berl hollandBerlinale-Impressionen I

Jacqueline Schwarz

Berlin (Weltexpresso) - Die Berliner Tageszeitungen veröffentlichen jeden Tag ein Bärometer. In diesen Tabellen bewerten Kritiker die Wettbewerbsfilme nach Punktzahlen.

Heute musste ich beschämt mit dem Kopf schütteln angesichts der unverdient miserablen Wertung für den Film, der den Wettbewerb schon alleine mit seiner spannungsreichen Dramaturgie und Bildern voller Wucht und Tiefenschärfe trotz dunkler Ausleuchtung haushoch überragt: „Mr. Jones“ von Agnieszka Holland.

Dafür gibt es zwei Erklärungen: Entweder die Kollegen haben keine Ahnung von Kino - was ich zu deren Ehrenrettung weniger annehme - oder aber es liegen politische Gründe vor. Da das zeitlose Meisterwerk einen sehr kritischen Blick auf die Presse wirft, liegt das sogar sehr nahe.

In dem Film stehen sich zwei denkbar unterschiedliche britische Journalisten gegenüber, die es real gegeben hat: Ersterer, Gareth Jones, war ein unbestechlicher Wahrheitssucher, der kein Risiko scheute, Anfang der 1930er Jahre für seine Recherchen in der Sowjetunion eine gefährliche Reise in die Ukraine zu unternehmen und dabei monströsen stalinistischen Verbrechen auf die Spur kam, die bis heute nur unzureichend aufgearbeitet wurden. Der andere, Walter Duranty, der wider besseres Wissen stalinismusfreundliche Berichte verfasste, ist gewissermaßen der heutige Claas Relotius, nur dass er seinen unverdienten Pulitzer Preis nie zurückgeben musste.

Journalisten hören das Worte Lügenpresse nicht gerne, auch wenn einem beim Sehen dieses Films geradezu bestürzend wie Schuppen von den Augen fällt, dass es einen wahren Kern trifft- damals wie heute.

Dazu passt es, dass sich mit dem einflussreichen Blattmacher Matthias Döpfner gerade ein einsamer einflussreicher Rufer erneut zu Wort meldet, der der polnischen Filmemacherin indirekt den Rücken stärkt: In einem Interview mit der Neuen Züricher Zeitung (bezeichnenderweise in keinem deutschen Blatt!) analysiert Döpfner, wie die Unbefangenheit seines stark nach Links gerückten Berufsstandes über das Streben nach Auszeichnungen verloren gegangen ist: Wenn Journalisten und Aktivisten nicht mehr zu unterscheiden sind und es keine kritische Distanz mehr gibt zwischen einer Regierung und Medienvertretern, „dann können wir einpacken“. Recht hat er!

Zum Glück kommt oftmals am Ende doch noch die Wahrheit ans Licht wie im Fall von Gareth Jones. Ein kleiner Trost.

Agnieszka Holland erhält von mir jetzt schon einmal den Goldenen Bären!

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