Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. April 2019, Teil 6
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - Seine Kunst sei nutzlos, behauptet Christo. Ganz gleich, ob der bulgarisch-amerikanische Ausnahmekünstler im Team mit seiner Frau Jean-Claude den Berliner Reichstag verhüllte oder in den Bergen von Colorado einen Vorhang spannte - immer sollen seine temporären Werke nur beglücken.
Entsprechend kommt einer Dokumentation, die eines dieser flüchtigen Werke in ihrer aufwendigen Entstehung begleitet, eine besondere Bedeutung zu. Der bulgarische Filmemacher Andrey Paounov war mit der Kamera dabei, als Christo, der nach dem Tod seiner Frau Großprojekte alleine weiter betreibt, seine „Floating Piers“ im norditalienischen Iseo-See installierte. Im Sommer 2016 verbanden 16 Tage lang drei Kilometer goldorange schillernde Stege das am Ufer gelegene Örtchen Sulzano mit zwei vorgelagerten Inseln.
Die glücklichen Besucher, denen es vergönnt war, darauf zu lustwandeln, erscheinen beneidenswert. Doch „Christo-Walking on Water“ erschöpft sich nicht darin, ein sinnliches Kunsterleben zu konservieren. Vielmehr gibt der Film eine Vorstellung von den mit einem so gigantischen Unternehmen einhergehenden technischen, witterungsbedingten und politischen Hindernissen. Es erstaunt, wie der schmal und fragil wirkende 81-jährige Christo, unterstützt von seinem Neffen, beharrlich um sein Werk ringt.
Zwischen allerhand Etappensiegen und Rückschlägen führt ein unerwartet hoher Besucherandrang zum größten Problem. Bis zu 20 000 Menschen dürfen gleichzeitig auf den Stegen sein, mehr verkraften sie auf keinen Fall. Die Präfektur, die aus dem Touristenaufkommen Kapital schlagen will, dämmt jedoch erst den Zustrom ein, als der Künstler mit dem Abbruch des Projekts droht.
Ein Hauch von Wehmut kommt auf, wenn die Kamera ein letztes Mal aus der Vogelperspektive über die faszinierende Wasserinstallation schweift. Warum durfte sie eigentlich nicht dauerhaft bleiben? Die Frage stellt der ansonsten allemal anspruchsvolle Film nicht. Aber vermutlich ist das der Tribut dafür, dass Christo seine millionschweren Projekte aus eigener Tasche finanziert und darauf angewiesen ist, seine gemalten Entwürfe als Erinnerungsstücke teuer zu verkaufen.
Foto:
© Verleih
Info:
Christo - Walking on Water (Italien, USA 2018)
Genre: Dokumentation
Filmlänge: 100 Minuten
Regie: Andrey M. Paounov
Protagonisten: Christo, Vladimir Yavachev u.a.