Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - Nach dem morgendlichen Besuch bei der Schafhirtin Dulamjav in der einsamen mongolischen Steppe fliege ich mit der Spionin Diane Kruger nach Teheran. Später lerne ich in Mazedonien die, eher zufällige Kämpferin Petrunya gegen männlich-religiöse Vorherrschaft kennen. Am Ende des Tages erlebe ich bizarre Straßenkünstler in Kinshasa. Jeder Berlinale-Tag ist eine Reise in fremde Kulturen und deren Originalsprache - meist nur mit englischen Untertiteln - die das Empfinden des Fremden verstärkt. Um mich herum Presseleute aus der ganzen Welt, die häufig genauso schlecht und recht Englisch radebrechen wie ich. Aber immerhin, man kann sich verständigen.
Jan Josef Liefers (Tatort Münster) erklärte kürzlich in einem Interview mit mir, er könne das neue Bedürfnis nach Mauern und Grenzen nicht verstehen. Er reise sehr gerne und man käme doch niemals dümmer zurück, als man losgefahren sei. Eine schöne Metapher finde ich: Auch Kino ist wie Reisen, man kommt nie dümmer aus ihm heraus, als man hineingegangen ist.
TV-Serien und Netflix sind die zukünftigen Kino-Killer, wenn auch diese neuen Entwicklungen wohl nicht alleine für den derzeitigen Rückgang der Zuschauerzahlen in den deutschen Lichtspielhäusern - um etwa 20 % - verantwortlich sind. Es wird heftig, auch offiziell auf der Berlinale gestritten, ob eine spanische Netflix-Produktion nun wirklich in den Wettbewerb musste und im Zoo-Palast neue Serien vorgestellt werden sollten. Ähneln diese Diskussionen nicht denen in den 1920er-Jahren im Übergang vom Stumm- zum Tonfilm? Oder werden Filmtheater wirklich sterben?
Kino ist ein besonderes Gemeinschaftserlebnis - allemal auf diesem Festival. Der seit Jahren fast unveränderte Berlinale-Vorfilm - aus dem goldenen Bären werden bei sanfter elektronischer Musik viele, viele Sterne - zieht einen quasi in andere Welten hinein. Und selbst wenn es in so vielen Beiträgen auch nasskaltes oder winterliches Wetter ist wie hier vor den Türen: Im Kino reisen wir gemeinsam!
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Teona Strugar Mitveska, Regisseurin von „Petrunya“ / Diane Kruger, Spionin in „The Operative“
© Hanswerner Kruse