5 Die Informantin D Fall LissabonIm Interview mit Aylin Tezel begegnen wir einer Fau, die für ihren Beruf brennt und die Menschen über Materielles stellt

Elke Eich

Berlin (Weltexpresso) - Gleich zweimal war sie im April in der ARD zu sehen und beide Filme sind noch lange Zeit in der Mediatheken abrufbar (siehe Infos): Aylin Tezel als etablierte, wenn auch bald scheidende Dortmunder Tatort-Kommissarin und zum zweiten Mal als "Die Informantin".

16 Tatort InfernoIn der Fortsetzung "Der Fall Lissabon" des Thriller-Formats  "DIE INFORMANTIN - wird die namensgleiche Aylin, eine mittlerweile stabile Jurastudentin, vom LKA erneut zu verdeckten Ermittlungen genötigt. Wir erinnern uns: Nach ihrem Einsatz im ersten Teil des Formats musste sie in ein Zeugenschutzprogramm.
 
Im Dortmunder TATORT "INFERNO" klärt sie als Kommissarin Nora Dalay mit ihren Kollegen einen ihrer letzten Fälle auf, der sie an die Grenzen der psychischen Belastbarkeit bringt: Es geht um den Tod einer unter einer Plastiktüte erstickten Klinikärztin.
 
Zum Inhalt von "Die Informantin - Der Fall Lissabon":
 

Zeugenschutzprogramm in Wien hin oder her - was soll's: Die Informantin ist wieder zurück - mitten in Berlin und mitten drin in einem neuen verdeckten LKA-Ermittlungsschlamassel. Der Staranwalt Engelhardt (Stefan Kurt) soll diversen krimineller Machenschaften zur Finanzierung von Terrorzellen überführt werden.

Die aufgrund einer Anklage wegen Gewalttätikeit hochgradig erpressbare Jurastudentin Aylin (Aylin Tezel), die früher mit Einnahmen als Begleiterin gut zahlender Männer ihr Studium finanzierte, ist die Ermittlungswaffe der Wahl, um das zu übernehmen. Das Kalkül: Sie ist forsch, im juristischen Metier beschlagen und zudem äußerst attraktiv. Da werden der mit allen Wassern gewaschene Anwalt und vor allem sein Sohn Alex (Franz Dinda) wohl anbeißen. 
               

11 Die Informantin D Fall Lissabon14 Die Informantin D Fall LissabonDie erpressbare Aylin (die Rolle!!!) bildet den unberechenbaren Eckpfeiler des aufgrund "persönlicher Verquickungen" (so Tezel), äußerst spannungsgeladen interagierenden LKA-Ermittler-Trios, zu dem zwei Profis gehören: Ihr Ex- und Bald-Wieder-Lover Jan (Ken Duken), ein früher selbst verdeckt ermittelnder Kriminaler, der für seine Tätigkeit an Überwachungsmonitoren keine Leidenschaft zu entwickeln vermag, und dessen Chefin und Noch-Immer-Schwiegermutter Hannah (Suzanne von Borsody). Aylin ist wieder in ihrer Stadt, inkognito natürlich (was allerdings dramaturgisch nicht schlüssig ist, wegen der Notwendigkeit ihres Zeugenschutzprogramms - aber sei es drum!)

7 Die Informantin D Fall Lissabon

2 Die Informantin D Fall LissabonAyllins Schwester Elif (Pegah Ferydoni) spielt eine wichtige und emotionalisierende Rolle im Plot - als zuverlässige Ziehmutter von ihrer Tochter.

Der Sohn des Anwalts verliebt sich erwartungsgemäß in die Informantin, und ihr Einsatz im Umfeld des Rechtsanwalts liefert die Beweise für dessen schmutzigen Aktivitäten. Doch die Gegner aus dem terroristischen Milieu, die den Anwalt erpressen, bedeuten natürlich höchste Gefahr für alle Ermittler.

Beide Fotos: © ARD Degeto/Conny Klein, "2 - Die Informantin"
links: Pegah Ferydoni ("Die defekte Katze") und Carla Demmin                                    rechts: Suzanne von Borsody, Aylin Tezel und Ken Duken


Treffpunkt Berlin / Prenzlauer Berg - am Tag, als Greta Thunberg in der Hauptstadt ist


Die Atmosphäre im Büro der PR-Agentur, die den Film "Die Informantin" betreut, ist entspannt und fast schon familiär. Ken Duken ist noch auf dem Weg dorthin. Eine MakeUp-Expertin steht bereit, um die beiden Hauptdarsteller für die geplanten Fotoshootings einiger Medien herzurichten und gibt in der Wartezeit Tipps, wie man Lippenstifttöne aus zugeschnittenen Stücken in einem Kasten mit vielen Fächern individuell mischt.
Die wunderschön morbide Hinterhoffassade vor der bekannten "DOCK 11"-Tanzetage in der Kastanienallee ist ein absoluter Hingucker. Die Cashewkerne schmecken köstlich, der grüne Tee ist eine Labsal und DIE Nachricht des Tages in Berlin ist natürlich der Enthusiasmus junger Menschen, die gegen Ignoranz in Punkto Klimawanden ankämpfen.                              

Es ist der große Tag, an dem Greta Thunberg in Berlin ist und noch größere Scharen von Menschen als ohnehin schon üblich zur Teilnahme an der FridaysForFuture-Demonstration motiviert. - Der Chauffeur der UFA Fiction, die das Format für die Degeto produziert, wird mit Ken Duken auf dem Rücksitz durch den großen Verkehrsstau entsprechend ausgebremst. Dafür gibt es mehr Zeit mit Aylin. Ein angenehmer Nebeneffekt!


Familiäre Förderung und individuelle Fortbildungen statt Abschluss an der Ernst-Busch

Die auch tänzerisch sehr versierte Schauspielerin ist tatsächlich schon 35, was man definitiv nicht vermuten würde. Ihre frische, direkte und unkomplizierte Art trägt neben ihrem Aussehen sicher eine Menge dazu bei, dass sie so jung wirkt.      

In Bünde geboren, wuchs Aylin Tezel mit zwei Geschwistern in Bielefeld-Sennestadt auf, als Tochter eines türkischen Gynäkologen und einer deutschen Kinderkrankenschwester. Nahezu organisch wuchs Aylin, die seit früher Kindheit von ihrer Mutter in ihren Begabungen gefördert wurde, in das Künstlerische rein.

Nach dem Abitur begann sie sogar gleich mit ihrem Schauspielunterricht an der heiß begehrten und handwerklich orientierten Berliner „HfS Ernst Busch“. Den brach sie aber anderthalb Jahr später ab: Dem Vernehmen nach, soll ihr der zu theoretisch gewesen sein. Danach, wieder in Bielefeld lebend, lag für sie erst mal wieder der Fokus auf dem Tanz, und Aylins weiterer Weg ging über Tanz- und Schauspielfortbildungen.


Offenheit für eine Vielfalt an Figuren und Freude an internationalen Projekten

Wie die meisten Schauspieler liebt sie es, in unterschiedlichste Rollen zu schlüpfen: Ob nun als Aschenputtel in einem Märchenfilm, als ungewollt schwangere Jugendliche, die am bewussten Umgang mit der Totgeburt ihres Kindes reift („Am Himmel der Tag“ ist eine Perle in ihrer Karriere!), als trotzige Serien-Kommissarin im heimatlichen Ruhrpott, im komödiantischen Genre an der Seite von Christian Ulmen oder Katja Riemann, als unbezähmbare Undercover-Frau wider Willen oder arglose Ehefrau eines in Kettenreaktion mordenden Polizisten (Albrecht Schuch) in "Der Polizist und das Mädchen" (ein fantastischer Film von Rainer Kaufmann!) oder als entlaufene Nonne in einem Biopic über Martin Luther - um nur einige Beispiele zu nennen.

Auch in einem Zweiteiler, den die ARD bereits jetzt als eines der TV-Highlights in 2019 handelt, wird Aylin Tezel Ende des Jahres zu sehen sein: In "Der Club der singenden Metzger" spielt sie eine Hamburger Zirkusartistin, die in den 20iger Jahren mit ihrem Vater für eine bessere Zukunft nach Amerika auswandert, wo sie dann aber, so die Darstellerin, "auch nicht reinpassen".

Aylin Tezel wirkt auf jeden Fall nicht wie eine Frau, die auf Biegen und Brechen irgendwo reinpassen will. Eher scheint sie eine Person zu sein, die offen und neugierig ist, sich kreativ entfalten möchte und auf vielen Ebenen künstlerische Erfüllung sucht. Nationale und kulturelle Beschränkungen sind nicht ihr Ding. Sie hat zwar nicht, wie ihr Kollege Ken Duken, eine International School besucht, arbeitet aber auch in Englisch und international, schreibt Drehbücher und führt selbst Regie, so wie er.


Die Rolle als Tatort-Kommissarin wird bald Geschichte sein

Die Rolle der Dortmunder Tatort-Kommissarin Nora Dalay lässt Aylin nun auslaufen. Nur noch in diesem und im kommenden Jahr wird sie neben Jörg Hartmann, Anna Schudt und Rick Okon (siehe Foto© WDR/Thomas Kost) im Ruhrpott-Milieu ermittelnd zu sehen sein, was ihr mehr Freiraum für die künstlerische Entfaltung geben wird.

1 Tatort Inferno

Im Büro der Agentur unterhalten wir uns auch über eine kurze Begegnung beim großen NRW-Empfang während der diesjährigen Berlinale. Da sei sie leider zu spät gekommen, verrät sie. So gibt es keine gemeinsamen Fotos mit ihr, Anna Schudt und Rick Okon vor der Fotocall-Wand.

 Foto links: © WDR/Thomas Kost, TATORT Dortmund - "INFERNO"                                                            

 Stefan Konarske und Aylin Tezel 1367Aber sie traf - das Schicksal wollte es wohl einfach so! - Stefan Konarske, ihren in Paris lebenden ehemaligen Tatort-Kollegen. Mit dem 10. Fall hatte der als Daniel Kossik das Team verlassen - aus der gleichen Motivation, die auch Aylin Tezel bald weggehen lässt: Um mehr Flexibilität und Freiraum für andere, vor allem auch internationale Projekte zu haben.                      

Foto rechts: © Elke P. Eich - Media & Communication / Alexander Stute
Stefan Konarske (ehemals Tatort Dortmund) und Aylin Tezel beim NRW-Empfang der Berlinale 2019
 



DAS INTERVIEW

War die Fortsetzung von "Die Informantin" eigentlich von Anfang an fest eingeplant oder eher ein Ergebnis der guten Quote?

Der Produzent Christian Rohde hatte sowieso total Lust, einen weiteren Teil zu machen. Und dann ist es wie immer bei den Sendern: Man guckt erst mal, ob das Publikum auch Interesse hat. Relativ schnell nach der Ausstrahlung des ersten Teils, stand dann fest, dass es eine Fortsetzung geben sollte.


Ich finde, "Der Fall Lissabon“ unterscheidet sich in der Machart und im Flow schon sehr stark vom ersten Teil...

Mit einer neuen Regie gibt es immer auch eine neue Handschrift. Ich fand es sehr cool, für so einen Thriller, so einen Action-Stoff, dieses Mal mit Isabel Kleefeld eine weibliche Regie zu haben. Sie war unglaublich gut vorbereitet, brachte jeden Tag eine totale Aktivität und Wachheit an das Set und wusste ganz genau, was sie wollte.  (Anmerkung: Isabel Kleefelds Film "Aufbruch in die Freiheit" erhielt die Goldenen Kamera 2019 als bester Fernsehfilm) 


Und doch gibt es bei "Die Informantin" einen roten Faden...


Was sich natürlich durchzieht, sind unsere Hauptfiguren und auch die Energie, die es schon im ersten Teil zwischen ihnen gab. Aylin, die ein Stück weit unkontrollierbare Informantin, hat diese flirrende Verbindung mit Jan, gespielt von Ken Duken.                                                                                                   1 Die Informantin D Fall Lissabon Titel

Man merkt eine unglaubliche Anziehungskraft zwischen den Beiden, aber sie dürfen ja eigentlich nichts miteinander haben.

Und dann ist da noch Hannah, gespielt von Suzanne von Borsody, als Jans Chefin und gleichzeitig seine Schwiegermutter. Sie lockt Aylin für diesen neuen Fall aus ihrem Zeugenschutzprogramm in Wien wieder nach Berlin zurück. Sie ist es, die das eingefädelt hat.

Zwischen diesen drei Personen gibt es eine totale Spannung aufgrund ihrer persönlichen Verquickungen, sie eigentlich bei der Arbeit an diesem Fall extrem professionell sein müssten.         
                                                                                                                             ©  ARD Degeto/Conny Klein - Tezel + Duken   

3 Die Informantin D Fall Lissabon

Bei allen drei Figuren – und das finde ich persönlich sehr spannend – stellt sich immer wieder die Frage: Ist das eine gute oder eine böse Figur? Handelt die moralisch vertretbar oder nicht? Und alle Drei stehen da so ein bisschen dazwischen. Irgendwie kämpfen sie  alle für das Gute, aber setzen dabei alle auch fragwürdige Mittel ein.  

© ARD Degeto/Conny Klein - v. Borsody + Duken


Wird die Informantin Aylin weiter als verdeckte Ermittlerin tätig sein?

(vielsagend summend...) Da darf ich mal noch nichts zu sagen...! 

Das nehme ich mal als ein verdecktes Bekenntnis zu einer Informantinnen-Zukunft.  Beim Dortmunder Tatort hören Sie aber definitiv auf - wie ihr Kollege Stefan Konarske. Schade eigentlich!
Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Dass ich nicht 20 Jahre Tatort mache, wusste ich schon, als ich angefangen habe. Das waren ja jetzt auch 7 Jahre - für mich persönlich schon ein relativ langer Zeitraum.

Es war sehr spannend, eine Figur über so einen langen Zeitraum hinweg zu erzähle. Das Schöne bei unserem Tatort ist ja auch, dass wir diese horizontale Erzählebene haben. Dadurch hat man eine Figur mit einer ganz eigenen Geschichte, die sich entwickelt und eigene Traumata hat, mit denen sie umgehen muss. Aber trotzdem komm man irgendwann an einen Punkt, wo man sich fragt, ob und wie diese Figur dann noch weiterentwickelt werden kann.

Theoretisch könnten wir die Figur natürlich noch 20 Jahre lang weitererzählen. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich mit der Nora eine tolle Reise gemacht habe, aber jetzt auch als Schauspielerin weiterziehen muss.


Wohin geht denn jetzt Ihre Reise weiter? Was reizt Sie besonders?

Mich reizt nach wie vor – und das war schon immer so – eine große Vielfalt an Rollen. So was, wie die Rolle der Aschenputtel in einem Märchenfilm, dann die Tatort-Kommissarin, diese unglaublich wilde Figur der „Informantin“, und meine Rolle im Zweiteiler “Der Club der singenden Metzger” von Uli Edel, der in den 20iger Jahren angesiedelt ist und Ende 2019 ausgestrahlt wird. Wieder eine ganz andere Figur: eine Hamburger Zirkusartistin, die eigentlich von einem schöneren Leben träumt und mit ihrem Vater dann nach Amerika auswandert. Dort muss sie aber damit klarkommen, dass sie sich an einem Ort befinden, wo sie auch nicht reinpassen. Die Figurenvielfalt ist das, wo bei mir so ein Feuer angeht.

Mir fällt neben Ihrem preisgekrönten Film “Am Himmel der Tag” noch “Lost in the Living” ein, der beim Festival Achtung Berlin mit dem Regiepreis ausgezeichnet wurde. “Rhinos” war auch ein interessanter, spielerischer Kurzfilm mit einer Tanzeinlage von Ihnen. Das Tanzen ist ja doch auch noch ein wichtiges Element Ihres künstlerischen Ausdrucks, das sie bei einer Reklame für ein berühmtes Eis-Produkt genutzt haben.

Ich tanze gar nicht mehr so viel. Das habe ich sehr ausgiebig in meinen Zwanzigern gemacht, und dann noch für ARTE diesen Tanzkurzfilm „Tanz mit ihr“ in der Regie und als Darstellerin. Der wurde bei ARTE ausgestrahlt. “Lost in the Living” lief in einigen Arthouse-Kinos. Und “Rhinos” war damals das erste, was ich in Richtung englischsprachiger Filme gemacht hatte.

Um auf die Perspektiven zu kommen: Ich habe total Lust, in anderen Sprachen zu drehen und habe ja auch eine totale Affinität zum Englischen. Das ist auf jeden Fall etwas, worauf ich total Lust habe.


Ich las, dass Sie in London Kurse belegt habe, um sich Ihren deutschen Akzent total abzutrainieren.

"Akzent-Training" habe ich gemacht. Meistens ist es doch so, dass man als Deutsche nicht für eine Rolle als Britin oder Amerikanerin engagiert wird, sondern eher europäische Akzente braucht. In der kanadischen Serie „X Company“ hatte ich in der 3. Staffel eine durchgehende Rolle als eine polnische Widerstandskämpferin. So einen bestimmten Akzent trainiert man sich dann mit einem Coach speziell für ein Projekt an.


Als junge Frau in ihren Zwanzigern wurden Sie immer wieder - auch im Alltag - für eine Jugendliche gehalten. Welches Spielalter-Spektrum decken Sie denn mittlerweile ab?

Mein Spielalter ist immer noch jünger, als ich eigentlich bin. Jetzt bin ich 35, und mein Spielalter liegt so zwischen Anfang 20 und - eher selten - bis 35, würde ich sagen. Die Informantin ist ja jetzt auch 27 oder 28.


Sie erwähnten, dass ihnen Vielfalt wichtig ist, was sicher damit zusammenhängt, sich ausprobieren und verschiedene Facetten leben zu können... Ein Motiv, das ja viele dazu bewegt, den Schauspielberuf  zu wählen.

Es geht mir auch um eine Erweiterung, was das Filmemachen angeht. Als Schauspielerin arbeite ich ja sehr viel, tatsächlich auch breitgefächert und in zwei verschiedenen Sprachen, was ja schon toll ist. Auf jeden Fall interessiert mich sehr, eigene Projekt mit eigener Regie zu machen.

Ich habe z.B. gerade als Regisseurin einen englischsprachigen Kurzfilm mit ganz fantastischen Schauspielern abgedreht. (Anmerkung: ergänzend von Aylin Tezel umformuliert nach dem persönlichen Gespräch, das kurz vor den Dreharbeiten stattfand.) Dafür sind meine Schauspieler aus London angereist. Die männliche Hauptrolle spielt Killian Scott, den man derzeit auf Netflix in der Serie “Damnation” sehen kann. Brid Brennan spielt seine Mutter, und Leonie Benesch (Anmerkung: aus "Babylon Berlin") spielt auch mit. Es ist ein Drama, in dem es für einen jungen Mann um ein Verlustthema geht. Derzeit stecke ich mitten im Schnitt mit dem Londoner Cutter Ricardo Saraiva, die Postproduktion werde ich dann wiederum in Berlin Babelsberg bei Rotor Film machen.


Das klingt spannend und ist sicherlich eine große berufliche Bereicherung!

Wir können uns ja gerne nochmal unterhalten, wenn mein Film fertig ist. Auf jeden Fall sind ganz tolle Leute dabei. Z.B. mein Kameramann Juan Sarmiento G. und der Oberbeleuchter von „Am Himmel der Tag”. Es ist schön, wenn man einige Jahre nach einem so intensiven Projekt wieder in einer neuen Konstellation zusammenkommt. - Darüber freue ich mich unglaublich.


Drehbücher schreiben Sie auch...

Langfilm-Drehbücher habe ich geschrieben. Da passiert gerade ganz viel im Hintergrund, worüber ich jetzt noch gar nicht so viel spreche. Ich möchte aber jetzt in keiner Weise den Beruf wechseln! Schauspiel ist mein Herzensberuf, und das mache ich weiter. Es ist eher so, dass ich jetzt noch eine zweite kreative Linie verfolge, die mir Kraft gibt. Das mache ich so Step by Step.


Warum, glauben Sie, laden Besetzer und Regisseure speziell Aylin Tezel zum Casting ein?

Für einen selber ist das super schwer zu beantworten. Ich mache ja nur meine Arbeit. Was für die Menschen, die mich dann besetzen, den Ausschlag gibt, kann ich nicht sagen... Da kann ich nicht so gut von außen draufgucken.


Sie sind in sehr guten, stabilen und liebevollen Familienverhältnissen aufgewachsen - ohne große Dramen und sehr geschützt. Wie entwickeln Sie zerrissene Figuren, so wie ihre gleichnamige Figur Aylin in "Die Informantin"?  Oder Figuren wie in „Am Himmel der Tag“, wo sie eine jugendliche Schwangere spielen, deren Kind tot zur Welt kommen wird.

Da hat jeder so seine eigene Methode. Ich arbeite gerne über den Körper und weniger über den Kopf. So, dass bestimmte Hintergründe und eine bestimmte Motivation der Figur im Körperlichen zu spüren sind.

Bestimmte Dinge kann man ja nicht aus seinem eigenen Leben oder aus einer Erinnerung ziehen. Wenn ich spiele, dass ich jemanden umbringe, kann ich dafür ja nicht auf einen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Der körperliche Zugang ist da eine Methode, die für mich sehr gut funktioniert.


Als junge Schauspielerin haben sie in Interviews häufiger erzählt, dass Sie sehr sparsam sind und bescheiden leben. Was ist von dieser Grundhaltung trotz ihrer guten Auftragslage übrig geblieben?

In einer Einzimmer-Bruchbude wohne ich nicht mehr. (lacht). Ich bin aber nach wie vor kein verschwenderischer Mensch. Es gibt Dinge, an denen ich nicht spare und in die ich investiere: Z.B. esse ich gerne gut. Und ich treffe gerne Freunde. Wenn ich mich also ins Flugzeug oder in den Zug setzen muss, um Freunde zu sehen, gebe ich dafür gerne Geld aus. Aber ich bin niemand, der sich eine Handtasche für 500,- Euros kauft. Also, nichts gegen Leute, für die so eine Handtasche eine besondere Ästhetik hat, mit der sie gerne umgehen und die sie lieben. Das finde ich alles super, aber für mich persönlich ist das nicht erstrebenswert.

Materielle Dinge haben für mich generell nicht so einen Wert. Zeit mit Menschen zu verbringen, die ich liebe, ist für mich da eher wertvoll. Das ist für mich das Wichtigste.


Wenn Sie so gerne Menschen besuchen, wäre doch sicher eine Bahncard 100 für Sie toll.

Daran habe ich auch schon gedacht. Tatsächlich bin ich zuletzt zu den Dreharbeiten für den Tatort zwischen Berlin und Köln auch nur mit der Bahn gefahren. Das war super.                                                                      Aylin Tezel NRW Empfang IMG 1363

Sie erinnern sich, wie begeistert ich beim NRW-Empfang während der letzten Berlinale  von Ihrem roten Lippenstift war: Auf meine spontane Frage hin nannten Sie mir die prominente Qualitätsmarke und den Namen des Lippenstiftes, den ich jetzt auch in meiner Sammlung habe. Vielen Dank übrigens nochmals für den Tipp! Der hält super! Wenn schon teure Handtaschen nicht Ihr Ding sind: Mögen Sie denn wenigstens den Luxus bei Kosmetik?

(lacht) Es ist schon eher ungewöhnlich, dass ich mich überhaupt schminke... Bei so einer Abendveranstaltung oder heute, weil extra professionelle Fotos gemacht werden, schon eher. Privat schminke ich mich tatsächlich überhaupt nicht.


Womit beschäftigen Sie sich denn jenseits des Berufs gerne privat?

Wenn man einen künstlerischen Beruf hat, geht das ja ganz oft Hand in Hand mit dem Privaten. Ich hab’ ja nicht so feste Zeiten, wie beispielsweise von 09:00 bis 17:00 Uhr, zu denen ich mich z.B. mit dem Schreiben von einem Drehbuch beschäftige oder mich auf eine Rolle vorbereite. Kreative Prozesse passieren ja ständig, und da kann ich nicht sagen: „Das ist das Eine, und das ist das Andere.”


Das heißt, eigentlich trennen Sie nicht wirklich zwischen dem Beruflichen und dem Privaten?

Da kann ich ein Beispiel geben: Z.B., sage ich meiner Agentur - wie im letzten Sommer: „Ich bin jetzt mal für zwei Wochen in Tel Aviv und nur für Notfälle erreichbar. D.h., ich checke jetzt nicht jeden Tag meine Emails...“ - Tatsächlich beschäftige ich mich dann aber doch die gesamte Zeit lang mit künstlerischen Sachen.

Weil ich eine derart große Liebe habe für diese künstlerischen und kreativen Dinge, bin ich selbst in meinem Privatleben damit so verbunden und kann das auch sehr genießen. Ich kann nicht sagen: „Jetzt bin ich hier eine Woche im Urlaub und lese nur ein Buch!“, sondern bin immer „on“, oder wie man das nennt.


Und wie sah letztlich Ihr Sommerurlaub in Tel Aviv aus?

In Tel Aviv habe ich dann Pola Beck getroffen, die Regisseurin von „Am Himmel der Tag”... Mit ihr habe ich jetzt ein neues Projekt, die Romanverfilmung von: “Der Russe ist einer, der Birken liebt”, die zum Teil in Tel Aviv spielt. Pola wird die Regie machen und war auf Recherche-Reise, ich habe dabei als Hauptdarstellerin etwas mitgemacht. Parallel habe ich noch an einem Drehbuch auf Englisch geschrieben und mit meiner besten Freundin Melli jeden Tag noch Gaga-Tranztraining gemacht.


Also gibt es kaum richtige "Auszeiten" für Sie?

Für mich ist wichtig, mal eine Woche oder so nicht auf Instagram zu gehen.
Mich zwischendurch aus dieser “Social Media”-Welt rauszuziehen, bringt mir Entspannung.

Dieses ganze Kurzlebige finde ich persönlich sehr anstrengend, weil ich mich lieber etwas tiefgehender mit Dingen beschäftige. Diese Schnelligkeit, die durch Social Media vorgegeben wird, entspricht nicht wirklich meinem Naturell. Ich mache das mit, so gut ich kann, weil ich weiß, dass es eben Teil vom Business ist. Aber es ist doch schade, wenn viele Sachen nur noch so oberflächlich abgehandelt werden.


Welche Themen sind Ihnen denn für ein soziales oder politisches Engagement wichtig?

Früher hab’ ich mich viel mit Bildung beschäftigt. Das war für mich spannend. Ich habe ja zwei Kurzfilme gemacht. Der eine “Tanz mit ihr”, der auf ARTE lief, ist ja ein sehr künstlerischer Film. Der andere “Trust me, it works”, war eine Doku über den britischen Choreografen Royston Maldoom. Der macht Community-Dance, etwas, womit ich mich viel beschäftigt habe. Das ist im Grunde eine Form von Tanz, für die man aber keine Vorkenntnisse braucht.


Was genau ist „Community Dance“?

Beim “Community Dance” werden Leute aus unterschiedlichen Generationen, Leute mit Behinderung und ohne Behinderung und mit unterschiedlichem sozialem Background. Die erarbeiten dann gemeinsam ein Stück, haben auch eine Aufführung und werden als Künstler behandelt. Dahinter steht natürlich der soziale Aspekt, dass Leute, die sich auf der Straße kaum angucken würden, zusammenarbeiten und etwas Gemeinsames auf die Bühne bringen müssen. Da sind auch Kinder und Jugendliche dabei, deren Eltern kein Geld für wöchentlichen Musik-, Gesangs- oder Tanzunterricht haben.


Diesbezüglich hatten Sie es ja gut und wurden in Ihrem Elternhaus intensiv gefördert.

Da hatten meine Geschwister und ich totales Glück! Wir sind sehr künstlerisch aufgewachsen: mit Tanz und mit Musik...


Kam die künstlerische Förderung über Ihre Mutter?


Auf jeden Fall kam das über unsere Mutter.


Sie ist gelernte Krankenschwester.

Meine Mutter ist Kinderkrankenschwester. Den Beruf hat sie aber nur ausgeübt, bis die Kinder kamen.


Sie haben einen gemischt-kulturellen Hintergrund. Ihr Vater ist ein türkisch stämmiger Arzt und ihre Mutter Deutsche. Wie hat Sie das geprägt? Spielte z.B. Religion auch eine Rolle?

Also, meine Eltern haben ihre unterschiedlichen Religionen. Sie haben uns Kinder aber nie in eine Religion hineingedrängt, sondern immer gesagt, dass wir das selbst entscheiden sollen.


Sind denn Ihre Eltern überhaupt im klassischen Sinne religiös?

Ich würde sagen, meine Eltern haben beide ihren Glauben. Sie glauben beide an einen Gott, den sie unterschiedlich nennen. Darüber hinaus teilen sie aber beide den Glauben an bestimmte Werte. Und diese Werte haben sie uns mitgegeben. Sowas wie: Familie, Freundschaft, Unterstützung und ein gutes, offenes Herz zu haben. Vielleicht haben sie diese Werte auch aus ihren Religionen abgeleitet, was ich nicht weiß. Aber sie wurden uns nicht als Teil von religiösen Doktrinen vermittelt.


Haben Sie selbst einen Bezug zu Religion?

Dieses Konzept von Büchern mit Glaubenssätzen, die irgendwann mal aufgeschrieben wurden, hat für mich nie funktioniert. Für mich ist es wie ein Geschenk, dass meine Eltern unterschiedliche Nationalitäten, unterschiedliche Geschichten und unterschied-liche Kulturen mitbringen, aber sich in ihrer Gemeinsamkeit etwas Gemeinsames geschaffen haben. Das ist der Normalzustand für mich persönlich und NICHT, dass Menschen innerhalb ihrer Grenzen und innerhalb ihrer Kultur bleiben und das, was außerhalb dieser Grenzen passiert, als etwas Fremdes wahrnehmen. Ich bin sehr weltoffen erzogen worden.


Sie sind häufig in England. Wie nehmen Sie die politische Entwicklung dort wahr?

Es irritiert mich sehr, wenn so etwas, wie ein möglicher Brexit passiert! Da denke ich: „Ihr könnt Euch doch jetzt nicht ernsthaft wieder von Europa und dem Rest der Welt abschotten wollen!“ So was funktioniert doch einfach gar nicht mehr. Für mich ist das ein spiritueller Angriff. Spannend wäre, zu sehen, was die Leute jetzt wählen würden, nachdem sie über die Hintergründe und was da alles dranhängt, informiert sind.


Wenn in Großbritannien einem weiteren Referendum nicht zugestimmt werden sollte, hätte das wohl eher mit der Wahrung des Gesichts einiger Politiker als mit Vernunft zu tun.

Es wäre eine Katastrophe, wenn es nicht zu einem neuen Referendum käme, nur weil eine Handvoll von Menschen ihr Gesicht wahren wollen. Einen Brexit ohne Abkommen fände ich sehr gefährlich und traurig. Vor allem auch was die Situation einer möglicherweise erneuten harten Grenze zwischen Irland und Nordirland angeht. Soweit darf es nicht kommen!


Haben Sie eigentlich ein Bewusstsein von „Ich bin Deutsche UND ich bin Türkin!“?

Ich empfinde mich weder als Deutsche, noch als Türkin. Ich empfinde mich als Mensch und nicht einer Nationalität zugehörig, spreche verschiedene Sprachen und kann mich in verschiedenen Ländern bewegen. Und ich fühle mich in verschiedenen Ländern der Welt auch zu Hause.


Info:

„Die Informantin - Der Fall Lissabon" *
Samstag, 13. April 2019, um 20:15 Uhr im Ersten
(ARD-Mediathek bis 13. Juli 2019)

In den Hauptrollen:
Aylin Tezel, Ken Duken und Suzanne von Borsody

In weiteren Rollen:
Stefan Kurt, Franz Dinda, Nina Kronjäger, Pegah Ferydoni u. v. m.

STAB:

Regie: Isabel Kleefeld
Drehbuch:
Isabel Kleefeld
nach einer Idee von Ulrike Reiling                                                                                                                                         
Produzent:
Christian Rohde, Stegmann und Christof
Redaktion ARD Degeto:
Carolin Haasis und Sascha Schwingel

*) „Die Informantin - Der Fall Lissabon"
ist eine Produktion
der UFA FICTION im Auftrag der ARD Degeto für Das Erste.

Weitere TV-Produktionen mit Aylin Tezel:

Tatort Dortmund "INFERNO"                                                                                                                                     
(ARD-Mediathek bis 17. Oktober 2019)

"Der Polizist und das Mädchen"
(ZDF-Mediathek bis 29. Juni 2019)

AUSBLICK:

"Der Club der singenden Metzger"
(ein vielversprechender Zweiteiler, Regie: Uli Edel,                                                                                               geplante Ausstrahlung: Ende 2019)


FOTOS zum ARTIKEL über AYLIN TEZEL

1)  © ARD Degeto/Britta Krehl
„2 – Die Informantin - Der Fall Lissabon"
Aylin Tezel

2)  © WDR/Thomas Kost
TATORT Dortmund - "INFERNO"
Aylin Tezel

3)  © WDR/Thomas Kost
TATORT Dortmund - "INFERNO"
Anna Schudt, Jörg Hartmann, Aylin Tezel, Rick Okon

4)  © ARD Degeto/Conny Klein
"2 - Die Informantin"
Franz Dinda + Stefan Kurt

5)  © ARD Degeto/Conny Klein
"2- Die Informantin"
Franz Dinda + Aylin Tezel

6)  © ARD Degeto/Conny Klein                                                                                                                                   "2 - Die Informantin"
Pegah Ferydoni (auch "Die defekte Katze") und Carla Demmin

7)  © ARD Degeto/Conny Klein 
"2 - Die Informantin"
Suzanne von Borsody, Aylin Tezel und Ken Duken

8)  © Elke P. Eich - Media & Communication / Alexander Stute 
Aylin Tezel und Stefan Konarske
beim NRW-Empfang der Berlinale 2019

9)  © ARD Degeto/Conny Klein
„2 – Die Informantin“ Aylin Tezel und Ken Duken

10)  © ARD Degeto/Conny Klein
„2 – Die Informantin“ Suzanne von Borsody, und Ken Duken

11)  © Elke P. Eich - Media & Communication / Alexander Stute
Aylin Tezel beim NRW-Empfang der Berlinale 2019