Claudia Schulmerich
Wiesbaden (Weltexpresso) – Zu diesem Zeitpunkt wußte das Publikum ja noch nicht, daß auch die Große Jury diesem Krimi den diesjährigen Hauptpreis – Erinnerung: 1000 Flaschen Wein – zuerkennt. Man schaute also gebannt auf die Leinwand, wo ‚the same procedure as every year“ stattfindet: alle zehn Tatorte in Ausschnitten, nämlich die zehn, die in der Woche mit Publikumsgesprächen gezeigt worden waren und aus den 70 eingereichten Fernsehkrimis vorab ausgewählt worden waren. Sie sind in unseren bisherigen Artikeln aufgeführt.
Eine interessante persönliche Note kam im Gespräch mit der – wie wir sagen – Großen Jury, die die Jury des Deutschen Fernsehkrimi-Preises ist und den Sieger unter den zehn vorausgewählten Krimis bestimmt. Diese Jury wechselt personell jährlich und nur ihre funktionale Herkunft bleibt bestehen, denn das Festival weiß gut darum, daß zu einem guten Fernsehkrimi viele Köche gehören, zuvörderst das Drehbuch, das im Film sehr oft auf einem Roman beruht, im Fernsehen übrigens nicht. Da werden eigene Geschichten erfunden und Krimiautorin (und noch viel mehr) Zoe Beck wies auf die ungeheure Bandbreite dieser Krimis hin: Da gibt es die großen Themen und Menschelndes, die Kriminalgroteske bis zum Sozialdrama. Sie sprach davon, wieviel sie von den Gesprächen über die Filme in der Jury gelernt habe, noch genauer hinzuschauen, auch auf Musik und Schnitt zu achten etc., diese Arbeit in der Jury habe auf jeden Fall ihren Horizont erweitert.
Heike Borufka ist Gerichtsreporterin des Hessischen Rundfunks und hat ihre Erfahrungen auch in einem Buch TATORT FRANKFURT niedergelegt. Sie war so angetan von der Harmonie in der Runde, die auch bei unterschiedlichen Meinungen bestehen blieb. Für sie war die Juryarbeit überaus befruchtend. Ann-Kathrin Kramer, aus dem Fernsehen sehr gut bekannt, hatte den Juryreigen eröffnet und war sich mit Oscar Hoppe, ein junger Schauspieler in Film und auf der Bühne, einig, daß gerade die Leistung junger Schauspieler heute außerordentlich sei. Benjamin Dörr als Fünfter der Jury brachte als Strafverteidiger den juristischen Sachverstand mit.
Der erste Preis, den die Jury zu vergeben hatte, ist der, der ihnen die größte inhaltliche Freiheit gibt. Es ist ein Sonderpreis für eine herausragende Leistung, wo die Jury Richtung und Empfänger des Preises selbst bestimmen kann. Das könnte auch Filmmusik sein. Ist es aber wohl nie. Die Jury befand die Regie vom Krimi FÜR IMMER UND DICH für so exzellent, daß sie Julia von Heinz auszeichnete, wobei erneut auf die Leistung der Schauspieler verwiesen wurde. Drei Preisvergaben schlossen sich an. Oscar Hoppe machte es bestimmt Spaß, als besten Schauspieler im Namen der Jury Ulrich Tukur auf die Bühne zu bitten. Dieser kann in besondere Weise ganz schön abgründige Figuren wie selbstverständlich auf der Welt agieren lassen. So auch Tatort-Murot, diesen versehrten Kriminalkommissar, der ja eigentlich aufgrund seines Hirnturmors schon tot wäre, wäre nicht mit Dietrich Brüggemann ein Drehbuchschreiber und Regisseur am Werk, der ihn Gott sei dank am Leben hält.
Tukur begrüßte die Entwicklung, will aber nur ein Murot pro Jahr, man dürfe diese Figur auch nicht überstrapazieren, die ja jedesmal in neue Fettnäpfchen tappt. Dieser Krimi lief erst vor kurzem und ich persönlich fange sofort zu lachen an, wenn ich daran denke – trotz der Leichen, die dann noch kommen. Aber lange kommt in MUROT UND DAS MURMELTIER gar nichts so richtig in Gang, denn jedesmal, wenn es für Murot brenzlig wird...wacht er aus seinem Alptraum auf. Jedesmal?! Das ist der Clou des Films. Wir mit unseren Sehgewohnheiten haken den Alptraum ab und glauben beim nächsten Mal, ‚nun in echt‘ das Geschehen zu verfolgen. Wieder wacht Munrot auf und das immer wieder. Natürlich eine Paraderolle für jeden guten Schauspieler. Und Ulrich Tukur ist ein solcher und nahm auch die Ehrung lässig, gab kund, daß ihm ge- und zerbrochene Figuren liegen, „die so zerbrechlich sind wie das Leben“ und sagte nette Worte über das Ludwigshafener Filmfestival und die Wiesbadener – ACHTUNG GO EAST kommt bald und EXGROUND im Herbst. Interessant, daß der Stoff erst einen anderen Darsteller haben sollte, der abgelehnt hatte. Wird sich wohl ärgern – hoffen wir wenigstens. Auch Tukur blies ins Horn, das Jean Gabin geschnitzt hatte: es gebe drei Dinge, die beim Filmen die wichtigsten sind: Erstens das Drehbuch, Zweitens das Drehbuch, Drittens das Drehbuch. Guter Auftritt.
Der war der als beste Schauspielerin ausgezeichneten Katrin Wichmann für ihre Rolle im Tatort „Borowski und das Glück der Anderen“ verwehrt . Sie war nicht da. Konnte nicht und gab über Video ihrer Freude Ausdruck. Auch diesen Krimi hatten wir bei der Ausstrahlung gesehen, und wie sie diese Kassiererin Peggy Stresemann so selbstverständlich in die Haut anderer schlüpfen läßt, so daß es ganz selbstverständlich wird, daß sie sich im Luxushaus der Nachbarin einrichtet und uns geradezu zu Komplizen macht bei deren Beseitigung, ist echt Spitze. Schon bei der Laudatio hörte man mit einem sechsten Sinn zu, als es hieß: „Peggy Stresemann sehnt sich nach Glück, ist unzufrieden, neidisch und gierig. Und wir alle kennen dieses Gefühl. Peggy Stresemann ist eine Suchende. Peggy Stresemann ist schlau, aber nicht klug. Sie beobachtet Menschen, sie selbst wird aber nicht gesehen.“ Das faßt auch meinen Eindruck beim damaligen Schauen in die Worte, die ich nicht gehabt hätte.
Dieses Aufmerken schlug in regelrechte Bewunderung über, als die Jury ihre Auswahl des besten Fernsehkrimis mit RUFMORD begründete. Ich kann mich nicht erinnern, je eine Preisverleihung sprachlich so bewundert zu haben und damit die Leser dies nachvollziehen können, veröffentlichen wir sie im Folgeartikel.
Fotos:
Titel: Preis „Bester Darsteller“ an Ulrich Tukur für seine Rolle in „Tatort – Murot und das Murmeltier“ (HR). Links: Schauspieler und Jurymitglied Oscar Hoppe © Martin Ohnesorge
Zoe Beck u.a.© Redaktion
Ulrich Tukur u.a.© Redaktion
Info:
Das Deutsche FernsehKrimi-Festival ist eine Veranstaltung des Kulturamtes der Landeshauptstadt Wiesbaden mit Unterstützung der HessenFilm und Medien GmbH und des Hessischen Rundfunk, in Kooperation mit dem Literaturhaus Villa Clementine, dem Medienzentrum Wiesbaden, der Friedrich-Wilhelm-MurnauStiftung, der SV SparkassenVersicherung, dem Hessischen Staatstheater Wiesbaden und dem Wiesbadener Kurier.
Der war der als beste Schauspielerin ausgezeichneten Katrin Wichmann für ihre Rolle im Tatort „Borowski und das Glück der Anderen“ verwehrt . Sie war nicht da. Konnte nicht und gab über Video ihrer Freude Ausdruck. Auch diesen Krimi hatten wir bei der Ausstrahlung gesehen, und wie sie diese Kassiererin Peggy Stresemann so selbstverständlich in die Haut anderer schlüpfen läßt, so daß es ganz selbstverständlich wird, daß sie sich im Luxushaus der Nachbarin einrichtet und uns geradezu zu Komplizen macht bei deren Beseitigung, ist echt Spitze. Schon bei der Laudatio hörte man mit einem sechsten Sinn zu, als es hieß: „Peggy Stresemann sehnt sich nach Glück, ist unzufrieden, neidisch und gierig. Und wir alle kennen dieses Gefühl. Peggy Stresemann ist eine Suchende. Peggy Stresemann ist schlau, aber nicht klug. Sie beobachtet Menschen, sie selbst wird aber nicht gesehen.“ Das faßt auch meinen Eindruck beim damaligen Schauen in die Worte, die ich nicht gehabt hätte.
Dieses Aufmerken schlug in regelrechte Bewunderung über, als die Jury ihre Auswahl des besten Fernsehkrimis mit RUFMORD begründete. Ich kann mich nicht erinnern, je eine Preisverleihung sprachlich so bewundert zu haben und damit die Leser dies nachvollziehen können, veröffentlichen wir sie im Folgeartikel.
Fotos:
Titel: Preis „Bester Darsteller“ an Ulrich Tukur für seine Rolle in „Tatort – Murot und das Murmeltier“ (HR). Links: Schauspieler und Jurymitglied Oscar Hoppe © Martin Ohnesorge
Zoe Beck u.a.© Redaktion
Ulrich Tukur u.a.© Redaktion
Info:
Das Deutsche FernsehKrimi-Festival ist eine Veranstaltung des Kulturamtes der Landeshauptstadt Wiesbaden mit Unterstützung der HessenFilm und Medien GmbH und des Hessischen Rundfunk, in Kooperation mit dem Literaturhaus Villa Clementine, dem Medienzentrum Wiesbaden, der Friedrich-Wilhelm-MurnauStiftung, der SV SparkassenVersicherung, dem Hessischen Staatstheater Wiesbaden und dem Wiesbadener Kurier.