02 DSPSerie "DAS SCHÖNSTE PAAR" 1/8 - Beziehungs-Drama nach einer Vergewaltigung - mit Luise Heyer, Maximilian Brückner, Leonard Kunz, Jasna Fritzi Bauer / Regie: Sven Taddicken 

Elke Eich

Berlin (Weltexpresso): Malte und Liv verbringen einen schönen Urlaub auf Mallorca. Am Strand, sich an einer versteckten Stelle unbeobachtet wähnend, kommen sich die beiden Lehrer fröhlich und entspannt noch einmal körperlich sehr nahe und lieben sich. Solche Urlaubslebnisse möchte jeder gerne erinnern können. Doch, was so wunderbar beginnt, mündet in eine Tragödie.


Drei 18-Jährige, ebenfalls deutsche Touristen, haben sie beobachtet und folgen ihnen bis in ihr Ferienhaus. Was Anfangs als Raubüberfall gedacht war, mündet in eine Kettenreaktion grausamster Handlungen, weil einem der Halbstarken die Sicherungen durchbrennen. Das erbeutete Geld und die Kamera reichen ihm nicht. Warum nicht die beiden noch so richtig demütigen!? Am Ende wird Liv von ihm vergewaltigt - vor den Augen ihres Partners und vor den Augen der Begleiter, die erst den Spuk beenden wollen, dann aber doch Malte in Schach halten und so zu Mittäter auch dieses Verbrechens werden.

TMBC GERIn seinem 5. Spielfilm zeigt Sven Taddicken nach diesen aufwühlenden 10 Minuten, das Paar zwei Jahre später in seinem Alltag: wie Liv und Malte in ihrer Schule unterrichten, sich auf den Fluren begegnen und hier und da komplizenhaft berühren, wie Livs Therapie zum Abschluss kommt, wie sie - am gleichen Tisch einander gegenüber sitzend - zuhause ihren Unterricht vorbereiten und Hefte korrigieren, wie sie bei einem Treffen mit Freunden in einem Garten offen über den Stand der Verarbeitung des spricht. Auch die Rolle Maltes als Partner, der angesichts der Übermacht der Angreifer nur verbal, jedoch nicht physisch handeln konnte, wird in dem Gespräch zum Thema. Liv will das Schlimme hinter sich lassen und hält ihrem Partner selbstverständlich nicht vor, dass er das Unmögliche nicht geleistet hat: Sie zu schützen! Sie ist die Starke, und es ist spürbar, dass von ihrer Haltung der Fortbestand der Beziehung abhängt.

Eines Abends sieht Malte nach einem Kneipen-Bandauftritt mit Freunden in einem Imbiss einen jungen Mann in 52 MaximilianBruecknerBand c OneTwoFilmsweiblicher Begleitung, den er als den Vergewaltiger wiedererkennt. Bis zum Einstieg in ihre Bahn kann er die beiden verfolgen, doch es braucht Maltes hartnäckigen Einsatz, bis er den Täter, der Sascha heißt, erneut sieht und ihm folgen kann - bis zur Arbeitsstelle der Freundin und zur Wohnung der beiden. Das Wissen um die Identität des Täters bringt Malte in Zugzwang. Er möchte wiedergutmachen, dass er seine Frau nicht schützen konnte, ist von Rachegelüsten getrieben. Er konfrontiert Sascha, prügelt sich mit ihm, provoziert ihn durch ein aufklärendes Gespräch mit dessen Freundin, was Liv schließlich sogar erneut in Gefahr bringt. Alles, was letzlich im Fluss der Ereignisse auf Maltes Rachefeldzug passiert, ist verstörend für Liv und lässt alte Wunden aufbrechen.

Ein wiederkehrendes Leitthema in Taddickens Werken ist der Zweifel, die Liebe des Partners oder des Subjekts der Liebe verdient zu haben. Malte konnte seinen Mann nicht stehen und seine Frau nicht schützen. Diesem Anspruch nicht gerecht worden zu sein, quält ihn. Und er stellt sich die Frage, ob seine Frau ihn trotzdem noch lieben könne. Eine wirklich "befriedigende Lösung" für die Belastungen einer Beziehung nach solch einem traumatischen Ereignis gäbe es nicht, jedenfalls "nicht innerhalb des Systems des Verbrechens", so Taddickens Erkenntnis nach Jahren der intensiven Auseinandersetzung mit dem Erleben und Verarbeiten von Vergewaltungen.

SvenTaddickenBothor2016 verschobenSven Taddicken, der in Hamburg geboren ist, in Oldenburg aufwuchs und mit seiner Familie in Berlin lebt, hat für diesen Film erstmals ein Drehbuch komplett alleine verfasst, das über viele Jahre reifen konnte, bis die Dreharbeiten zu dem schon mehrfach ausgezeichneten Film begannen. "Das komplette Schreiben des Drehbuchs hat mir beim Dreh noch mal mehr Kraft, mehr Sicherheit und auch mehr Lockerheit gegeben." erzählt der Regisseur von "Mein Bruder, der Vampir", "Emmas Glück", "12 Meter ohne Kopf" und "Gleißendes Glück" im Interview.

So souverän im eigenen Drehbuch ruhend, zeigte sich Taddicken auch besonders offen für den Einfluss seiner Hauptdarsteller. Er übernahm Luise Heyers Monolog-Fassung in Livs letzter Therapiesitzung und setzte Maximilians Brückners Idee für das inspirierende Ende der Geschichte um, mit dem das Paar alles auf Null setzt und neu beginnen kann.

Letztlich soll klar werden, dass Rache nicht süß ist. Jedenfalls nicht die Rache im klassischen Sinn. Die beste Rache, so der Regisseur, sei "weiterzumachen und dafür zu sorgen, dass man ein verdammt glücklicher Mensch ist." Das klänge zwar "wie so ein Kalenderspruch", sei aber, so glaube er, die Wahrheit. Er fand es interessant "ein Paar zu zeigen, das auch das verbale Werkzeug hat, diese Situation auseinanderzunehmen und sich auch gar nicht nur den Gefühlen so hingeben will." Die beiden sind also nicht umsonst Lehrer, zwei die sagen: „Es gibt für so was Therapien, und da gehen wir jetzt hin.“

Das in den eigenen Gedanken und in privaten, wie therapeutsichen Gesprächen erfolgende Verarbeiten eines derart traumatischen Ereignisses, bietet einen Rahmen, bzw. sogar ein Gebäude, um auch all den Emotionen und Impulsen Raum geben zu können, die da hoch kommen können. Archaische Impulse, Verletzungen, Wut, Trauer, Depressionen, Selbstzweifel....

Regisseur Taddicken hat als Drehbuchautor seinen Figuren die nötigen Räume geschaffen, um sich auszudrücken: Seinem Protagonisten Malte, um die Not des Mannes zu zeigen, der seine Frau nicht beschützen konnte. Der vergewaltigen Liv, die sich die allergrößte Mühe gibt, das Drama hinter sich zu lassen und ihre Lebensfreude und Balance innerhalb der Beziehung zu stärken. Die aber auch rein hypothetisch mal durchdenkt, ob denn ein neuer Mann Erleichterung bringen könnte.

Auch der Täter Sascha bekommt zwei Jahre nach der Tat einen Raum, in dem er eine andere Seite von sich zeigt. Zeigt, dass dieser Vergewaltiger, nicht nur ein Monster, sondern auch ein Beziehungsmensch sein kann. Auch das ist eine Tatsache, die wohl gerne verdrängt wird, weil sie unbequem ist. Allzu gerne folgen wir künstlichen Konstrukten, in denen es "DEN bösen" und "DEN guten" Menschen gibt. Dass Menschen beides sein können, macht alles natürlich komplizierter.

Liv und Malte wird am Ende ein energetisch impulsiver Befreiungsschlag gegönnt. Als Alternative zur glatten Lösung, die es bei einem solchen Drama einfach nicht gibt.


FORTSETZUNG  Serie: "Das schönste Paar" 2/8 - 8/8
Interviews mit Hauptdarsteller Maximilian Brückner und Regisseur Sven Taddicken
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FOTOS

1) Luise Heyer und Maximilian Brückner
© One Two Films

2) Filmplakat "Das schönste Paar"
© One Two Films

3) Making off - Maximilian BRückner + Band
© One Two Films

4) Sven Taddicken 
© Mathias Bothor2016 

 

INFO

"DAS SCHÖNSTE PAAR"
90 minuten
FSK-Freigabe ab 16 Jahren
Kinostart: 02. Mai 2019
Regie & Drehbuch
Sven Taddicken
Darsteller
Luise Heyer (Liv), Maximilian Brückner (Malte),
Leonard Kunz (Sascha), Jasna Fritzi Bauer (Jenny),
Florian Bartholomäi (Henning), Inga Birkenfeld (Maren),
Oskar Bökelmann (Janko), Matthias Lier (Boris), Aurel Manthei (Ben),
Julius Nitschkoff (Karl), Susanne Sachsse (Therapeutin), Hannah Schiller (Lydia),
Jakob Schmidt (Hendrik), Vivien Sczesny (Clara), Mirko Kraft (Julius),
Ronald Kukulies (Anwalt), Varia Linnéa Sjöström (Franzi)
Musik
Éric Neveux
Kamera
Daniela Knapp
Schnitt
Andreas Wodraschke
Casting
Simone Bär
Produktion
One Two Films GmbH,
Arsam International, WDR - Westdeutscher Rundfunk, Arte
Verleih
Koryphäen Film

Sven Taddicken VITA

1974  geboren in Hamburg / aufgewachsen in Oldenburg
seit 1989  Filme
1995-96   Musik- und Kommunikationswissenschaften an der Humboldt Universität Berlin
1996-02   Filmakademie Baden-Württemberg: Regie/szenischer Film
2000  Caligari-Stipendium der Filmakademie
2004  Stipendium der Akademie der Künste Berlin (‚Junge Akademie‘)
2007  Stipendium der Villa Aurora/Los Angeles
2007  UCLA Los Angeles: The Business of the Film Industry + Acting for the Camera
2013  Mentor für den Spielfilm „Veve“ für OneFineDayFilms in Nairobi
seit
2014  Dozent an der MET Film School Berlin
lebt in Berlin