Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. April 2013, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wir sind ein Fan von Bernhard Schlinks Romanen um den Mannheimer Privatdetektiv Selb, deren Titel wir darum unten noch einmal anführen. Mit seinem WOCHENENDE dagegen konnten wir wenig anfangen und finden die Filmfassung viel lebendiger als die Wörter.

 

 

DAS WOCHENENDE

 

Das muß man vorausschicken, wenn man dann auch viele Dialoge im Film als ziemlich gewollte und auch etwas hölzern empfindet, ganz abgesehen davon, daß auch einige Personen diese formale Charakterisierung abbekommen. Dazu noch mehr. Grundsätzlich geht es um eine Aufarbeitung der Geschichte der RAF und ihrer Unterstützer, was schon deshalb wichtig ist, weil die Zeitzeugen längst in die Pension gehen und die Verurteilten – wie hier im Film – in die Gesellschaft entlassen werden.

 

Einfach so. Da steht er, der Jens Keller (Sebastian Koch), den seine Schwester Tina (Barbara Auer) vom Gefängnis abholt und mit ihm in ihr Landhaus fährt, in das sie zum Wochenende ihre und seine Freunde eingeladen hat. Es kommen die Ex-Freundin Inga Lansky (Katja Riemann) mit ihrem Kochexperten und Schöner Leben-Lifestylmann – eine Gemeinheit, was man Tobias Moretti in dieser dämlichen Rolle zumutet – sowie unangemeldet Sohn Gregor (Robert Gwisdek), den Inga mit Jens hat. Wichtig ist auch der ehemalige Sympathisant Henner (Sylvester Groth), der über die RAF geschrieben hat, mit dem Blick von heute, was Auflagenstärke garantiert. Und dann gibt es noch Doro (Elisa Schlott), die Tochter der Lanskys, bei der wohl genetisch die Dümmlichkeit des Vaters durchschlägt. Schade, daß ein Mädchen von heute so simpel sein muß.

 

Was nun an diesem Wochenende abgeht, kann man sich gut vorstellen. Da überlagern sich mindestens drei Ebenen im Gespräch im Landhaus bei Essen und Trinken, Saubermachen und Spazierengehen und beim Miteinanderschlafen auch noch: Die Unfähigkeit des Gefängnisinsassen, mit dieser Wohlstandswelt von heute und ihren Problemchen umgehen zu können, wie die Unfähigkeit der in dieser Welt lebenden – oder sich sogar von ihr ernährenden – Konsumfetischisten, sich überhaupt vorzustellen, wie das ist, von der Gefängniswelt in die gesellschaftliche von heute zu kommen.

 

Die zweite Ebene ist die der persönlichen Beziehungen. Zum einen diejenige des ehemaligen Liebespaares Inga und Jens, die durchaus wieder aufflammt, aber es ist auch die der ehemaligen Kampfgefährten Jens und Henner, sowie die der beiden Geschwister. Ganz am Schluß bekommen wir mit, daß sie es war, die in den Filmgesprächen gesucht wurde als diejenige, die Jens verpfiffen hatte, in dem sein geheimer Ort der Polizei mitgeteilt und er gefaßt wurde. Nur wer die Hysterie der Zeit erlebt hat, kann dies nachvollziehen, nämlich auch verstehen, daß die Motive der Schwester edle waren: Sie wollte seinen Tod durch die Staatsorgane verhindern.

 

Die dritte Ebene ist die politische. Was macht ein ehemaliger RAF-Mensch, wenn er sieht, um wie viel kaputter diese kapitalistische Welt heute ist, als zu der Zeit, als er gegen sie im Kampf antrat. Bei seinen „Idealen“ zu bleiben, ist nicht nur eine Option, sondern sogar eine verständliche Konsequenz, wenn man das dumme Geschwätz und konsumorientierte Verhalten der anderen mitansieht. Aber für seinen ihm unbekannten Sohn Gregor ist das allerdings viel zu wenig, wenn Jens nur im Kopf und Sprüchen seinen Idealen treu bleibt. Er möchte, daß sein Vater im gesellschaftlichen Kampf gegen das Kapital und seine Folgen wieder öffentlich antritt. Das gehört zu den exzellentesten Szenen im Film, wenn der Sohn, von dem der Vater hier noch nicht weiß, daß es sein Sohn ist, den Ex-Revolutionär auffordert, seiner Gesinnung auch Taten folgen zu lassen, wobei die nicht krimineller Natur sein sollen, sondern nur öffentliche Auftritte in der Hauptstadt und Unterstützung von sozialen Anti-Bewegungen bedeuten.

 

Eigentlich ist mit diesem Tableau alles beschrieben, weil wir hier nicht nur im Strindberg/Bergmanschen/ Sinne Szenen einer Ehe erleben, sondern die einer sozialen Gruppe. Und weil das alles doch sehr viel mit unserer Welt zu tun hat, hat uns der mit 98 Minuten ausreichend lange Film auch gefallen. Die Schauspieler sind sowieso im Zusammenspiel eine Klasse für sich, wobei insbesondere Katja Riemann hervorsticht, weil sie hier anders erscheint, als es oft ihre Rolle ist.

 

Schlinks Romane und Hörbücher um den Privatdetektiv Selb im Diogenes Verlag

1987, Selbs Justiz

1992, Selbs Betrug

2001, Selbs Mord