EdieSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. Mai 2019, Teil  4

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - Edith "Edie" Moore (Sheila Hancock) ist Anfang 80 als ihr Mann George nach 30 Jahren im Rollstuhl stirbt. Drei Jahre später lebt Edie immer noch allein in ihrem Reihenhäuschen, doch ihre Tochter Nancy (Wendy Morgan) will sie in einem Altenheim unterbringen. Dabei erfährt Nancy aus Edies Tagebuch, dass die Ehe schon vor Georges Schlaganfall zerrüttet war.

Beim Aufräumen fällt Edie eine Postkarte in die Hände, in der vor vielen Jahren ihr Vater die Idee hatte, mit ihr zusammen den Berg Suilven in den schottischen Highlands zu besteigen. Doch leider ist es nie dazu gekommen, da George sie daran gehindert hat.

Jetzt beschließt die 84jährige sich den lang gehegten Traum zu erfüllen. Sie meldet sich bei ihrer Tochter ab und macht sich mit ihrer etwas veralteten Wanderausrüstung im Koffer mit dem Zug auf den Weg nach Inverness.

Am Bahnhof wird die verbitterte Frau gleich von dem jungen Jonny (Kevin Guthrie) und dessen Freundin Fiona (Amy Manson) umgerannt. Gleich danach treffen Jonny und Edie wieder aufeinander, denn der junge Mann bietet Edie an, sie in seinem Auto nach Lochinver mitzunehmen, da der Bus zu ihrem Ziel erst in ein paar Stunden wieder fährt.

Mehr aus schlechtem Gewissen kümmert sich Jonny auch weiterhin um Edie als sie vor Ort kein Zimmer findet. Edie nimmt seine Hilfe nur widerwillig an. Doch als sie merkt, dass Jonny im örtlichen Kletterbedarfsgeschäft arbeitet, engagiert sie ihn, damit er sie für den Aufstieg trainiert. So lernt Jonny mehr über Edies Vergangenheit und die alte Frau beginnt langsam anderen und sich selbst wieder zu vertrauen. Dadurch entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den beiden Menschen, die beide feststellen müssen, dass sich viele ihrer Wünsche nicht erfüllt haben.

Doch dann kommt der Tag des Aufstiegs und den will Edie unbedingt allein bewältigen. Doch ist sie der Anstrengung wirklich gewachsen?


Der Berg, den in diesem Film Edie besteigen will, ist der 731 m hohe Inselberg Suilven im Westen der Grafschaft Sutherland. Er ist einer der markantesten Berge Schottlands. Er liegt weitab von menschlichen Siedlungen, so dass zu seiner Besteigung von Lochinver aus ein Fußmarsch von gut 20 km erforderlich ist.

In "Edie - Für Träume ist es nie zu spät" geht es vor allem um eine ältere Frau, die nach einem fremdbestimmten Leben sich wenigstens noch einen ihre Träume erfüllen will. Eine ganz ähnliche (Kurz)-Geschichte hat 1939 bereits Berthold Brecht mit "Die unwürdige Greisin" veröffentlicht, die 1965 von dem französischen Regisseur René Allio mit Sylvie als Madame Bertini und Victor Lanoux als Pierre verfilmt wurde.

In dem hier besprochenen Film variiert Regisseur Simon Hunter nach dem Drehbuch von Elizabeth O'Halloran diese Geschichte. Hier erfüllt sich eine 84jährige Frau nach dem Tod ihres Mannes mit der Bergbesteigung einen Lebenstraum. Gleichzeitig merkt sie aber auch, was sie bisher in ihrem Leben versäumt hat und versucht dies Jonny nicht nur zu erklären, sondern sie fordert ihn auch auf, sich seine eigenen Träume zu erfüllen und nicht seine Chancen aus Rücksicht auf andere zu verpassen.

Kameramann August Jakobsson fängt die Schönheit des schottischen Hochlandes rund um den Suilven in atemberaubenden Bildern ein. Diese Landschaftsaufnahmen sind sicher einer der Höhepunkte des Films. Denn der Kameramann zeigt in wunderschönen Aufnahmen die Berge und auch die Weite der abgelegenen, romantischen Wildnis. Diese Bilder vermitteln aber auch die Einsamkeit, die Edie in ihrem bisherigen Leben gefühlt hat. Regisseur und Kameramann finden dazu interessante Motive um dies auszudrücken.

Für die Hauptrolle der Edie benötigte Hunter eine ältere Schauspielerin, die fit genug war, um selbst den Suilven zu besteigen. Er konnte die in England sehr bekannte Autorin, Theater- und Fernsehschauspielerin Sheila Hancock für die Rolle gewinnen, die selbst in Edies Alter ist. Während des Filmens wurde Sheila Hancock übrigens der älteste Mensch, der bisher den Suilven bestiegen hat.

Hancock zeigt wundervoll die Unzufriedenheit mit ihrem Leben, aber auch die anfängliche Sturheit und wie die Freundschaft zu dem jungen Jonny sie langsam auftauen lässt. Dabei ist die Schauspielerin in der Lage einfach nur mit ihrem Gesichtsausdruck ihre vielen Emotionen zu zeigen. Daneben gibt es aber auch Szenen, die zeigen, dass das Umfeld doch sehr boshaft auf die Ideen der alten Frau reagiert und die Bewohner des Örtchens sie teilweise auch ausnutzen.

Ihr zur Seite steht der junge schottische Schauspieler Kevin Guthrie, den einige Zuschauer evtl. als Abernathy in den beiden "Phantastische Tierwesen"-Filmen (2016 + 2018) gesehen haben. Dabei ist die Dynamik zwischen Hancock und Guthrie sehenswert und hörenswert. Denn Jonny beginnt als bezahlter Trainer und entwickelt sich im Laufe des Films zu einem wahren Freund. Dabei rufen die Streitereien der Beiden eine Menge humorvoller Momente hervor, denn Edie und Jonny fangen an einander aufzumuntern und auch gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.

Der Film mag einer der typischen Filme sein, wie man in den letzten Jahren einige hergestellt hat, und der als Zielgruppe ein älteres Kinopublikum ansprechen soll. Auch hier wird eine Frau nach dem Tod ihres Mannes mit Entscheidungen ihrer Vergangenheit konfrontiert und sie versucht noch einmal sich einen Herzenswunsch zu erfüllen. Vor allem die beeindruckende Darstellung von Sheila Hancock und die tollen Landschaftsaufnahmen machen den Film sehenswert.

"Edie - Für Träume ist es nie zu spät" ist aber auch eine ausgesprochen inspirierende Geschichte, wie man die Trauer über Versäumtes überwinden und auch im späteren Leben noch etwas Neuem und bisher Undenkbarem beginnen kann. Wegen dieser Botschaft und auch wegen den beiden wunderbaren Hauptdarstellern ist der Film nicht nur für ein älteres Publikum unbedingt sehenswert.

Foto: Kevin Guthrie als Jonny und Sheila Hancock als Edie © Weltkino Filmverleih GmbH

Info:
Edie - Für Träume ist es nie zu spät (Großbritannien 2017)
Originaltitel: Edie
Genre: Drama
Filmlänge: 102 Minuten
Regie: Simon Hunter
Drehbuch: Elizabeth O'Halloran
Darsteller: Sheila Hancock, Kevin Guthrie, Amy Manson, Paul Brannigan, Wendy Morgan u.a.
Verleih: Weltkino Filmverleih GmbH
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 23.05.2019