Karyn Kusama
Los Angeles (Weltexpresso) - In seinem Kern ist DESTROYER ein Film, in dem es darum geht, sich seinen Fehlern zu stellen und die mutige Entscheidung zu treffen, Verantwortung für seine Taten zu übernehmen. Innerhalb der vertrauten Parameter eines Crimethrillers und eines Polizeifilms ist es aber auch eine eindringliche Charakterstudie, eine Landkarte, die die angeschlagene, aber doch auch unverwüstliche Psyche einer LAPD Polizeibeamtin namens Erin Bell vermisst.
Die kriminelle Unterwelt, in er sie sich bewegt, wie auch die Erzählstruktur, die auf das Element der Überraschung vertraut, erinnert an Filme wie Heat („Heat“, 1995) oder Die üblichen Verdächtigen („The Usual Suspects“, 1995). Der Film offenbart aber auch einen intimen Blick in ihre Gefühlswelt, wie man das aus Genrefilmen kennt, die so unterschiedlich sind wie Taxi Driver („Taxi Driver“, 1976), Ein Prophet („Un prophète“, 2009) oder Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis („Nightcrawler“, 2014). Dank seiner komplizierten weiblichen Hauptfigur wirkt der Film moderner und relevanter und ich kann mich nicht daran erinnern, eine Figur schon einmal derart geliebt zu haben.
Look and Feel des Films spiegeln die Welt wider, in der er angesiedelt ist: eine verführerische Sinnestäuschung aus gleißendem L.A.-Sonnenlicht und träumerischen Nebelschwaden, die von der Küste ins Landesinnere ziehen, eingehüllt in eine akustische Dauerattacke aus Desert Metal aus den Neunzigerjahren und den Popkonfektionen, wie man sie heute im Top-40-Radio zu hören bekommt. Obwohl sich DESTROYER zwischen zwei klar voneinander getrennten Zeitfenstern abspielt, ist er doch vornehmlich im Los Angeles von heute angesiedelt, ein Schmelztiegel des 21. Jahrhunderts voller korrupter Anwälte und Schmalspurganoven, Waffenhändler und lokaler Prediger, schuftender Arbeiter aus der Mittelklasse und charismatischer Scharlatane. Diese riesige Stadt, verbunden durch ausufernde Autobahnsysteme und durchsetzt von Stadtvierteln, die so divers sind wie ihre Bewohner, ist wie ein Spiegel von Erin Bells zerrissener Seele: durchzogen von Geheimnissen und Lügen, immer ringend auf der Suche, was wahr und real ist in einer Landschaft sorgfältig kultivierter Oberflächlichkeiten. Die visuelle Herangehensweise an den Film soll körperlich und roh sein, und doch gibt es Momente unerwarteter Schönheit und Poesie. Die Momente der Erlösung, visuell ebenso wie moralisch, sollen selten sein, aber hart verdient.
DESTROYER zielt darauf ab, verschiedene Arten grundlegender „Zerstörer“ zu enttarnen – Geld, Gier, Hunger. Er soll aber auch die heimtückischen Seiten von Erinnerung, Verleugnung und den unaufhaltsamen Lauf der Zeit selbst offenbaren. Während die zerstörerischen Impulse der Gesellschaft auf einen apokalyptischen Gipfel zusteuern, ist es doch immer noch der eigenartige Wille einer einzelnen Person, sich selbst zu sabotieren, dessen Erforschung ich am spannendsten und menschlichsten finde. Indem wir der Selbstzerstörung von Erin Bell beiwohnen, sind wir gezwungen, unsere eigenen persönlichen „Zerstörer“ zu konfrontieren. Am Ende zahlt sie einen fürchterlichen Preis für ihre Erlösung, und doch findet sie einen inneren Frieden. Das Publikum erlebt die Spirale aus Bedauern und Scham hautnah mit, die ihre Odyssee in ihre eigene Vergangenheit antreibt. Es wird aber auch Zeuge der heldenhaften Reise einer moralisch beschädigten Figur, einer Frau, die schließlich die Entscheidung trifft, einen Fehler der Vergangenheit zu richten, koste es, was es wolle.
Als Parabel ist DESTROYER eine starke „Eine Frau gegen sich selbst“-Geschichte, ein anhaltender Schrei, dessen Geschichte, wie ich hoffe, uns allen gehört.
Foto:
"DESTROYER: Detective Erin Bell (Nicole Kidman)"
© 2018 Concorde Filmverleih GmbH
Info:
BESETZUNG
Erin Bell NICOLE KIDMAN
Silas TOBY KEBBELL
Petra TATIANA MASLANY
Chris SEBASTIAN STAN
Ethan SCOOT McNAIRY
DiFranco BRADLEY WHITFORD
Gil Lawson TOBY HUSS
Toby JAMES JORDAN
Jay BEAU KNAPP
Shelby JADE PETTYJOHN
Dem Presseheft zum Film entnommen