Bildschirmfoto 2019 01 24 um 21.48.22Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. Januar 2019,  Teil 10

Karin Schiefer

Wien (Weltexpresso) - Den Fokus des Konflikts legen Sie auf den Mutter-Tochter-Konflikt. Die Männer scheinen alle entspannter, indifferenter, vielleicht unwachsamer? Zeigen Sie da in der Familie im Kleinen auch das gesellschaftliche Dilemma zwischen Reagieren und Gewähren-Lassen?

Normalerweise haben Frauen in Filmen ja irgendeine Beziehungskrise als Problem zu bewältigen, das hat mich überhaupt nicht interessiert. Wanda (in deren Haushalt Nina lebt) und Harald, Ninas Vater (der wieder heiratet), funktionieren nicht nur als Eltern gut und man fragt sich zwischendurch, warum sie sich eigentlich getrennt haben. Aber so ist das eben. Manchmal geht man auseinander, obwohl man auch gut zusammenbleiben könnte.

Wanda und Harald sind gut miteinander, ihre jeweils neuen Partner tun ihnen aber auch gut. Tony ist ein paar Jahre jünger als Wanda, er ist jemand, der selbstverständlich gendert, der sich mit Wanda den Haushalt teilt. Sie ist auch die, die als Chirurgin mehr verdient als er mit seiner Kunst. Normalerweise ist das ja schon der Hauptplot des Films, wenn der Mann jünger ist oder sie sich den Haushalt teilen.

Ich wollte Sehgewohnheiten verändern, ohne dass man das besonders wahrnimmt. Die Männer sind nicht so aktiv, weil Wanda die Protagonistin ist. Die Männer haben großartige Rollen, aber Nebenrollen – das ist man nicht so gewöhnt in Filmen. Und innerhalb der Familie ist es oft halt nicht so leicht, wenn man kein Elternteil ist, aber mit Pubertierenden lebt. Darf man was sagen, bringt das was, sich einzumischen? Welche Rolle hat man da? Tony ist schon sehr unterstützend für Wanda, aber er ist halt nicht der Vater. Er hält sich aus vielem raus, aber er sagt schon in entscheidenden Situationen, wo es ihm reicht. Harald ist auch froh, dass Wanda so eine Checkerin ist, weil er gerade das Problem hat, dass seine neue Frau ein Baby bekommt. Ich wollte sie extra nicht zu jung erzählen, um ihn nicht zu beschädigen mit diesem Klischee „älterer Mann sucht sich jüngere Frau“. Sie ist um die 40, also so jung, dass sie ein Kind mit ihm haben will, und das ist genau das, was er gar nicht mehr wollte. Gleichzeitig steht er halt sehr auf sie und macht das deshalb für sie. Es überfordert ihn, aber er macht alles mit.

Ich finde ja, den Film kann man sich öfters anschauen, weil er so viele Facetten hat, die einem nicht gleich auffallen. Gerade in den Szenen, wo viele Leute vorkommen, ist es unglaublich, was die da alle spielen. Jede einzelne Figur für sich ist so komisch, so einfallsreich, so außergewöhnlich. Ich hab den Film während des Schneidens und der Mischung so oft gesehen und ich entdecke immer noch neue, großartige Sachen.


Am Ende ist die Solidarität unter Frauen der einlenkende Faktor, der gegenüber der Religion in den Vordergrund tritt. Wo und wie sehen Sie denn einen Ausweg aus diesen religiös determinierten gesellschaftlichen/familiären Streitfragen?

Solidarität, Bildung, Feminismus – das ist im Prinzip das Rezept für alles. Ich wehre mich gegen das Argument, dass wir die Frage des Kopftuchs den Muslimen überlassen sollen. Ich setze mich auch dafür ein, dass es Rampen gibt auf Gehsteigen, ohne dass ich im Rollstuhl sitze. Wenn Frauen und Mädchen wie verhüllte Gespenster über die Straßen schleichen, während ihre Männer und Söhne in kurzen Hosen daneben herum spazieren, dann geht es nicht um freie Kleiderwahl.

Es gibt bestimmte Dinge, wo eine offene Gesellschaft klar dafür eintreten muss, wofür sie steht. Als wir die Szene gedreht haben, in der Wanda und Harald Niqab tragen, war das so klar, dass es darum geht, die Persönlichkeit von Menschen unsichtbar zu machen, ich hab sie nur mehr an den Schuhen auseinander halten können. Und das Argument der Freiwilligkeit ist ja Unsinn. Wenn man den Mädchen sagt, dass ihre Eltern in die Hölle kommen, wenn sie kein Kopftuch tragen, dann setzen sie es halt auf, freiwillig. Und jedes Mädchen, jede Frau soll’s ja auch machen dürfen, aber eben auch kennen lernen, wie es sich ohne anfühlt, wie es sich anfühlt, so zu sein wie die anderen – in der Schule eben. Kinderrechte müssen klar über Religionsrechten stehen.

Andererseits wird das Thema natürlich von den Rechten als xenophobe Hetze verwendet und nicht, weil sie für Frauenrechte eintreten. Wenn die Frauenministerin das Frauen-Volksbegehren nicht unterstützt, Frauenorganisationen ihre Subventionen streicht, aber ein Kopftuchverbot an Schulen will, dann ist das ja auch schon ein Plot für eine Komödie.


WOMIT HABEN WIR DAS VERDIENT? ist ein Film mit einer großen Anzahl an DarstellerInnen. Mit welchen Überlegungen sind Sie ans Casting Ihres Spielfilmdebüts herangegangen?

Caroline Peters war immer meine Wunschbesetzung. Sie ist großartig, ich liebe es, ihr zuzuschauen. Für die Hauptrolle der Wanda wollte ich eine Frau, die eine absolute Komödiantin ist und total wandelbar. Ich liebe französische und britische Komödien, weil ich da nicht alle gleich wieder erkenne. Das war auch ein Grund, warum ich der Hilde Dalik die Haare braun gefärbt habe. Ich liebe sie als Schauspielerin, aber ich wollte sie einmal ganz anders sehen. Und das war auch grandios, was das mit ihr und der Rolle gemacht hat. Für den Hauptcast hab ich unserer Casterin Eva Roth gesagt: ich kann mir nicht fünf Leute für eine Figur anschauen. Ich schau mir eine Person an, maximal zwei und dann verlieb ich mich in die oder nicht. Und wenn nicht, dann überleg ich mir wen anderen. Und das hat sehr gut funktioniert. Auch, weil Caroline Peters immer bei den Castings dabei war. Deshalb ist sie auch so eine wunderbare Schauspielerin, weil sie sich nicht nur dazu bereit erklärt hat, sondern weil es sie auch interessiert hat, wer ihre Tochter, ihren Ex-Mann, ihren Freund spielen wird.

So hab ich sofort gesehen, ob das funktioniert – glaub ich die als Familie oder nicht. Chantal Zitzenbacher war auch ein großer Glücksfall, sie ist eine so komödiantische junge Schauspielerin, die ja auch mit all den alten Hasen mithalten musste. Sie hatte einen Coach für all die islamischen Ausdrücke und alle ihre Fragen und hat sich schon in der Vorbereitung total reingesteigert. Simon Schwarz ist ein absoluter Liebling von mir, ich kann mich endlos über ihn amüsieren und ich finde, man hat ihn so noch nie gesehen, so erwachsen, so verzweifelt, so lustig. Marcel Mohab find ich auch so sexy und so lustig, ich war sehr glücklich, wie ich gesehen habe, dass er so gut in diese Familie passt. Ich wollte sowohl bei meiner Crew als auch bei meinem Cast nur Leute, die ihren Job super können und die ich mag. So seltsam das vielleicht klingt, aber da kann jemand noch so toll sein, wenn das menschlich nicht passt, dann will ich das nicht. Das ist einfach das Beste am Regie führen, dass ich das entscheiden kann.


Welches Publikum wünschen Sie sich?

Ein möglichst großes natürlich und ein vielfältiges. Ich wollte einen Film machen, bei dem man lachen kann und weinen und über den man nachher diskutieren kann. Wir hatten ein Testscreening, wo das Publikum gebrüllt hat vor Lachen, das war wunderbar. Danach mussten sie Fragebögen ausfüllen und in einem stand: „So einen Film erwartet man nicht aus Österreich. Er fühlt sich an wie eine französische Komödie.“ Da war ich sehr vergnügt. Genau das wollte ich.

Foto:
Wanda (Caroline Peters) und ihr Ex-Mann Harald (Simon Schwarz) fallen aus allen Wolken, als sie erfahren, dass ihre Tochter
online zum Islam konvertiert ist.
© Neue Visionen Filmverleih


Info:
Besetzung

Wanda         Caroline Peters
Harald         Simon Schwarz
Nina            Chantal Zitzenbache
Therapeutin Emily Cox
Klara           Anna Laimanee
Sissy           Hilde Dalik
Elke             Pia Hierzegger
Matthias     Christopher Schärf
Tony            Marcel Mohab
Till               Angelo Konzett
Franzi          Lorenz Strasser
Helga          Susanne Michel
Maryam      Duygu Arslan

Interview im September 2018, Abdruck aus dem Presseheft