Serie: Das 9. Fernsehkrimi-Festival Wiesbaden vom 6. bis 9. März 2013, Teil 3/3
Romana Reich und Elisabeth Römer
Wiesbaden (Weltexpresso) – Sonst heißt es, die Letzten werden die Ersten sein, aber diesmal wurde der Eröffnungsfilm, der erste der zehn aus 62 Produktionen ausgesuchte und zweimal hintereinander aufgeführten Fernsehkrimis mit insgesamt 4 700 Zuschauern auch zum Gewinner des Deutschen FernsehKrimi-Preises in Wiesbaden gekürt. Den Publikumspreis erhielt BELLA BLOCK – UNTER DEN LINDEN (ZDF).
Zwei zusätzliche Sonderpreise gingen an Isabel Kleefeld für die Beste Regie für IM NETZ und an Alexander Adolph für das Beste Drehbuch für TATORT-DER TIEFE SCHLAF. Es wurde ein vergnüglicher Abend in der vollbesetzten Caligari Filmbühne, das sich mit einem Spot auf der Leinwand selber eröffnete: Man sah Läufer dahintraben, plötzlich stoppt einer, schaut zurück und sieht einen tot am Boden liegen. Dann die Information: „8 Prozent der Mordopfer werden von Joggern entdeckt!“Schnitt: „Wir finden die anderen!“ Na denn.
Ein guter Auftakt, den Moderator Ingo Zamperoni mit seinem Heimspiel fortsetzte, denn er ist ein Wiesbadener Bub und für diese Gala nicht nur durch die Tagesthemen (ARD) prädestiniert, sondern auch durch seine Mitgliedschaft im Filmclub seiner ehemaligen Wiesbadener Schule. Beim Plaudern kam so manche interessante Information rüber, wie diese, daß der Fernsehkrimi nur in Deutschland diese Bedeutung habe, daß in den USA beispielsweise kaum abendfüllende Krimis gesendet werden. Aber man konnte Zamperoni auch verblüffen. Das gelang der Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz. Erst lobte sie das diesjährige Festival: „„Der Verlauf und die Resonanz des diesjährigen FernsehKrimi-Festivals haben unterstrichen, dass diese Veranstaltung für die Filmstadt Wiesbaden von außerordentlicher Bedeutung ist. Zahlreiche Akteure der Filmbranche kamen zum Wettbewerb, der Gala und dem Begleitprogramm. Die Kooperation zwischen der Stadt Wiesbaden, der Murnau-Stiftung, der Hessischen Filmförderung und den Sendeanstalten konnte weiter ausgebaut werden. Insofern ist dieses Festival ein wichtiger Beitrag für die Vernetzung der örtlichen Filmbranche und ein Meilenstein für die Entwicklung der Filmstadt Wiesbaden.“
Dann aber antwortete Frau Scholz auf die Frage, welcher Krimi ihr persönlich am besten gefallen habe, mit BELLA BLOCK, weil ihr Hannelore Hoger immer so gut gefällt, denn sie erinnere sie an Miss Marple. Das ist diese sympathische Schreckschraube in wirklich hohem Alter und Amateurdetektivin mit dem goldenen Herzen der Agatha Christie, die Margaret Rutherford heißt. Das wollen wir der Hamburger Schauspielerin, deren Bella Block dieses Mal in Berlin zur Tat schreitet, nicht weitererzählen. Groß heraus kam auf der Bühne die Jury und das ist auch richtig, denn wie fachkundig die fünf Juroren: Gaby Goebel-Andreas vom Hessischen Landeskriminalamt (starker Auftritt!), der Regisseur Andreas Kleinert (Schimanski, Polizeiruf 110), die Schauspielerin Leslie Malton, die vielfach ausgezeichneten Krimi-Autorin Andrea Maria Schenkel sowie Ernst Szebedits von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden wirklich waren, zeigte sich beim Einzelgespräch und den Preisübergaben.
Zuvor waren die zehn Krimis in Kürzestfassungen dem Publikum noch einmal vorgestellt worden, wobei auffiel, daß der einfach sehr gute Schauspieler Ronald Zehrfeld (seit BARBARA ein Gesicht) neben dem MORD IN EBERSWALDE auch in DAS UNSICHTBARE MÄDCHEN mitgespielt hatte. Die Filme auf jeden Fall boten gute Anknüpfungspunkte für die Gespräch des Moderators mit Jury und Siegern, wie beispielsweise über die Filmfigur Gisbert Engelhardt, die Drehbuchpreisträger Adolph erfunden hatte, ein mit ungewöhnlichen Methoden agierender junger naiver Kollege (Fabian Hinrichs), der dem Tatort-Alt-Duo aus München erst auf die Nerven geht, dann den entscheidenden Tip gibt und dann das Zeitliche segnet. Das hat bis heute zu einer massiven Bewegung im Netz geführt, die alle diesen Gisbert Engelhardt wiederhaben wollen, einfach, weil ihn Adolph so gut erfunden und Fabian Hinrichs so versponnen gespielt hat.
Man hätte ihn auch hier erwarten können, diesen Gisbert, denn seine Mentoren: Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl hatten mit Adolph am Vorabend eine Diskussionsveranstaltung zu ihrem Film DER TIEFE SCHLAFund waren wie weitere Fernsehstars ebenfalls auf dieser Samstagsabendgala in Wiesbaden. Witzigerweise auch ein Filmstar, August Zirner, der aber mit seiner Band, dem SPARDOSEN TERZETT dem Publikum einheizte, wobei die einzeln perlenden Jazztöne ewig weiter durch die Caligari Filmbühne hätten wandern können. Andererseits war da die Spannung, wer erhält denn nun den Deutschen FernsehKrimi-Preis?
Unter reichlich Applaus wurde MORD IN EBERSWALDE von Stephan Wagner ausgezeichnet, ein unter die Haut gehender Krimi. Einmal gibt er den Fall eines seriellen Kindsmörders in der DDR der frühen Siebziger Jahre wieder, vergleichbar dem Fall Jürgen Bartsch Ende der 60er Jahre. Anders als dieser wurde Erwin Hagedorn mit der Todesstrafe bestraft, die an ihm das letzte Mal (Nahschuß) erfolgte, in der DDR aber totgeschwiegen wurde. Was diesen Krimi so aufregend macht, ist die ideologisch fundierte Auseinandersetzung zwischen dem eigentlich befreundeten Ermittlerteam: Volkspolizist (Ronald Zehrfeld) und Stasi-Major (Florian Panzner). Während der polizeiliche Ermittler den Zusammenhang mit dem Fall Bartsch und damit auch auf ein ähnliches Täterprofil aus ist, will der Major davon nichts wissen. Als daraufhin dieser fragt: „Was ist, wenn ein zweiter Jugendlicher ermordet wird?“, antwortet der Major: „Davor schützt uns der antifaschistische Schutzwall!“ Es wurden dann drei Morde. Mit einem Wort, hier geht es über den Krimi hinaus um eine subtile, nie plumpe Aufarbeitung der DDR-Geschichte, die ja auch unsere ist.
Im übrigen, dieser Preis gilt allen an der Produktion Beteiligten, also nicht nur den Oberen, sondern dem gesamten Team, was seine Form von 1 000 Litern erlesenen Rheingau Weins auch möglich macht. Gratulation.Und wir freuen uns auf das Deutsche FernsehKrimi-Festival 2014.