Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. Januar 2019, Teil 8
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ach, wie lebt es sich für Wanda (Caroline Peters) in Wien doch so gut. Erstens hat sie den Ehemann Harald (Simon Schwarz) zum Ex befördert, der nun erneut Vater werden wird, zweitens lebt sie mit einem Jüngeren (Marcel Mohab), drittens ist sei eine erfolgreiche Oberärztin und viertens doppelte Mutter, ihre Tochter ist 16 Jahre und eine Adoptivtochter aus Vietnam hält die Familie zusammen.
Familie? Ja, doch, aber eher sind alle gleichberechtigt und das Zusammenleben gleicht einer Wohngemeinschaft, in der Wanda der unumstrittene Guru ist, oder Gura, falls es das gäbe. Natürlich sind alle tolerant, da darf man sein, wie man will, sexuelle Konotierung ist gemeint, und natürlich sind alle gegen Rassismus, gegen die Verletzung der Menschenrechte, insbesondere die Unterordnung von Frauen unter Männer. Das schon gar nicht und wenn in dieser idealen Menschenverbindung einen etwas stört, ja geradezu auf die Nerven gehen kann, dann ist es die Vorbildlichkeit in den Parolen der Gegenwart, den verbalen Stereotypen, die die aufgeklärten Menschen hier von sich geben. Da geht es also dem Zuschauer ein wenig wie Tochter Nina (Chantal Zitzenbacher), die derart renitent gegen die vorgefundene Liberalität anrennt, daß sie das Gegenteil leben will, was die vorbildliche Mutter ihr vormacht.
Die ist clever genug, die Mutter, daß sie aufkommende Probleme bei und mit Fachleuten löst. So sitzt sie mit Nina bei einer Psychotherapeutin und erfährt zu ihrer Verblüffung, dann zu ihrem Entsetzen, daß ihre Tochter per Internet zum Islam übergetreten ist, sich Fatima nennt und Alhamdulillah auch und sich als Gläubige nun an alle Regeln des Koran halten möchte, mit dem Kopftuch angefangen. Da sehnt Wanda sogar die jüngsten Zeiten zurück, wo sie ihre Tochter noch stockbesoffen von Partys abholte und andere Scherze eines heftig pubertierendes Mädchens. Sie versucht mit allen möglichen Bestechungsversuchen finanzieller Art der Tochter ihre aufmüpfige Haltung abzukaufen, aber die durchschaut die Mutter und verhöhnt sie, will sagen, wird immer radikaler.
Den Vater mit seiner neuen Frau, die ihn katholisch heiraten will, lassen wir mal raus, es ist deutlich, daß die starke Mutter die Person ist, an der sich die Tochter abarbeitet. Das Drehbuch gibt nun Hilfestellung. Denn die neue Fatima hat eine alte Freundin, Maryam (Duygu Arslan), tatsächlich die beste Freundin, die nun verblüfft erlebt, daß die eigentliche Nina sie als Islamgläubige rechts überholt und die Vorbildmuslima gibt. Aber deren Mutter Hanife (Alev Irmak) wird nun zur eigentliche Widersacherin von Nina und damit auch zur Verbündeten der Mutter. Denn die ist wirklich gläubige Muslima, aber völlig gegen die Politisierung der Religion einschließlich der Unterdrückung von Frauen und ihrer Stigmatisierung durch Kopftücher etc. Tatsächlich ist das ein Kunstgriff, der dem Film dann so was wie eine höhere Bedeutung verleiht. Aber der Kunstgriff kann die Geschichte nicht retten.
Sicher, man kann sich das ansehen und muß auch ab und zu lachen, die Schauspieler machen ihre Arbeit, alles ist sehr bemüht, aber das Bemühte ist es genau, was einen auf den Nerv geht. Nein, das ist kein echter jungen Mensch, der hier opponiert, das sind alles mit Stereotypen ausstaffierte Menschen, die brav ihre Rollen spielen.
Daß es wichtige Themen sind, die den Film bestimmen, führt dazu, daß wir im Folgenden die Überlegungen der Regisseurin dokumentieren. Aber dies ist wieder mal ein Film, über den sich besser reden läßt, als ihn anzuschauen.
Foto:
Nina (Chantal Zitzenbacher) kann dem Schweine-Würstchen nicht widerstehen und wird dabei von ihrem Stiefbruder Till (Angelo Konzett) „erwischt“.
© Neue Visionen Filmverleih. Photo: Felipe Kolm
Shopping mal anders: Wanda (Caroline Peters) versucht, angesichts des neuen Kleidungsstils der Tochter (Chantal Zitzenbacher) cool zu bleiben.
© Neue Visionen Filmverleih
Wanda (Caroline Peters) bemüht sich um einen liebevollen Umgang mit ihrer frisch konvertierten Tochter Nina (Chantal Zitzenbacher) – und hofft, dass der Religionsspuk bald vorbei ist.
© Neue Visionen Filmverleih
Info:
Besetzung
Wanda Caroline Peters
Harald Simon Schwarz
Nina Chantal Zitzenbache
Therapeutin Emily Cox
Klara Anna Laimanee
Sissy Hilde Dalik
Elke Pia Hierzegger
Matthias Christopher Schärf
Tony Marcel Mohab
Till Angelo Konzett
Franzi Lorenz Strasser
Helga Susanne Michel
Maryam Duygu Arslan