Macht, Sex und Gewalt  im ZDF: rund um den Papst Alexander VI.

 

von Siegrid Püschel und Hans Weißhaar

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Keine schlechte Idee, mit dem skrupellosen Papst Alexander VI. (1492-1503), aus dem spanischen Geschlecht der Borgia, eine Zeit vorzuführen, die später für Machttheoretiker wie Macchiavelli Vorbildfunktion hatte. Insbesondere Cesare Borgia hatte es ihm angetan und seine Schwester Lucrezia gerierte zur Dirne der Welt, der man unterstellte, vom Vater angefangen, es mit allen Männern, die ihr unter die Finger kamen und die Machtpotentiale besaßen, geschlafen zu haben, und sie anschließend vergiftete. Das also war eine Zeit, wo ein Papst noch 10 illegitime Kinder haben konnte, die seine gesellschaftliche und politische Macht stabilisieren sollten.

Tatsächlich ist Mär und Wahrheit schwer zu trennen, Geschichte von den Geschichten schwer zu scheiden. Aber, so sagen wir uns endlich nach dem vierten Teil: Darauf kommt es gar nicht an. Der normale Zuschauer kann die historischen Abläufe sowieso nicht verstehen, er bekommt irgendwelche abenteuerlichen Typen geboten, die in pikanten Gewändern Kriege führen, Freund und Feind an der Nase herumführen und herumgeführt werden. Der eine stirbt, da ist ein anderer schon da, um eine der Schönheiten, die in herrlichen, sehr unbequemen Kleidern sittenstreng oder liederlich uns die Renaissance zum sündigen Rom der Römer machen, sich zur Herzensdame zu küren.

 

Schade, denn allein der Beginn, das Jahr 1492 und die Papstwahl des spanischen Borgia wurde gleich verschenkt. Was war das für ein Jahr, wo die Spanische Krone, in der Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon ab 1479 gemeinsam die Geschicke Europas für die nächsten Jahrhunderte – wenn nicht bis heute – festzurrten: Der 1486 losgeschickte Christoph Kolumbus entdeckte Amerika; das Alhambra-Edikt vertrieb die spanischen Juden, die Sephardim, von der iberischen Halbinsel und die Eroberung  Granadas beendete die Reconquista, die Rückeroberung der von den islamischen Mauren, auch Sarazenen genannt, besiedelten spanischen Gebiete, denen die Verfolgung und der Herauswurf der Muselmanen folgte. Das alles geschah im Jahr 1492, wo auch Alexander VI. gewählt wurde. Besagter Borgia Papst machte für diese „Säuberung“, der durch die ebenfalls von ihnen eingeführte Inquisition Dauercharakter zukam, das spanische Herrscherpaar zu den reyes católicos, den Katholischen Königen. Spanien war Großmacht.

Davon erzählt der Film nichts. Aber wenn man nicht die Koordinaten in Form von europäischen Machtverhältnissen klipp und klar benennt, dann können auch kleine Scharmützel und die in der vierten Folge vorgeführten Kriege des Alfons II. von Aragon als König von Neapel gegen den französischen Karl VIII. gar nicht eingeschätzt werden, zumal der Papst mal diesem, mal jenem das Wort gab und sich am Ende der lachende Dritte Neapel seinem Königreich Sizilien wieder einverleiben konnte.

Verlassen wir besser die Geschichte und schauen uns die Produktion an, von der sensationsheischend erzählt wurde, daß 157 Liter Blut geflossen seien und die deutsche Mitspielerin Andrea Sawatzki, so etwas ihre Kinder nie sehen lasse würde. Dem ZDF war es wert, sich an dem rund 25 Millionen teuren und an die 400 Mitarbeiter beschäftigenden Sechsteiler mit wohl 4 Millionen zu beteiligen. Die sechsteilige Serie ist mit 600 Minuten viel zu kurz geraten, denn mit dem aufgenommenen Material hätte man längere Zeit durchspielen können, da 1573,75 Minuten Filmmaterial vorhanden seien.

 

Vor der Kamera spielten noch 126 Schauspieler aus 18 Nationen. Den Rodrigo Borgia, den Papst, gibt der Amerikaner John Doman, Juan Borgia ist Stanley Weber aus Frankreich; den unglaublich den historischen Porträts ähnelnden Cesare Borgia spielt jugendempört Mark Ryder und von den wenigen deutschen Mitwirkenden sind die Frauen hervorzuheben: die junge Russin Isolda Dychauck aus Berlin als berückende, so naiv wie raffiniert agierende, immer aber auch sinnliche Lucrezia und die tatortbewährte Andrea Sawatzki als frömmelnde und bigotte Madame.

 

Hauptsächlich wurde unter der Regie von Oliver Hirschbiegel sieben Monate in Prag gedreht, wo die Kulissen aus 500 Tonnen Holz und 43Tonnen Farbe mitsamt 300 Quadratmetern Glas erstellt wurden und auch der Vatikan einschließlich der Sixtinischen Kapelle nachgebildet wurde. Angenehmer sehen die gedeckten Tafeln aus, die mit 300 Kilogramm Obst und Gemüse, 200 Kilogramm Fleisch und etwa 3500 Brötchen bestückt gewesen sein sollen. Horrend auch der Kleidermarkt, für den 12 Kilometer Stoff für 340 Kostüme verbraucht worden sein soll.

 

Wieviele Kilometer nacktes Fleisch auf dem Bildschirm kam, wurde nicht weitergegeben. Fehlen noch die rund 150 Perücken und 4000 Kerzen, was eh nicht viel ist, für die Beleuchtung von so viel Schönheit und Scheußlichkeit. Gedreht wurde in Englisch und die TV-Produktion Borgia ist schon in mehr als 40 Länder verkauft. Alles schreit jetzt schon nach einer Fortsetzung. Denn die Quote stimmt. Die Ausstrahlungen haben nicht nur gute Filme im Ersten niedergemacht, sondern auch den Fußball auf Sat 1 auf den zweiten Platz geschoben. Nach über 5 Millionen Zuschauern bei Folge eins, hatten auch die nächsten noch weit über 4 Millionen, an dem Tag also ein Euro des ZDF pro Zuschauer! Über Fortsetzungen wird nachgedacht.

 

Aber auch nach dem Ende des sechsten Teils bleiben uns die Borgias unmittelbar erhalten. Mal sehen, wie die Serie aus den USA ankommt. Ab 9.November zeigt Pro7 DIE BORGIAS – SEX.MACHT. MORD.AMEN  als Zwölfteiler. Deren Produktion kostete 40 Millionen Dollar. Alles viel Geld für eine Familie die zwar geadelt und verpapstet dennoch Familiendramen wie DALLES  oder DER PATE rückwärts in der Renaissance vorführt.

Die Teile fünf und sechs gibt es  am Mittwoch und Donnerstag, 26. und 27. Oktober 2011 im ZDF.