Ein Fall für Annika Bengtzon. Krimiserie nach den Kriminalromanen von Liza Marklund in der ARD
Elisabeth Römer
Rostock (Weltexpresso) – Auch die zweite Verfilmung der Krimis von Liza Marklund hielt das, was der erste Film versprach. Das hat was, wenn die Filme dicht aufeinanderfolgen, wie jetzt PRIME TIME am Ostersonntag und heute als dritter Streich STUDIO 6. Wieder in der ARD, wieder um 21.45 Uhr.
Die Annika Bengtzon Verfilmungen gehen auf das Konto der Produktionsfirma Yellow Bird, die auch die Stieg Larsson Reihe MILLENIUM sowie Kommissar WALLANDER von Mankell gedreht hatte, also im Krimigenre erfahren ist. Fangen wir mit dem heutigen KrimiSTUDIO 6 an, der im Jahr 1999 auf Schwedisch und Deutsch veröffentlicht wurde, allerdings nach dem OLYPISCHEN FEUER. Er reicht allerdings weit in die Vergangenheit zurückreicht, denn er spielt acht Jahre zuvor, als diese Annika als junge Aushilfe bei der Zeitung ABENDBLATT begonnen hatte, wo wir sie in den beiden letzten Folgen als allseits beliebte und erfolgreiche Journalistin bei eben diesem Blatt in ihrer Ermittlungsarbeit kennengelernt hatten.
Das ist nur halb richtig, denn im Film heißt die Zeitung NACHTAUSGABE und auch die zeitliche Einordnung ist eine andere, denn es gibt schon Thomas, der mit den Kindern weggefahren ist.Im Buch aber reift gerade ihr Entschluß, sich von Sven zu trennen, dem sie gerade nach Stockholm 'vor'gezogen ist, mit dem sie aber auf einmal nicht mehr leben will. Die Filmreihe nimmt die Handlungen der einzelnen Kriminalromane also in einer anderen Reihenfolge vor, was bedingt, daß auch die familiäre Situation jeweils den bisherigen Filmen angepaßt werden muß. Diesmal allerdings ist Annika voll auf ihre Arbeit konzentriert, denn der Mann ist mit den beiden Kindern in Ferien. Ihre redaktionelle Arbeit steht im Mittelpunkt dieses Krimis. Bei PRIME TIME hatte die Familie noch einen gleich großen Part, diesmal erscheint der doch abwesende Thomas kurz – eigentlich nur aus Drehbuchgründen, weil er Annikas Tagebuch lesen soll - und am Schluß gibt es das Wiedersehen mit den Kindern.
Grundsätzlich geht es nicht nur um die Arbeit der Journalistin., aus deren Bereich allerdings die Krimifälle stammen. Liza Marklund hat wohl mit Absicht, sozusagen strategisch, Annika auch in ihrer häuslichen Rolle als Mutter von zwei Kindern und zwar willigem, aber überforderten Vater dargestellt. Daß Frauen in ihrer Doppelbelastung von Beruf und Familie adäquat dargestellt werden, geschieht nicht so oft, erst recht nicht in Krimis. Aber gerade dies ist das Markenzeichen, das Liza Marklund ihrer Annika Bengtzon verpaßt, zu der in STUDIO 6 der genervte Thomas sagt: „
Mußt Du immer die Welt retten?“. „Ja“, antwortet sie und meint, daß es ja sonst niemand mache.
PRIME TIME war 2002 auf Schwedisch und 2003 auf Deutsch erschienen, wo die Kinder schon in die Schule gehen und am Schluß der Verfilmung, die viele Probleme des Familienlebens aufzeigt, sich dennoch oder deshalb die beiden zum Heiraten entscheiden, weil sie zu den modernen Menschen gehören, die erst das Familienleben testen, dann – für gut befunden - die Ehe eingehen, die – das verraten wir nur ein wenig – dann erst einmal doch nicht hält, ein zweites Mal....aber so weit sind wir noch lange nicht, denn wir wollten mit dem Beginn anfangen, mit STUDIO 6.
Annika arbeitet also in der Lokalredaktion der NACHTAUSGABE, da kommt ein anonymer Anruf. Der Anrufer teilt ihr mit, daß auf dem Jüdischen Friedhof in Stockholm eine weibliche Leiche liegt, die er gerade gefunden hat. Annika ist perplex und kann erst einmal gar nicht reagieren, dann ist sie entsetzt und nimmt ihre Arbeit auf. Das heißt recherchieren. Wer ist diese Tote, was kann sie über sie herausbekommen, wobei sie von der Ermittlungsarbeit der Polizei erfahren muß, also ein gutes Verhältnis mit den Ermittlern herstellen muß, aber auch ihre Unabhängigkeit wahren muß, was ihr souverän gelingt, auch wenn sie oft zum Übereifer neigt und ihre Kollegen nicht so sehr an ihre Qualifikationen, sondern eher an ihr Glück glauben.
Auf jeden Fall mischt Annika die Polizeiarbeit gehörig auf und stellt auf eigene Faust Ermittlungen an, die sich lange mit denen der Polizei decken. Diese finden heraus, daß der schwedische Außenminister, der hier im Film zum Handelsminister wird und eine eigene kleine Wohnung in der Nähe hat – sein Familienwohnsitz ist woanders - in den Fall verwickelt ist und für die Tatzeit kein Alibi hat. Hier zeigt sich, wie in den anderen Geschichten der Liza Marklund, daß sie geschickt alles miteinander vermengt und das Interesse auch dadurch immer wieder anstachelt, daß sie in ihre Fälle das Leben der Großen, Reichen und Schönen integriert, was auch die Arbeit von Annika Bengtzon öffentlich wichtiger macht, aber gleichzeitig aufzeigt, daß für sie persönlich diese funkelnde Welt keine Bedeutung hat, weil ihre Werte andere sind. Das befähigt sie erst recht, in dieser Welt souverän Recherche zu betreiben.
Die führt sie ins Studio 6, einen illustren Sexclub, wo das Mordopfer namens Josefine gearbeitet hat und Patricia hinter der Bar steht, die mit Josefine befreundet ist und in ihrer Wohnung mitwohnte, nun aber wohnungslos ist, weshalb sie Annika bei sich aufnimmt, was ihrem Thomas, der kurz auf Stippvisite kommt, ganz und gar nicht recht ist. Man kann die psychologisch wirksame Art der Annika bei ihren Befragungen mitverfolgen und ihre Skrupel auch, die ihr verbieten, das Gehörte in ihren Artikeln zu veröffentlichen, wenn sie darum gebeten wird und woran sie sich hält, was der Redaktionschef moniert. Josefine wollte Journalistin werden und arbeitet als Stripperin im STUDIO 6, mit dessen Chef Joachim sie befreundet ist und der sie liebt, was sie in einem Tagebuch beschreibt, das Annika findet und liest und nun mehr darüber weiß, wie unfrei diese angebliche Liebesgeschichte in Wahrheit war..
In STUDIO 6 hält das Ministerium wohl 'offizielle Sitzungen' ab, denn die Rechnungen im Sexclub werden per Quittung im Ministerium eingereicht und von diesem bezahlt. Auch die Politiker beurteilt sie moralisch, was in diesem Krimi gut paßt, denn der Handelsminister ist das Alibi, hinter dem sogar schwedische Waffengeschäfte stecken. Hier nun setzt Annika Bengtzon an und in einer furiosen Kombination von politischen Motiven, persönlichen Gründen, Sex-Geschäften und einer undurchsichtigen Medienwelt wird sie diejenige sein, die als Anfängerin – nein, nur im Buch, hier ist sie schon die bewährte Kraft - am besten durchschaut und den Fall klärt.
INFO:
Im Mai folgen drei weitere Filme: DER ROTE WOLF, LEBENSLÄNGLICH und KALTER SÜDEN.
Die Kriminalromane PRIME TIME und STUDIO 6 sind erschienen im Verlag Hoffmann und Campe, auch als Hörbücher.