie als ihre Feinde. Plötzlich liegt eine erotische Spannung über dem Film. Immer wieder fängt die Kamera das aparte, schöne Gesicht der treffliche Hauptdarstellerin Damla Sönmez ein.

Angesichts dramaturgischer Schwächen wirkt die etwas vorhersehbare Geschichte, die mit einigen Versatzstücken an die alpenländische Geierwally erinnert, zwar nicht ganz rund, zumal sich das penetrante Pfeifen als eine zu eigenwillige-, die Geduld des Zuschauers strapazierende Drehbuchidee erweist.

Das Porträt einer zwischen archaischen Riten und modernen Einflüssen zerrissenen Gesellschaft am Rand der Paranoia aber überzeugt. Der Patriarch, der seine Tochter zur Freiheit erzogen hat, scheitert dabei ebenso an den engen Grenzen des Ehrbegriffs wie die Frauen, die ihre Geschlechtsgenossinnen zur Anpassung prügeln wollen. Aber Sibel ist nicht klein zu kriegen. Vielmehr trägt sie ihre gefürchtete Kraft in die Dorfgemeinschaft hinein.

Foto:
© Verleih

Info:
Darsteller
Damla Sönmez...................................................... Sibel
Emin Gürsoy............................................................Emin
Erkan Kolçak Köstendil......................................     Ali
Elit Iscan..................................................................Fatma
Meral Çetinkaya..................................................... Nariz