f kirsch3Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. März 2019, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wer den Film KIRSCHBLÜTEN – HANAMI, vor zehn Jahren der große Erfolg von Doris Dörrie, gesehen hatte, der wird sich mit seiner ungewöhnlichen Fortsetzung schnell zurechtfinden. Alle anderen können sich getrost diesem assoziationsreichen, bunten, in rechten Maßen melancholischen, auch zärtlichen und skurrilen Filmvergnügen überlassen. Das klärt sich schon alles von selbst.

Für Erstere wird nicht nur die Erinnerung an handelnde Personen eine Rolle spielen, sondern auch Erinnerungen an die Szenenbilder hochkommen. Eigentlich wundert man sich, warum bei so so exquisiten Nachfolgefilme nicht gleichzeitig die Vorgängerfilme noch einmal aufgeführt werden. Das erledigen dann die Fernsehanstalten, zumindest wenn die Filme US-amerikanische Star Wars, Jason Bourne-Serie oder Mission: Impossible heißen, die laufend bei privaten Sendern gezeigt werden. Da haben es leise, kulturgeschichtliche verwobene Japan-Deutschlandgeschichten schwerer. Aber man muß sich nicht beklagen. Ab heute läuft der neue Film von Doris Dörrie und man kann sich mit gutem Gewissen eine Kinokarte kaufen. Ach so, die Erinnerung an die damaligen Szenen rufen die blauen Betten hervor, die Bilder, die bunte Navajodecke und das alte Tuch vom Fuji...und das Allgäu mit seinen alten Häusern und Geschichten spielt natürlich auch eine Rolle.

Der damalige Sohn Karl (Golo Euler) lebt heute in München und ist Dauertrinker, was zur Folge hat, daß seine Frau das Weite suchte und die kleine Tochter ohne ihren Vater aufwächst, der in Sehnsucht nach ihr immer mehr verwahrlost, denn er hat auch seine Arbeit verloren. So gerne denkt er an Japan - und auf einmal steht mitten in seinen Erinnerungen Yu ((Aya Irizuki) ) vor ihm. Die Japanerin hatte sich in seinem Auftrag und seiner Bezahlung in Japan um Karls Vater Rudi (Elmar Wepper) gekümmert, als dieser auf den Sehnsuchtsspuren seiner gestorbenen Frau (Hannelore Elsner) wandelte. Wo liegt Rudi begraben, wo lebte er?, will Yu nun wissen. Grab und Elternhaus im Allgäu werden besucht und die charmante Yu bringt Karl dazu, ihr Raum und Zeit zu geben für ihre japanischen Bräuche des Umgangs mit Verstorbenen, ihren Dämonen und den guten Geistern.

Denn eines ist klar: Karl muß geholfen werden und wenn es auch mit Hilfe der gestorbenen Vorfahren aus den Gräbern ist, wofür Yu ein Händchen hat. Denn jetzt auf einmal bevölkern sie die innere Welt des Rudi, er sieht sie vor sich, sie ermahnen ihn, fragen, welch Trauerkloß aus ihm geworden ist, wo denn seine Zukunftspläne sind. Im Film werden diese Erinnerungsszenen mit den Eltern, die aber Gegenwart aufnehmen, in anderen Farben, in anderem Ton, eben anders dargestellt und vom Zuschauer als lebendige Erinnerung wahrgenommen. Rudi setzt sich mit seinen Geschwistern – auch tolle Typen, wie überhaupt die damaligen Schauspieler gerne wieder mitmachten - auseinander. Das Haus verkaufen, Geld rausschlagen, Traditionen bewahren, alles so Gegensätze, die schwer vereinbar ist.

Aber eine klare Entscheidung wird für Karl ein anderen Leben bedeuten, er faßt neuen Lebensmut, Japan gehört dazu, erst recht Yu. Leben ist ein Konglomerat von Schönem und Traurigem, Schrecken und Freude. Gespenster sind schließlich auch nur dazu da, einem das Leben mit seinen Abläufen vom Werden und Vergehen, von Liebe und Verlust, der Familie als Hort und als Bande deutlicher werden zu lassen.

Weil dieser Film so viele Details zelebriert, die man hier gar nicht unterbringt, wollen wir in der Folge die vielen Gedanken der Doris Dörrie in Statements, Kommentaren und abdrucken. Aber eine Begebenheit ist wirklich übersinnlich. Es geht um die alte japanische Schauspielerin Kiki Kirin, die 1958 als junge Assistentin von Ozu in genau diesem Hotel mit ihm gedreht hatte. In der letzten Einstellung von KIRSCHBLÜTEN & DÄMONEN blickt Kiki Kirin in den Garten und singt das berühmte Lied „Gondola No Uta“ aus dem Film „Ikiru“ von Akira Kurosawa: „Verliebe dich jetzt, Mädchen, bevor deine Lippen blass werden und deine Wangen nicht mehr rot sind, denn das Leben ist kurz, und wer weiß, ob es ein Morgen gibt“. Das war ihre letzte Film-Einstellung, im September 2018 ist Kiki Kirin in Tokio gestorben.

Foto:
© Verleih

Info:
BESETZUNG

Golo Euler......................Karl
Aya Irizuki.......................Yu
Felix Eitner......................Klaus
Floriane Daniel...............Emma
Birgit Minichmayr...........Karolin
Sophie Rogall................Anita
Elmar Wepper.................Rudi
Hannelore Elsner............Trudi
Kiki Kirin.........................Yus Großmutter u.v.m.