f midsSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. März 2019, Teil 12

Rembert Brown und Jonah Hill

Berlin (Weltexpresso) - Hill: Das ist das Schöne an der Arbeit mit Eli Bush und auch Scott Rudin, der nur an harte Arbeit glaubt und seinem Geschmack vertraut, selbst wenn ein Projekt nicht so sein Ding ist. Es ist auch toll, dass Eli in meinem Alter ist und wir Freunde sind. Er versteht, was ich will, und d.h., wir können manche Kämpfe gemeinsam austragen. Das ist auch ein Grund, warum A24 und Ken Kao großartig sind. Wenn es Universal wäre, dann würden sie sagen, ich solle diesen komischen Kung Fu-Erzähler rausnehmen. Aber für mich ist das eine Botschaft für die Eingeweihten. Wir haben Raekwon den Film gezeigt.

Browne: Was?

Hill: Und er hat danach geweint.

Browne: Ich sterbe.

Hill: Der Film spricht die Emotionen an. Was schon etwas heißen soll, weil es in der Ethik von Hip Hop eigentlich verpönt ist, Gefühle zu zeigen. Vor allem Mitte der Neunziger. Also, Raekwon sieht den Film, weint und als der Abspann läuft, sagt er: „Hat mich ganz emotional gemacht, B!“. Das hatte er, glaube ich, nicht erwartet.

Browne: Gab es Dinge, die zu tun du bei der Herstellung des Films bewusst versucht hast zu vermeiden?

Hill: Unsere zwei Regeln lauteten: Kein Nostalgie-Porno und kein Skate-Porno. Es gibt zwar das perfekte T-Shirt mit Street Fighter-Schriftzug, doch wir treten das nicht breit. Das ist einfach das, was er anhat, nicht der Neunzigerfilm. Genauso ist es nicht der Skatefilm. Das ist normalerweise ein echtes Problem aller Filme, die Skateboarding darstellen. Bei uns ist es einfach nur da. Skaten gehört auf natürliche Weise dazu.

Browne: Es geht immer noch vor allem um die Figuren.

Hill: Die Freude, die es mir bereitet, wenn Leute, nachdem sie den Film gesehen haben, zu mir kamen, um mir ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Das ist so schön. Es ist das, was ich an Filmen liebe. Na-Kel ist der Filmstar, den ich immer haben wollte und nie hatte.

Browne: Ich kann nicht genug über ihn reden.

Hill: Ich fragte mich, wer ist der Filmstar, den ich mir immer gewünscht, aber nie bekommen habe? Okay, ich werde das korrigieren. Die Szene zwischen Sunny und ihm war eine der ersten, die ich geschrieben habe. Sie ist fast Wort für Wort so übernommen worden.

Browne: Die Szene, wo sie nur zu zweit sind, gegen Ende des Films?

Hill: Wo sie draußen sitzen und er sagt:„Du würdest deinen Scheiß nicht für den Scheiß anderer Leute eintauschen.“

Browne: Die meine ich.

Hill: Das war immer die Lieblingsszene der Leute. Ich glaube, das liegt daran, dass es die Szene ist, in der die Zuschauer am emotionalsten reagieren. Die Leute beteuern: „das ist die beste Szene im Film“. Aber es war auch schwierig. Denn wenn es nur eine Nuance danebengeht, dann ist es die kitschigste und lahmste Szene der Welt.

Browne: Ja, das stimmt.

Hill: Es war alles davon abhängig, einen Schauspieler zu finden, der in der Lage sein würde, frei und gefühlsbetont zu sprechen ohne einen Anflug von Kitsch. Es sollte direkt rüberkommen. Auch hatte ich verschiedene Kleinigkeiten in das Skript eingearbeitet, damit es nicht so wirkt, als würde Mr. Miyagi auftauchen und eine perfekte Rede für die Kinder halten.

Browne: „Eine besondere Episode von...“

Hill: Es war so schwer. Wenn ein Schauspieler, das für dich tut, dann bist du nur noch dankbar. Ich habe zu ihm gesagt: „Wenn du blöd rüber kommst im Film, dann schlag mich. Es gibt keinen anderen Weg, als sich verletzlich zu zeigen. Je mehr desto besser. Also entweder lassen wir es oder du gibst alles.“ Und er sagt nur: „Hab‘s verstanden.“

Browne: Verdammt.

Hill: Und nach nur zwei Takes verstummten alle. Und man war sich einig, dass er ein wirklich ernsthafter Schauspieler ist. Ich bin schon lange in der Branche. So etwas erlebt man nicht oft. Und ich versuche nichts weiter, als mit dem Drehbuch und meinen Mitteln als Filmemacher einen Rahmen zu schaffen, in dem die Kinder ihre Herzen sprechen lassen können.

Browne: Eine beschützte Umgebung.

Hill: Es geht um Sicherheit, Freiheit und Liebe sowie die Gewissheit, dass du auf die Schnauze fallen kannst und niemand verurteilt dich deswegen. 14 zu sein ist an sich schon hart genug, stell dir vor, du musst das jetzt auch noch in einem Film zur Schau stellen. Aber sie wollten sich auch gegenseitig beeindrucken, was großartig war.

Browne: Das ist cool.

Hill: Und was noch dazu kommt: Na-Kel ist einer der coolsten Skater der Welt.

Browne: Das ist er.

Hill: Also schauen die ganzen Kids zu ihm auf. Er ist ganz selbstverständlich das Alphatier in dieser Welt, weil er so ein unglaublicher Skater ist. Das heißt, Sunny ist viel aufgeregter, weil er in der Nähe von Na-Kel sein kann, als wegen mir. Ich bin ihm total egal. Dass er mit Na-Kel zusammen ist, hilft der Darstellung.

Na-Kel war ursprünglich nicht als Alphatier geplant. Aber als ich ihn und Olan hatte, habe ich sie die Rollen tauschen lassen und ihre Szenen nochmal neu geschrieben. Die Besetzung hatte Konsequenzen für das Drehbuch. Wenn ich daran denke, muss ich lächeln.

Browne: Ich wollte dich noch etwas zur Musik fragen.

Hill: Oh, bevor du fragst – Morrissey.

Browne: Erzähl mir alles.

Hill: Das Stück von Morrissey war das erste, bei dem wir die Genehmigung bekommen haben. Ich habe Briefe geschrieben an alle. Wir hatten kein sehr großes Budget für die Musik. Ich habe also Morrissey diesen Brief geschickt, und er hat geantwortet und uns das Stück gegeben. Die Szenen sind so stark an die Musik gebunden. Herbie Hancock, das war der zweitaufwendigste Dreh, die Partyszene. The Mamas & the Papas, wo sie den Hügel runter gehen, das brachte den größten Aufwand mit sich. Die Szene mit Herbie Hancock war eine Anspielung an Malice. Wenn du es weißt, dann weißt du es.

Browne: So wie die Szene mit Del Tha Funkee Homosapien als Obdachlosen.

Hill: Wenn du weißt, dass er das ist, dann fügt es dem Ganzen eine coole Ebene hinzu. Wenn nicht, dann beeinflusst es dein Erlebnis nicht im Geringsten.

Browne: Ich wollte noch fragen, ob es bestimmte Aspekte der Popkultur aus der Zeit gab, denen du die Kids aussetzen wolltest.

Hill: Wir haben ihnen keine Gadgets in die Hand gedrückt und sie mussten auch nicht BEAVIS & BUTTHEAD gucken. Ich fand, dass die Ära nicht so wichtig war. Es geht um eine Gruppe von Leuten, und die Kids müssen sich darauf konzentrieren, sich in diese Menschen zu verwandeln. Die Aktionen und Reaktionen zu verstehen, sowie den Unterschied zwischen Prahlerei und echtem Wagemut, das war das Wichtigste. Mein Team und ich würden eine Welt um sie herum errichten. Wenn die Brüder Twisted Metal spielen...

Browne: Danke dafür übrigens.

Hill: Genau. Das war ein Spiel, das ich mit meinen Freunden gezockt habe. Also dachte ich, es wäre toll, das einzubauen. Aber es ist eine intensive Szene zwischen zwei Brüdern. Es ging nicht um das 90er-mäßige daran. Ich habe ihnen trotzdem iPods mit Musik gegeben, etwas dass ich von Scorsese gelernt habe, der mir einen iPod gab, um in THE WOLF OF WALL STREET (2013) besser in meine Rolle und die Zeit rein zu finden. Ich war besorgt, dass die Kids Souls of Mischief oder The Pharcyde nicht mögen würden, aber sie mochten es.

Browne: Das gefällt mir.

Hill: Wir haben ihnen auch viele Skate-Videos von damals gezeigt. Diejenigen, die großen Einfluss auf den Film hatten. Und dann ließen wir sie alle THIS IS ENGLAND (2006) gucken. Offensichtlich ist der Film ganz anders als meiner. Aber ich fand großartig, wie jung die Hauptfigur in dem Film ist, und meine Darsteller waren auch sehr jung. Keiner fühlte sich wie ein Kleinkind, obwohl sie sehr jung waren. Ich wollte, dass sie den Ton des Films verstehen. Dass es darum geht, das wahre Leben zu zeigen, nichts zurückzuhalten und möglichst zu vergessen, dass man in einem Film spielt. Wenn du dein Leben lang Filme guckst, dann spielst du so, wie du es im Film gesehen hast. Ich habe versucht, die Interaktionen nicht wie typische Filmsituationen aussehen zu lassen.

Browne: Ich liebe das Fischauge. Da dachte ich nur: „Ja bitte!“

Hill: Wenn ich dir erzählen würde, was für ein Aufwand dahintersteckt. Diese Kameras gehen ständig kaputt. Man kann sie nachbestellen, aber sie sind von 1995. Wir wollten Kameras aus der Zeit benutzen, anstatt zu filtern. Es wurde alles adäquat realisiert, und es war großartig. Fourth Grade hat die ganze Zeit gefilmt.

Ich finde, der Film hat einen ganz eigenen Look. Super 16, 4:3. Unser Kameramann, Chris Blauvelt, hat schon mit Harris Savides gearbeitet. Ich liebe ihn und vertraue ihm. Er ist einer meiner engsten Mitarbeiter. Ich wollte, dass der Film so aussieht, als wäre er ein Relikt von 1995.

Browne: Und das hat funktioniert, aber ohne irgendwelche Instagram-Filter.

Hill: Das wollte ich gerade sagen! Wir hatten überlegt, das 16mm-Material da, wo es möglich war, mit dem Hi8-Material, dem Fischauge, zu mischen. Aber es hat nicht funktioniert. Wir haben verschiedene Kameras getestet, Alexa unter anderem, und letztlich eine Lösung gefunden, aber die dann doch fallen gelassen. Entschuldige dieses Generde, aber das ist es, worüber ich gerne spreche. Ich habe noch mit niemandem in meinem Alter über den Film geredet und empfinde unser Gespräch deshalb als sehr wohltuend (lacht).

Browne: Auch wenn ich zugeben muss, dass es mich etwas überfordert hat, freut mich das sehr. Und ich will nicht lügen. Ich schreibe gerade an meinem ersten Spielfilm. Und die Tatsache, dass es sich bei MID90s um dein allererstes Drehbuch handelt, hat mich total angespornt. Nachdem ich den Film gesehen hatte, bin ich nach Hause gegangen und habe weitergeschrieben.

Hill: Mann, das ist wirklich das Netteste, was ich je gehört habe.

Browne: Dein Film hat mir einen richtigen Energieschub verpasst.

Hill: Du bist so ein guter Autor.

Browne: Danke. Was für ein schöner Nachmittag das heute geworden ist.

Hill: Soll ich dir sagen, was bei mir die Flamme entfacht hat?

Browne: Was?

Hill: Ich habe mir mit Bennet Miller WHIPLASH (2014) angeschaut, im Angelika war das, glaube ich. Nach Verlassen des Kinos unterhalten wir uns über Damien Chazelle und Bennett sagt: „Er ist jünger als du.“ Ich kann das nicht verneinen. Darauf Bennett: „Er bringt es. Du solltest dich besser an die Arbeit machen.“

Browne: Das ist generell einer der besten Wege, um mich zu motivieren. Man muss mich bloß an jemanden erinnern der Jahrgang 1991 ist und total mitreißend.

Hill: Ich bin nach Hause gegangen und habe sofort angefangen zu schreiben. Auch das Arbeitstempo hat sich erhöht. Dass mein Film dich dahin gehend beeinflusst hat, selbst einen Film drehen zu wollen, ist wirklich das Beste überhaupt.

Browne: Es hat mich angespornt. Allein schon die Idee von Geschichten, die eine ganze Generation betreffen. Wenn du das Gefühl hast, in einer einmaligen Position zu sein, um diese Geschichten zu erzählen, die du besser verstehst als andere, und wenn du eine Plattform hast, dann solltest du dich auf keinen Fall abhalten lassen.

Hill: Ich schätze A24 deswegen so sehr, weil sie Filme einer bestimmten Größenordnung realisieren können, die nuanciert, emotional und elegant daherkommen, ohne bestimmten Schemata folgen zu müssen, um Geld einzuspielen. Und ich bin sehr dankbar dafür, weil dieser Film in den falschen Händen schlimm geworden wäre. Ich hoffe wirklich, dass du deinen Film bald realisieren kannst.

Browne: Ja, das hoffe ich auch. Was ich fragen wollte ...

Hill: Oh, kann ich noch was sagen? Nur weil ich glaube, es wird dir gefallen.

Browne: Was denn sonst?

Hill: Einer der wichtigsten Aspekte des Films für mich, ist der Versuch, Hip Hop als relevante Kunstform während unserer Jugend darzustellen. Was die Beatles für unsere Eltern waren, sind Tribe und Mobb Deep für mich. Das ist der Hintergrund, vor dem ich aufgewachsen bin. Und ich habe es häufig so empfunden, dass Hip Hop in Filmen missbraucht wird. Ich wollte deutlich machen, was für eine Bedeutung die Goldene Ära des Hip Hop auch in emotionaler Hinsicht für mich hatte. Und nicht nur für mich, sondern auch für viele Gleichaltrige.

Browne: Absolut.

Hill: Und dann Trent und Atticus für die Vertonung zu haben und das als Rahmen für meine Geschichte. Das bedeutet mir etwas.

Browne: Wie war es, mit Trent und Atticus zu arbeiten?

Hill: Oh, das ist lustig. Wir haben uns noch nie getroffen. Zwar sprechen wir jeden Tag, aber begegnet sind wir uns noch nie. Das ist wirklich zu komisch.

Browne: Das ist großartig.

Hill: Wir haben ernsthafte Gespräche. Super intensiv, super fantastisch, sie sind unglaublich. Ich habe wirklich das große Los gezogen. Die zwei wären immer meine erste Wahl gewesen. Außerdem fügt es dem Film eine weitere Ebene hinzu, weil Trent eine Ikone der Neunziger ist.

Browne: Ja.

Hill: Aber ich schlachte das nicht aus. Es ist meiner Meinung nach der ideale Soundtrack für den Film. Trent und Atticus sind einfach großartig. Sie sind so umgänglich, dabei so brillant und sie wollen kooperieren, um das Beste für den Film zu erreichen. Es ist kein Ego im Spiel.

Browne: Ich wollte gerade sagen, es ist nicht so „jetzt kommen wir, geht aus dem Weg“.

Hill: Nein. Der Soundtrack von THE SOCIAL NETWORK (2010) ist so eisig und trostlos, aber das war die Idee, weil es so passt für die Figur. Und ich hatte mich bereits gefragt, wie Trent und Atticus diese warmen schwierigen Gefühle der Nostalgie hörbar machen würden. Sie mochten das. Ich stellte mir vor, dass ihre Version von Wärme bestimmt total faszinierend klingen würde. Um ehrlich zu sein, ich bin immer noch am Staunen.

Browne: Selbst bei jemandem, der so fähig ist wie du, kann man kaum glauben, dass all das wahr geworden ist.

Hill: Ich bin sehr dankbar. Du kommst dir vor wie ein Irrer, wenn du sie fragst. Dann sagen sie zu. Und dann denkst du, es ist vielleicht doch keine so blöde Idee! Ich glaube, sie bekommen nicht so viel bezahlt, es ist schließlich nicht SUPERMAN oder STAR WARS. All das gibt dir Energie, um weiter zu machen. Und du bist total motiviert, weil du sie beeindrucken und auf keinen Fall enttäuschen willst.

Browne: Natürlich.

Hill: Es ist ja so, als würden sie mich mit unter Vertrag nehmen. Und ich habe gelernt, dass die Belohnung in meinem Leben aus Bildung besteht. Wenn ich mit Leuten arbeite, die mehr Erfahrung haben, dann ziehen sie mich mit. Es gibt keinen stärkeren Antrieb als das. Wenn du nicht lernst, trudelst du zurück nach unten ...

Ich habe die Sache so betrachtet: Erst wenn die Laster am Start sind, ist es real. „OK, wir haben ein Büro. Die Crew ist komplett anwesend. Bevor ich nicht die LKWs gesehen habe, ist es nicht echt. Es kann einfach wieder verschwinden.“

Browne: Ja.

Hill: Weiter habe ich nie gedacht. Ich hatte mir vorgestellt, den Film zu drehen wie eine Fantasie. Mir ist zum Beispiel nicht klar gewesen, wie lebensverändernd die Erfahrung des Schnitts sein würde. Und dann komme ich hierher, und sie zeigen mir das Plakat und den Trailer, und der Film wird rauskommen. Wir gehen nach Toronto, um den Film zu präsentieren. Es erscheint surreal in einem Maße, dass mir die Worte fehlen. Aber du erinnerst dich an die Nächte, wo du alleine in deiner Wohnung warst und dachtest, dass sich kein Mensch interessieren und niemand das Drehbuch lesen wird. Es ist die eine Sache in meinem professionellen Leben, auf die ich als alter Mann zurückblicken und mir dabei sicher sein werde, dass ich etwas gerissen habe. Am Anfang war es nur ein leeres Blatt Papier, jetzt gibt es ein Poster. Wenn du glaubst, es kümmert keinen oder es wird noch zwei Jahre dauern, bevor es was taugt, dann kannst du dich da durchbeißen.

Browne: Du fängst an, dich zu fragen: „Ist das wirklich die beste Art, meine Zeit zu verbringen?“.

Hill: Ja, aber das ist sie. Es sind vier Jahre meines Lebens. Das ist College. Ich habe das College abgebrochen, aber die vier Jahre endeten heute. Und es ist ein emotionaler Moment. Dein Leben ist so anders als zu Beginn. Es ist wie ein Benchmark. Du kannst kaum glauben, was in den vier Jahren alles passiert ist. Und ich war noch nie so stolz auf irgendwas. Also geh nach Hause und schreib deinen Film.

Browne: Das werde ich. Hast du je überlegt, dir selber einen Cameo-Auftritt zu gönnen?

Hill: Nein. Es sollte im Film keine Spur von mir geben. Meine Schauspielkarriere ist großartig, aber ich wollte die beiden Dinge klar trennen. Und es lag mir am Herzen, dass der Betrachter sich etwas aus den Kindern macht.

Browne: Letzte Frage, weil ich mich wirklich totgelacht habe deswegen. Es gab auf dem Papier so viele Leute die Jerrod Carmichaels Rolle hätten spielen können. Aber nachdem ich den Film gesehen hatte, war ich mir sicher, dass nur er dafür in Frage kam. Das war so eine überraschende, unglaubliche Szene. Ich finde ihn extrem witzig. Die Dynamik von fünf gegen einen ist einfach immer lustig. Fünf kleine Scheißer nehmen ihn sich vor.

Hill: Weißt du, was witzig ist? Die Rolle hatte ich ursprünglich für Prince Paul oder Biz Markie geschrieben. Ich wollte einen von ihnen oder jemand anderen aus dem Hip Hop-Kosmos, den ich verehrt habe, als ich aufwuchs. Aber andererseits wollte ich das nicht zu oft machen, auch wegen Del. Während der Proben habe ich die Rolle übernommen. Und wir hatten diese Theorie, die wir beweisen wollten, dass man Komödie wie einen Kunstfilm drehen kann. So wie 'Lacher-pro-Sekunde'-Komödie auf eine wirklich kunstvolle Weise.

Und ich dachte daran, dass Blauvelt auch bei den Filmen von Kelly Reichardt für die Kamera verantwortlich ist. Also brauchten wir einen Komödianten. Das ist die lustigste Szene im ganzen Film, es schreit nach einem Killer. Aber wir waren uns darüber im Klaren, dass es niemand zu Berühmtes sein durfte, weil das mit der Ethik des Films nicht vereinbar wäre. Aber vor allem, weil es dich aus dem Film rausschleudern würde, solltest du die Person erkennen.

Browne: In kurzen Worten: Du kannst nicht Chappelle nehmen.

Hill: Du willst eigentlich Chappelle, aber du kannst ihn nicht nehmen. Also haben wir überlegt, wer sonst noch in Frage kommt. Jemand, den wir lieben und der durch die Decke geht, aber noch nicht zu bekannt ist. Dann kamen Eli und ich auf Jerrod. Aber dann hatten wir Bedenken, dass die Zuschauer ihn erkennen würden. Trotzdem wäre jemand auf seinem Niveau mit solchen Pointen ideal. Wir brauchten einen echten Attentäter.

Browne: Das ist er wirklich.

Hill: Schließlich haben wir ihn durch ein Gitter gefilmt. Dadurch war es weniger offensichtlich. Man hatte größere Schwierigkeiten, ihn zu identifizieren und ich habe keine Großaufnahme benutzt. Er war für etwa 45 Minuten am Set und hat uns einen Riesengefallen getan. Die Outtakes sind wirklich amüsant.

Browne: Wo kam die Idee dazu her?

Hill: Mir war aufgefallen, dass afroamerikanische Sicherheitsleute und Polizisten voreingenommen sind gegenüber farbigen Skatern. Das war eine interessante Beobachtung, weil sie mir gegenüber gleichzeitig total nett waren.

Browne: „Warum versuchst du, wie ein weißer Junge rüberzukommen?“

Hill: In jedem Film gibt es einen hellhäutigen Polizisten, der sich unfreundlich und rassistisch aufführt. Was meiner Meinung nach durchaus realistisch ist. Aber mir war wie gesagt nicht entgangen, dass die afroamerikanischen Sicherheitsleute nie müde werden, ihre Meinung kundzutun: „Warum skatest du? Schwarze skaten nicht.“ Sie waren echt hart zu meinen Freunden. Deshalb sollte die Szene unterschwellig einen unangenehmen Unterton transportieren.

In einem Moment brülle ich Anweisungen rum und Jerrod haut raus: „Jesus raucht Kippen, die Bibel ist pro Zigarette“ und ich sage Na-Kel er soll fragen, was für eine Sorte. Darauf Jerrod: „Jesus raucht Kools.“ Und das war‘s. Ich habe alle nach Hause geschickt. Und was so großartig ist: Der Ton, den der Film anschlägt. Das möchte ich gerne fortführen. Zuerst passiert etwas wirklich Lustiges und im nächsten Moment wird es eklig und gewalttätig, dicht gefolgt von einer total emotionalen Szene. Einige Filmemacher haben mich davor gewarnt. Aber ich musste begeistert feststellen, dass die Zuschauer bei so einer Achterbahnfahrt der Gefühle voll mitgehen. Mein Eindruck ist, solange du das Publikum am Haken hast und sie spüren, dass es von Herzen kommt, dann bleiben sie bereitwillig bis zum Ende der Reise dabei.


P.S.
Buch & Regie Jonah Hill

Rembert Browne ist ein Autor aus Atlanta und zurzeit in New York ansässig. Während seiner Arbeit für Grantland und das New York Magazine führte er eine Reihe hochkarätiger Interviews, unter anderem mit Barack Obama, Lin-Manuel Miranda, Issa Rae und Donald Glover. Neben seinen Beiträgen für The Ringer hat er zuletzt die Titelgeschichte des Time Magazine über Spike Lee verfasst.


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Info:
MID90s
Stevie        Sunny Suljic
Dabney      Katherine Waterston
Ian              Lucas Hedges
Ray            Na-Kel Smith
Fuckshit     Olan Prenatt
Ruben        Gio Galicia
Todd          Harmony Korine

Ausführliche Besetzungsdaten

BESETZUNG

SUNNY SULJIC (STEVIE) ist ein professioneller Skater und Schauspieler, den man unter anderem in Yorgos Lanthimos' THE KILLING OF A SCARED DEER (2017), in Gus Van Sants DON'T WORRY, WEGLAUFEN GEHT NICHT (2018) sowie aktuell in Eli Roth' DAS HAUS DER GEHEIMNISVOLLEN UHREN (2018) erleben kann.

LUCAS HEDGES (IAN) ist ein professioneller Schauspieler und bekannt für Greta Gerwigs LADY BIRD (2017), Martin McDonaghs THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI (2017) sowie für Kenneth Lonergans MANCHESTER BY THE SEA (2016), der ihm eine Nominierung für den Oscar® als Bester Nebendarsteller einbrachte. Er hatte außerdem Auftritte in Wes Andersons MOONRISE KINGDOM (2012) und GRAND BUDAPEST HOTEL (2014). Dieses Jahr kommen gleich vier Filme mit ihm in die Kinos, BEN IS BACK (2018), an der Seite von Julia Roberts, Joel Edgertons DER VERLORENE SOHN (2018), der ihn mit Russell Crowe und Nicole Kidman zusammenbringt, das romantische Musical WAVES (2019) und das Drama HONEY BOY (2019), in dem er sich die Leinwand mit Shia LaBeouf teilt.

KATHERINE WATERSTON (DABNEY) erlebte ihren Durchbruch mit Paul Thomas Andersons INHERENT VICE – NATÜRLICHE MÄNGEL (2014). Aktuell kann man sie in PHANTASTISCHE TIERWESEN: GRINDELWALDS VERBRECHEN (2018) an der Seite von Johnny Depp und Eddie Redmayne bewundern. Weitere Filme mit ihr sind Danny Boyles STEVE JOBS (2015), Ridley Scotts ALIEN: COVENANT (2017) und Steven Soderberghs LOGAN LUCKY (2017). Das Drama AMUNDSEN (2019) und der Science-Fiction-Film FLUID (2019) befinden sich in der Postproduktion.

NA-KEL SMITH (RAY) ist ein professioneller Skater. Er bekam sein erstes Board von seinem Onkel Kareem Campbell, einer lebenden Skateboarding-Legende. Er skatet für Fucking Awesome, Supreme und Adidas, mit denen er auch Schuhe entworfen hat. Na-Kel ist einer der Gründer des Hip Hop-Kollektivs Odd Future, gemeinsam mit Tyler the Creator und Earl Sweatshirt. MID90s ist sein erster Spielfilm.

OLAN PRENATT (FUCKSHIT) ist in Venice Beach, Kalifornien aufgewachsen und hat bereits früh angefangen, an Skate-Wettkämpfen teilzunehmen. Olan hat die USA, Europa und Australien bereist. Er skatet für Rogue Status sowie seine Entourage, Illegal Civilization. Olan hat außerdem für Sprite, Orange Mobile, Ray-Ban, Rag & Bone, All Saints, Hugo Boss, Gucci und Versace gemodelt. MID90s stellt sein Filmdebüt dar.

GIO GALICIA (RUBEN) ist in North Hollywood, Kalifornien geboren und aufgewachsen. Er begann, mit zwölf Jahren zu skaten und schloss sich alsbald Illegal Civilization an. MID90s ist sein erster Film.

RYDER MCLAUGHLYN (FOURTH GRADE) wuchs in Moorpark, Kalifornien auf. Er fing bereits im Alter von sechs Jahren mit dem Skaten an, nachdem sein älterer Bruder ein Board mit nach Hause gebracht hatte. Ryder skatet für Illegal Civilization und drückt sich in den Bereichen Illustration, Design und Video aus. MID90s stellt sein Schauspieldebüt dar.

ALEXA DEMIE (ESTEE) hat in DIE ABENTEUER VON BRIGSBY BÄR (2017) an der Seite von Mark Hamill gespielt. Im Fernsehen konnte man sie unter anderem in RAY DONOVAN und LOVE erleben. Alexa hat eine tragende Rolle in Sam Levinsons neuer Serie EUPHORIA und spielt außerdem in dem Musical WAVES (2019) an der Seite von Lucas Hedges.

Abdruck des Interviews aus dem Presseheft