f Weicheier1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. Februar 2019, Teil 3

N.N.

München (Weltexpresso) – „Die individuelle Machart, das Streben nach Authentizität und der Wunsch, die persönlichen Visionen der Regisseure bestmöglich umzusetzen, stehen im Zentrum jeder Produktion,“ so heißt es auf der Website der Münchner Produktionsfirma Walker+Worm Film, die 2008 von Tobias Walker und Philipp Worm gegründet wurde. Diese selbstgesteckten Vorgaben konnten die beiden HFF-Absolventen bisher schon mehrfach eindrucksvoll erfüllen, in preisgekrönten Werken wie „Finsterworld“, „Wir waren Könige“, „Picco“ oder „Sommerhäuser“. Und auch bei Anca Miruna Lăzărescus GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER, dem Eröffnungsfilm der 52. Internationalen Hofer Filmtage, verhält es sich nicht anders.

Was die Entstehungsgeschichte des Films betrifft, muss man allerdings einige Jahre, genauer gesagt sind es acht, zurückgehen. Damals fiel Regisseurin Anca Maria Lăzărescu ein 20-seitiges Treatment von Drehbuchautorin Silvia Wolkan in die Hände. Die beiden studierten zu der Zeit an der Münchner HFF und belegten gemeinsam ein Stoffentwicklungsseminar. Lăzărescu war sofort von der Grundidee überzeugt und hatte sich auch umgehend in die von Wolkan schon sehr explizit gezeichneten Figuren verliebt. Das Ganze verzögerte sich allerdings auch deshalb, weil die Regisseurin erst einmal ihr eigenes Drehbuch „Die Reise mit Vater“ ausarbeiten und realisieren wollte. Lăzărescus Langspielfilmdebüt kam dann im November 2016 in die Kinos.

SCHON DER FILMTITEL: EIN GLÜCKSGRIFF

GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER. Allein der Titel ist in seiner Widersprüchlichkeit schon ein echter Hingucker. Allerdings hieß das Projekt am Anfang noch „Das Leben meiner Schwester“. Philipp Worm weiß noch, dass „wir diesen Titel nicht gut fanden. Zusammen mit Anca und Silvia saßen wir eines Tages zusammen und haben gemeinsam über den Titel nachgedacht. Dabei sagte Silvia dann in einem Nebensatz, ihr habe ‚Das Leben meiner Schwester‘ nie gefallen. Sie hatte früher immer den Wunschtitel GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER, den sie aber nicht verwendet hat. Wir waren sofort begeistert und mögen ihn bis zum heutigen Tage immer noch sehr. Und es kommt gar nicht so oft vor, dass man in einem so frühen Stadium bereits einen Titel hat, den man super findet.“

Mit dem ZDF/Das kleine Fernsehspiel war schnell ein gewichtiger Koproduktionspartner und mit Concorde ein kompetenter Kinofilmverleih gefunden. Danach folgten die Förderanstalten FFF Bayern, Filmstiftung NRW, Nordmedia und das Kuratorium junger deutscher Film. Nur die letzten Meter auf dem Weg, die Budgetplanung abzuschließen, gestalteten sich ein wenig mühsam, für Philipp Worm allerdings nichts Ungewöhnliches: „Wie so oft bei derart speziellen Projekten, hat man sich letztendlich darauf verständigt, diesen Film mit einem sehr herausfordernden Budget zu machen. Aber da haben wirklich alle sehr problemlos mitgezogen.“

UND NOCH EIN GLÜCKSGRIFF: ELLA FREY

Schwieriger war es da schon, die geeignete Darstellerin für die Schlüsselrolle der Jessica zu finden. Denn, so weiß Tobias Walker: „In dem Alter, in dem sich Jessica befindet, sind ja oft die Eltern dafür verantwortlich, die Kinder ins Casting zu schicken. Und meist schickt man die Kinder hin, die blond, dünn und gutaussehend sind. Deswegen gibt es bei den Um-die-13-Jährigen so wenige Schauspieler, die klein und pummelig sind. Das ist Ella Frey selbstverständlich nicht, denn sie ist eine gute Sportlerin, aber sie hat auch etwas Burschikoses, was wirklich sehr selten anzutreffen ist.“

Tatsächlich meistert Ella Frey ihren Part mit Bravour. Das kommt nicht von ungefähr, denn sie hat trotz ihrer Jugend bereits in mehreren Kinofilmen mitgewirkt, darunter in „Auf Augenhöhe“ und „Das Tagebuch der Anne Frank“. Walker erinnert sich: „Wir haben in Fußballvereinen tatsächlich Kinder gefunden, die optisch durchaus gepasst hätten, aber da haperte es wieder am schauspielerischen Talent oder der Offenheit, damit vor der Kamera umzugehen. Diesbezüglich ist Ella natürlich ein absoluter Traum, und mit Hilfe von Maske und Kostüm ist sie dann noch mehr zu Jessica geworden. Sie besitzt eine wahnsinnige Kamerapräsenz. Darüber hinaus ist das auch sehr klug von ihr gespielt.“

NACH ALLEN REGELN DER KUNST: MARTIN WUTTKE

Eine weitere wichtige Position nimmt Martin Wuttke in der Rolle des Vaters ein. Für Philipp Worm keine große Überraschung: „Man merkt sofort: An seiner Figur können vor allem ältere Menschen andocken, zu dem Leid, das er durchmacht, hat jeder, der selbst Kinder hat, sofort einen Bezug. Das erwischt einen einfach auf der Gefühlsebene.“ In einer Szene geben Wuttke und Sophie Rois, die in GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER eine kleine, aber prägnante Nebenrolle als dessen Chefin spielt, eine Kostprobe ihres Könnens ab. Während sie gerade versucht, ihn nach allen Regeln der Kunst zu verführen, hat er ganz anderes im Sinn, will lediglich seinen Job als Sterbebegleiter aufkündigen. Dazu Tobias Walker: „Das Schöne an dieser absurden Szene ist, dass beide ihre Rollen in dem Moment vollkommen ernst nehmen. Das macht es erst absurd, aber trotzdem versteht man es emotional.“ Und Worm ergänzt: „Beide sind einfach traumhaft gute Schauspieler, sie gehören schon in eine ganz besondere Kategorie.“

Die Dreharbeiten zu GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER fanden vom 26. September bis zum 01. November 2017 in Bielefeld, Rinteln und Bad Salzuflen, wo im Übrigen Regisseurin Anca Miruna Lăzărescu einen Teil ihrer Kindheit und Jugend verbrachte, sowie in München statt. Da es ein sehr zeitgemäßer Film ist, gab es bei der Suche nach geeigneten Locations relativ wenige Schwierigkeiten. Zwei Motive stellten dann aber doch eine Herausforderung dar, weiß Tobias Walker: „Zum einen haben wir sehr lange nach dem Schwimmbad gesucht, denn unseres sollte unbedingt so einen gewissen 1970er Charme versprühen. Und es musste für den Dreh natürlich gesperrt werden. Das andere war die Eishalle, in der Jessicas Love Interest zu den Klängen des Bonnie Tyler-Hits „Total Eclipse of the Heart“ tanzt. Und natürlich mussten wir es erst einmal schaffen, einen frisch verstorbenen Hirsch zu organisieren.“ Diesen überfährt Martin Wuttke alias Stefan Gabriel ausgerechnet in einem seiner wenigen Momente des Glücks.

KLEINER KOSMOS – GROSSE WIRKUNG

Generell war es gar nicht so einfach, zwischen Niedersachsen und dem östlichsten Teil Nordrhein-Westfalens Filmschaffende ausfindig zu machen. Auf der anderen Seite fand es Walker einfach toll, „mit welcher Begeisterung die Menschen dort die Dreharbeiten verfolgt haben. Das kennt man von München und anderen Großstädten gar nicht mehr. Da sehen die meisten Leute nur noch Dollarzeichen und wollen abkassieren.“

Ein Vorteil, in der Provinz zu drehen, war auch, dass sich das Team in einem sehr kleinen, konzentrierten Kosmos befand. Worm blickt zurück: „Wir haben alle in einem Hotel gewohnt, es war ein wahnsinnig konzentriertes Arbeiten mit einem übersichtlichen Team. Das hat auch der Produktion total gutgetan. Aus GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER ist ein sehr intimer, warmer Film geworden, und genauso haben sich auch die Dreharbeiten weitestgehend angefühlt.“

DIE WELT WEGSCHALTEN MIT WAL-MUSIK

Und Walker fügt hinzu: „Hier wurden mit viel Engagement und abseits normaler Wege Dinge ermöglicht, die sonst nicht funktioniert hätten. Und wir saßen einfach viele Wochen lang alle jeden Morgen, Mittag und Abend zusammen. Man hat sich permanent gesehen, und glücklicherweise hat das mehr Energie freigesetzt als umgekehrt.“

Um die einzelnen Charaktere zu beschreiben, überließen die Filmemacher nichts dem Zufall. So stand bereits in Silvia Wolkans sehr detailliert ausgearbeitetem Drehbuch, dass Wuttkes Rolle des Stefan Musik mit Gesängen von Walen hört. Dazu Philipp Worm: „Wir hatten bereits in der Entwicklung eine starke Betonung der Figuren. Bei der Figur von Martin Wuttke war es so, dass er durch diese Wal-Musik in Verbindung mit seinem Kopfhörer die Welt um sich herum ein Stückweit wegschalten will und es so vermeidet, sich auf bestimmte Dinge einzulassen. Filmisch ist das eine sehr einfache, aber irrsinnig schöne Übersetzung. Und genau das macht Kino für uns auch aus.“

EIN FILM, AUCH TRAURIG, ABER SO SCHÖN!

Wenn Walker+Worm ein Projekt angehen, dann überlegen sie nicht bereits von Anfang an, wer sich den Film später ansehen soll oder für welche Zielgruppe er geeignet ist. Der Hauptansatz ist vielmehr, so Tobias Walker, „dass wir diesen Film machen, weil wir ihn selbst gerne sehen wollen.“ Im speziellen Fall von GLÜCK IST WAS FÜR WEICHEIER hat man das klassische Arthaus-Publikum im Visier, ältere Kinofans, die sich „Little Miss Sunshine“ oder „Captain Fantastic“ angesehen haben.

Abschließend Philipp Worm: „Natürlich ist unser Film auch für Menschen ohne Kinder gedacht, aber gerade Eltern, die bereits das Gröbste hinter sich haben und da mit einem anderen Auge noch mal draufblicken, trifft es noch genauer. Das wichtigste ist, dass die Emotionen funktionieren. Man soll den Film weiterempfehlen, weil er am Ende ein positives Gefühl beim Zuschauer hinterlässt, nach dem Motto: Du musst dir den Film unbedingt anschauen. Der ist zwar auch traurig, aber so schön!“

Foto:
© Verleih

Info:
BESETZUNG
Jessica Gabriel   ELLA FREY
Stefan Gabriel     MARTIN WUTTKE
Sabrina Gabriel   EMILIA BERNSDORF
Dr. Wolfgang Teuter CHRISTIAN FRIEDEL
Melanie Kranz          TINA RULAND
Horst Kranz              STEPHAN GROSSMANN
Renate Gems           SOPHIE ROIS
u.v.a.
Abdruck aus dem Presseheft