f highSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. Mai 2019, Teil

Jaqueline Schwarz

München (Weltexpresso) - Ein unheimliches Raumschiff schwebt durch das All. Die Insassen sind allesamt Häftlinge, denen die Todesstrafe erlassen wurde unter der Bedingung, dass sie schwarze Löcher erforschen müssen, um wichtige Ressourcen zu beschaffen. Über die Risiken dieser Mission, die eine Rückkehr auf die Erde ausschließt, wie ein Professor einer Journalistin berichtet, wurden die „freiwilligen“ Probanden freilich nicht aufgeklärt.

Einige Astronauten lagern schon tot in einem Kühlraum.  Monte (Ex-Vampir-Mädchenschwarm Robert Pattinson), der Protagonist, und seine kleine Tochter Willow, zählen zu den noch wenigen Überlebenden. Nicht zufällig lautet das erste Wort, das der Vater das Mädchen lehrt, „Tabu“.

In ihrem ersten Science-Fiction-Film widmet sich die inzwischen 72-jährige Französin Claire Denis („Der Fremdenlegionär“, „Salauds-Dreckskerle“), viel beachtet für ihre gesellschaftskritischen Werke, der Sorge vor einer futuristischen  Gesellschaft, die womöglich nicht nur Kriminelle zu Ausgestoßenen macht, versklavt und unmerklich entsorgt. Mit großer Intensität vermittelt „High Life“, wie die Figuren - voneinander abhängig, letztlich aber ganz auf sich allein gestellt -verzweifeln, als sie herausfinden, dass sie ausgebeutet werden, versuchen einander näherzukommen und  Grenzen überschreiten.

Bei alledem müssen die Verbannten als Versuchskaninchen reproduktionsmedizinischer Experimente herhalten. In ihrer vielleicht ungewöhnlichsten Rolle spielt Juliette Binoche eine dubiose, mit hüftlangen Haaren auch äußerlich hexenhaft anmutende Ärztin namens Dibs, die, selbst als Strafgefangene an Bord, Effekte der schwarzen Löcher auf die menschliche Sexualität untersucht. Mit Party-Drogen verlockt sie die Sträflinge (darunter in kleiner Rolle Lars Eidinger) zu Sperma-Spenden, mit denen sie zur Herrin über neues Leben werden will. Allein Monte, den sie mittels eines teuflischen Plans einst zum Vater machte, wie in Rückblenden nachgeliefert, verweigert den Gang in die Masturbationskabine.

Bisweilen wirkt die Inszenierung trotz guter überzeugender darstellerischer Leistungen in ihren voyeuristischen Anflügen arg bemüht, vor allem in jener theatralischen Sequenz, in der sich Binoche mit einem riesigen Dildo selbstbefriedigt.

Seine stärksten Momente hat der wie Tarkowskis „Solaris“ in der philosophischen Tradition des Genres  stehende Film, wenn er zur unangepassten Kunstinstallation im All mutiert. Anmutig schweben die leblosen Körper der Verbannten auf ihrer letzten Reise  durch die Leere des Raums.

Foto:
© Verleih

Info:
CLAIRE DENIS REGIE, DREHBUCH
Claire Denis wurde 1948 in Paris geboren und verbrachte einen Großteil ihrer Kindheit in FranzösischWestafrika. Sie war Trainee in einer Firma, die Lehrfilme produzierte und schloss 1971 ihr Filmstudium am Institut des hautes études cinématographiques in Paris ab. Sie assistierte Regisseuren wie CostaGavras, Wim Wenders und Jacques Rivette, bevor sie 1988 ihr Langfilmdebüt Chocolat – Verbotene Sehnsucht inszenierte. In ihren Filmen beschäftigt sich Claire Denis häufig mit Menschen am Rande der Gesellschaft und mit dem Erbe des Kolonialismus wie in Der Fremdenlegionär (1999), Trouble Every Day (2001) oder Land in Aufruhr (2009).

Ein Film von CLAIRE DENIS mit ROBERT PATTINSON, JULIETTE BINOCHE, ANDRÉ BENJAMIN, MIA GOTH, AGATA BUZEK, LARS EIDINGER, CLAIRE TRAN, EWAN MITCHELL, GLORIA OBIANYO, JESSIE ROSS