Serie "DAS SCHÖNSTE PAAR" von Sven Taddicken mit Luise Heyer, Maximilian Brückner, Leonard Kunz, Jasna Fritzi Bauer, Teil 7/8
Elke Eich
Berlin (Weltexpresso) - Was steckt für Sie in Saschas Satz als Begründung für seine Tat: "Weil ich es konnte!“ alles drin an männlicher oder vielleicht auch generell menschlicher Natur oder Energie? Im Grunde heißt das doch: „Wenn man mich lässt und mir keine Grenzen setzt, bzw. mir nichts Richtiges entgegensetzt, dann tue ich Dinge, egal welche, einfach nur, weil es mir möglich ist."
Sven Taddicken: Ich würde gerne noch mal kurz ausholen. Es war toll, dass Leo sich als Schauspieler auf diese Rolle und diese Szene einlässt, in der er sich erklärt. Den Täter wollte ich ja auch weitererzählen als jemanden, der auch ein Mensch ist. Auf keinen Fall wollte ich das aber mit der Szene des Überfalls verknüpfen, alleine schon, um da nichts zu relativieren und nichts zu entschuldigen. In der Vergewaltigungsszene wollte ich keinerlei Verständnis für ihn wecken, oder auf eine Ebene gehen, wie: „Warum hatte sie auch so ein kurzes Kleid an?“
Interessant war für mich, zu erzählen, was zwei Jahre später ist: Hey, der hat vielleicht eine Freundin, und die ist okay! Und die beiden leben in einer Wohnung zusammen, von der ich auch einen Vorstellung habe. Das, zeitlich ganz klar abgegrenzt von diesem Überfall, zu zeigen, hat mir ermöglicht, der Figur von Sascha noch mal Konturen zu geben. Das fand ich einfach wahr und wichtig. Aber, wie gesagt: nicht als Entschuldigung, sondern als Vervollständigung des Bildes.
Leonard Kunz spielt die Rolle des Täters Sascha enorm glaubwürdig. Auch Jasna Fritzi Bauer ist als Jenny, die Freundin des Täters sehr überzeugend!
In dem Kontext hat mir Jasna, die das eben Gesagte auch in der Alltäglichkeit dieses jungen Paares spiegelt, mit ihrer Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit wunderbar gefallen. Auch wenn sie das Drehbuch kennt, darf sie als Figur ja auf keinen Fall wissen, was ihr Freund Schreckliches getan hat.
Und was ist nun mit Saschas salopp daher gesagten Spruch als Begründung?
Hinter Saschas Satz “Weil ich es konnte!” steckt eigentlich nicht sehr viel. Ich hatte mal eine Drehbuchfassung probiert, in der er versucht, sich zu entschuldigen und diese Entschuldigung aber nicht angenommen wird. Da habe ich aber gleich gemerkt, dass das zwar glaubwürdig sein könnte, mir aber zu weit ging. Was mich blockiert hat: Ich wollte nicht so weit gehen, Livs Fähigkeit zur Vergebung auf die Probe zu stellen!
Gleichzeitig wollte ich auch nicht, dass der Sascha zwei Jahre später immer noch mit einer alten Begründung kommt, wie: „Na, die wollte es ja nicht anders! Und ihr Kleid war auch so kurz!“ Das hätte ich ihm nicht geglaubt. Ich glaube schon, dass der ein Schamgefühl hat für das, was passiert ist. Und ich glaube, dieser Satz ist sein unreifer Spruch dazu. Im Sinne von: „Mann, es war Scheiße, aber warum hat mich den keiner gehindert?“
Der Sascha hängt so im Zwischenraum. Das heißt, er ist noch weit davon entfernt, sich und oder gar in der Öffentlichkeit seine Schuld einzugestehen und eine Entschuldigung auszusprechen. Aber er ist trotzdem auch nicht frei von Scham. Das steckt für mich in diesem Satz.
Nun mag Sascha vielleicht nicht frei von Scham sein, aber gleich nach der Kampfszene, in der Malte ihn hätte umbringen können, ist er sofort wieder übermütig und schleudert Liv einen verächtlichen Macho-Satz entgegen. Auf den reagiert sie dann entsprechend.
Das stimmt! Es ist nicht unbedingt meine Lieblingsszene im Film. Ich würde sagen, dass in dieser Situation die Aggression zwischen den beiden wieder hochkocht und der Sascha die Möglichkeit nutzt, wieder ein Arsch zu sein.
Sie sprachen eingangs von den archaischen Wurzeln des Konflikts. Es geht um männliche Gewalt gegen Frauen, etwas, das sie auch in „Gleißendes Glück“ thematisiert haben. Allerdings ging es da um häusliche Gewalt. In der Vorbereitung zu "Das schönste Paar" waren Sie u.a. im Kontakt mit der Berliner Beratungsstelle für Vergewaltigungsopfer LARA.
Was haben Sie im Laufe diese jahrelange Auseinandersetzung und durch die vielen Gespräche gelernt?
Vor allem zwei Sachen habe ich gelernt in der Auseinandersetzung mit dem Thema "Vergewaltigung":
Zum einen: Es gibt den berechtigten Wunsch, ohne diesen Schaden weiter zu leben. Das traumatische Erlebnis wird immer mal wieder ins Bewusstsein zurückkommen und einen streckenweise wieder begleiten. Das muss jetzt nicht so tragisch sein, wie es klingt, aber das ist einfach die Realität. Und man freut sich natürlich über jeden Moment und alle Lebensphasen, in denen man das überhaupt nicht im Kopf hat.
Zum anderen: Die beste Rache ist keine Rache! - Also, keine Rache im klassischen Sinn, sondern stattdessen weiterzumachen und dafür zu sorgen, dass man ein verdammt glücklicher Mensch ist. Das klingt zwar jetzt wie so ein Kalenderspruch, ist aber, glaube ich, einfach die Wahrheit. Über lange Zeit hinweg war ja für mich beim Drehbuchschreiben die Krux, dass ich vergeblich nach einer Lösung gesucht habe. Und die direkte, klare Lösung gibt es eben nicht!
Es gibt keine Lösung, die innerhalb dieses Systems, also dieses Verbrechens, zu finden ist. Es gibt den Versuch der Justiz, die wir über hunderte von Jahren aufgebaut haben und für die wir Steuern zahlen. Aber wirklich befreiend ist das im Ergebnis für die Opfer auch nicht. Für dieses Bild der radikalen Wohnungszerstörung war ich aus dem Grund recht dankbar. Das gibt die Möglichkeit, sich zumindest ein bisschen in diese Idee von „Wir lassen mal alles fallen!“ hinein zu fühlen und zu denken.
"Was wäre wenn?"-Fragen drängen sich bei einem solchen Film mit seiner existenziellen Thematik nahezu auf. Welche Vorstellungen hätten Sie von sich als Partner in einer vergleichbaren Lage?
Auf mich persönlich bezogen: Ich glaube, die einzige wirkliche Lösung wäre für mich, das Thema fallen zu lassen und auf die Großzügigkeit des Partners zu hoffen. Wenn ich z.B. jemanden vor einer solchen Tat nicht schützen konnte, würde ich niemals erwarten, dass man mir das verzeiht und Fünf gerade sein lässt. Ich könnte damit leben, dass da eine starke Verletzung bleibt. Der einzige Weg da heraus, wäre für mich wirklich, dass man mir da großzügig begegnet.
Ihre Protagonisten Malte und Liv sind Lehrer, also zwei Intellektuelle, die ihren Kopf einsetzen. Andererseits ist Malte in der Besetzung mit Maximilian Brückner jemand, der physische Kraft ausstrahlt. Einer, der sich ohne Probleme prügeln kann und das auch glaubhaft rüberbringt. Malte ist ja Ihre Figur, von Ihnen so angelegt und als typisch männliche Figur gezeichnet.
Was glauben Sie: Würden Sie selbst einem Vergewaltiger Ihrer Partnerin gegenüber eher analytisch und besonnen vom Kopf her, oder als Testosteron gesteuerter, männlicher Bauchmensch handeln? Auf jeden Fall machen Sie nicht gerade den Eindruck, jemand zu sein, der drauf aus ist, jemandem, salopp gesagt, mal „die Fresse zu polieren“...
(lacht) Na ja, ich würde wahrscheinlich beides unterbringen können! Ich selbst bin ja ein Lehrerkind. (schmunzelt) Und ich fand es in der Tat interessant, ein Paar zu zeigen, das das verbale Werkzeug hat, diese Situation auseinanderzunehmen und sich gar nicht nur den Gefühlen so hingeben will. Diese Zwei sind Leute, die sagen: „Es gibt für so was Therapien, und da gehen wir jetzt hin.“
Für mich habe ich ein Narrativ, das besagt: Wenn so eine Scheiße passiert, kann niemand was dafür! Ich lebe jetzt weiter, und ich möchte eine schöne Beziehung und eine schöne Sexualität. Natürlich finde ich mich in diesem Ansatz schon wieder. Gleichzeitig haben wir alle auch was Archaisches in uns und können diese brachialen Gefühle schwer leugnen, die einen da überkommen.
FORTSETZUNG Serie: "Das schönste Paar" 8/8
Interview mit Regisseur Sven Taddicken
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FOTOS
1) Making of - Luise Heyer
© One Two Film
2) Jasna Fritzi Bauer
© One Two Films
3) Luise Heyer und Maximilian Brückner
© One Two Films
IINFO
"DAS SCHÖNSTE PAAR"
90 minuten
FSK-Freigabe ab 16 Jahren
Kinostart: 02. Mai 2019
Regie & Drehbuch
Sven Taddicken
Darsteller
Luise Heyer (Liv), Maximilian Brückner (Malte),
Leonard Kunz (Sascha), Jasna Fritzi Bauer (Jenny),
Florian Bartholomäi (Henning), Inga Birkenfeld (Maren),
Oskar Bökelmann (Janko), Matthias Lier (Boris), Aurel Manthei (Ben),
Julius Nitschkoff (Karl), Susanne Sachsse (Therapeutin), Hannah Schiller (Lydia),
Jakob Schmidt (Hendrik), Vivien Sczesny (Clara), Mirko Kraft (Julius),
Ronald Kukulies (Anwalt), Varia Linnéa Sjöström (Franzi)
Musik
Éric Neveux
Kamera
Daniela Knapp
Schnitt
Andreas Wodraschke
Casting
Simone Bär
Produktion
One Two Films GmbH,
Arsam International, WDR - Westdeutscher Rundfunk, Arte
Verleih
Koryphäen Film
Sven Taddicken VITA
1974 geboren in Hamburg / aufgewachsen in Oldenburg
seit 1989 Filme
1995-96 Musik- und Kommunikationswissenschaften an der Humboldt Universität Berlin
1996-02 Filmakademie Baden-Württemberg: Regie/szenischer Film
2000 Caligari-Stipendium der Filmakademie
2004 Stipendium der Akademie der Künste Berlin (‚Junge Akademie‘)
2007 Stipendium der Villa Aurora/Los Angeles
2007 UCLA Los Angeles: The Business of the Film Industry + Acting for the Camera
2013 Mentor für den Spielfilm „Veve“ für OneFineDayFilms in Nairobi
seit
2014 Dozent an der MET Film School Berlin
lebt in Berlin